VwGH vom 16.12.2015, 2013/15/0200
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde der A T in F, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0418- F/12, betreffend Einkommensteuervorauszahlungen für 2012 sowie 2013 und Folgejahre, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die in Österreich ansässige Beschwerdeführerin ist in Liechtenstein als Lehrerin an einer Privatschule nichtselbständig tätig, wobei sie in der Regel täglich zwischen ihrem inländischen Wohnsitz und dem Arbeitsplatz in Liechtenstein pendelt.
Mit Bescheid vom setzt das Finanzamt Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2012 und Folgejahre fest.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung und weiteren Schriftsätzen wandte die Beschwerdeführerin ein, dass sie an einer Privatschule arbeite, der mit Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden sei. Es handle sich bei der gegenständlichen Schule um eine von der Regierung bewilligte öffentliche Schule, die auch eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe erfülle. Die Schule sei allgemein zugänglich und es würden die Qualifikationen des Leitungs- und Lehrpersonals jährlich durch den Schulrat geprüft. Ihr sei auch das Recht eingeräumt worden, Schulzeugnisse auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen, wie Zeugnisse der öffentlichen Schule ausgestattet seien. In rechtlicher Hinsicht habe die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts zur Folge, dass es sich bei der Schule um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handle und alle angestellten Mitarbeiter, auch jene mit Wohnsitz in Österreich, mit ihrem Lohn nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein nur in Liechtenstein steuerpflichtig seien. Das Arbeitsverhältnis bestünde juristisch gesehen mit dem Staat Liechtenstein, wo die Beschwerdeführerin eine öffentliche Funktion als Lehrerin ausübe. Dies werde auch von der liechtensteinischen Steuerverwaltung gleichermaßen gesehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese sowie eine gegen die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2013 und Folgejahre gerichtete Berufung als unbegründet ab.
Nach Art. 60 des liechtensteinischen Schulgesetzes seien Privatschulen von natürlichen oder juristischen Personen getragene Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem Lehrplan unterrichtet werde. Die streitgegenständliche Schule sei - wie den abverlangten Unterlagen zu entnehmen sei - zunächst unter der Trägerschaft der Stiftung "Neues Lernen" geführt worden. Dieser sei mit Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom gestützt auf Art. 67 des Schulgesetzes, LGBl. 2000 Nr. 35, unter Vorbehalt der dort angeführten Bedingungen das Öffentlichkeitsrecht für die von ihr betriebene Privatschule verliehen worden. Dadurch habe sie das Recht erhalten, Schulzeugnisse auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen wie Zeugnisse der öffentlichen Schule ausgestattet seien (Art. 68 des Schulgesetzes).
Seit Juli 2007 sei Rechtsträgerin die im Handelsregister eingetragene F Bildungsanstalt, eine Anstalt iSd Art. 534 ff des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts. Mit Beschluss der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom seien ihr die dort im Einzelnen angeführten, bisher von der Stiftung gehaltenen Bewilligungen bzw. Rechte (insbesondere zur Errichtung und Führung der Schule mit den verschiedenen Schulstufen sowie das Öffentlichkeitsrecht) übertragen worden.
Das in Rede stehende Arbeitsverhältnis bestünde daher nicht mit dem Staat Liechtenstein oder einer seiner Gebietskörperschaften, sondern mit einer selbständigen juristischen Person des privaten Rechts, mit der auch der vorgelegte Dienstvertrag abgeschlossen worden sei. Dass die Privatschule allgemein zugänglich sei und im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgaben erfülle sowie von der zuständigen Schulbehörde und vom Schulrat regelmäßig überprüft werde, seien Umstände, die daran ebenso wenig zu ändern vermögen, wie die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts. Die Zuerkennung des Rechts, Schulzeugnisse auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen wie Zeugnisse öffentlicher Schulen ausgestattet seien, sei für die Frage der Rechtspersönlichkeit der Privatschule ohne Relevanz (Hinweis auf das , zur Rechtspersönlichkeit einer Krankenanstalt). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sowie der liechtensteinischen Steuerverwaltung im Schreiben vom könne auch keine Rede davon sein, dass die privatrechtliche Stiftung bzw. die F Bildungsanstalt durch die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts geworden wäre, habe dies doch keine Auswirkung auf ihre Rechtsnatur als selbständige juristische Person des privaten Rechts. Im Übrigen komme der Rechtsansicht einer ausländischen Steuerbehörde auch keine bindende Wirkung zu (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0070).
Hinzu komme, dass Art. 19 DBA-Liechtenstein nur die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen gezahlten Vergütungen und damit - anders als in anderen von Österreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen - nicht auch Vergütungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts umfasse.
Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, die Bezüge aus ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Lehrerin im Fürstentum Liechtenstein und nicht in Österreich versteuern zu müssen.
Wie schon im Verwaltungsverfahren vertritt die Beschwerdeführerin auch in ihrer Beschwerde den Standpunkt, dass es sich bei der F Bildungsanstalt um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handle, weil ihr mit Entscheidung des Fürstentums Liechtenstein vom das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden sei. Die Beschwerdeführerin stünde somit in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis. Sie erbringe ihre Dienste gegenüber dem Staat Liechtenstein bzw. einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Die Beschwerdeführerin übe eine öffentliche Funktion als Lehrerin aus und sei daher gemäß dem DBA-Liechtenstein von der österreichischen Einkommensteuer befreit. Der F Bildungsanstalt komme seit der Verleihung des Öffentlichkeitsrechts das Recht zu, Schulzeugnisse auszustellen. Somit könnten die Leistungen der F Bildungsanstalt seither mit den Leistungen einer öffentlichen Schule verglichen werden. Die Bildungsanstalt erfülle eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe. Der Staat Liechtenstein werde mit dem ausgestellten Zeugnis der F Bildungsanstalt in Verbindung gebracht. Deshalb trete auch im täglichen Leben der Konnex zutage, dass der Lehrkörper der genannten Bildungsanstalt Dienste für den Staat Liechtenstein erbringe. Aus Art. 67 Liechtensteiner Schulgesetz ergebe sich, dass einer Schule nur dann das Öffentlichkeitsrecht verliehen werden könne, wenn sie allgemein zugänglich sei, die Voraussetzungen des Art. 62 Abs. 1 erfülle und insgesamt eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe erfülle. Aus diesem Grund stünde die Beschwerdeführerin in einem öffentlich rechtlichen Arbeitsverhältnis. Sie erbringe zwar die Leistungen für die F Bildungsanstalt, da sie dort als Lehrerin beschäftigt sei, sie erbringe aber zeitgleich im Zuge ihrer Lehrtätigkeit Leistungen für den Staat Liechtenstein. Es könne im Beschwerdefall (anders als in dem dem Erkenntnis vom , 2009/15/0151, zu Grunde liegenden Fall eines Bewährungshelfers) nicht angenommen werden, dass die Leistungen zuerst für die F Bildungsanstalt erfolgen und dann die F Bildungsanstalt Leistungen für den Staat Liechtenstein erbringe. Es liege eine Leistungserbringung der Beschwerdeführerin für den Staat Liechtenstein zu jedem Zeitpunkt ihrer Lehrtätigkeit vor. Die Leistungserbringung für die F Bildungsanstalt sei unausweichlich Hand in Hand mit einer Leistungserbringung für den Staat Liechtenstein verbunden bzw. gehe mit dieser einher.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Artikel 3 Abs. 2, Artikel 15 Abs. 4 und Artikel 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 24/1971, (in der Folge "DBA") lauten:
"Artikel 3
(2) Bei Anwendung des Abkommens durch einen Vertragstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, welche Gegenstand des Abkommens sind.
Artikel 15
Unselbständige Arbeit
(4) Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die in einem Vertragstaat in der Nähe der Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben (Grenzgänger), werden in dem Vertragstaat besteuert, in dem sie ansässig sind. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine Steuer von höchstens vier vom Hundert im Abzugsweg an der Quelle zu erheben.
Artikel 19
Öffentliche Funktionen
(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktion erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.
(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, finden die Artikel 15, 16 und 18 Anwendung."
Art. 15 Abs. 4 DBA weist somit (grundsätzlich) dem Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht an den Einkünften der Grenzgänger zu. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz (in Richtung des so genannten "Kassenstaatsprinzips") bestimmt Art. 19 Abs. 1 DBA für den Fall, dass folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. die Zahlung der Vergütung von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem vom Vertragsstaat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen;
2. die Erbringung von Diensten für diesen Staat oder die Gebietskörperschaft, und zwar
3. "in Ausübung öffentlicher Funktionen" (vgl. das Erkenntnis vom , 2009/15/0151).
Die Feststellung der belangten Behörde, dass es sich bei der F Bildungsanstalt um ein rechtlich verselbständigtes ins Öffentlichkeitsregister eingetragenes Unternehmen handelt, wird durch die der Beschwerde angeschlossenen Unterlagen bestätigt. Der vorgelegte Arbeitsvertrag der Beschwerdeführerin weist nicht den Vertragsstaat Liechtenstein oder eine seiner Gebietskörperschaften, sondern die F Bildungsanstalt als Arbeitgeber der Beschwerdeführerin aus. Die belangte Behörde konnte sich daher zu Recht darauf stützen, dass die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit als Lehrerin nicht auf Grund eines Vertragsverhältnisses mit dem Vertragsstaat Liechtenstein (oder einer seiner Gebietskörperschaften) ausübt. Dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Tätigkeit als Lehrerin eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe erfüllt, führt nicht dazu, dass Liechtenstein als Kassenstaat Schuldner der gezahlten Vergütung wird, was aber Voraussetzung für die Anwendung der so genannten Kassenstaatsregelung wäre. Wegen des klaren Wortlautes "Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften" ist ein Durchgriff durch zwischengeschaltete Personen für Zwecke der Anwendung des Art. 19 DBA nicht möglich. Damit fallen Vergütungen von privatrechtlich organisierten Arbeitgebern nicht unter Art. 19 Abs. 1 DBA, auch wenn diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen und staatlicher Aufsicht unterliegen (vgl. Dürrschmidt in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen6, Art. 19 Rz. 27 und 27a; sowie Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 19 Rz. 41, zu der insoweit übereinstimmenden Formulierung des Art. 19 im OECD-Musterabkommen).
Körperschaften öffentlichen Rechts, die keine Gebietskörperschaften sind, werden von der Regelung des Art. 19 Abs. 1 DBA nicht erfasst (vgl. nochmals Dürrschmidt in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen6, Art. 19 Rz. 22). Damit können die streitgegenständlichen Bezüge selbst für den Fall, dass es sich bei der F Bildungsanstalt entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht um eine Körperschaft öffentlichen Rechts handeln sollte, nicht der Zuteilungsregel des Art. 19 Abs. 1 DBA subsumiert werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am