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VwGH vom 10.03.2016, 2013/15/0196

VwGH vom 10.03.2016, 2013/15/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Dr. H W in G, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0399-G/11, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Beschwerdeführer machte im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Personenkraftwagens der Marke Mercedes-Benz Puch G 350 CDI 6 Vorsteuern in Höhe von 15.358,33 EUR geltend. Diese wurden vom Finanzamt mit Bescheid vom betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuer für Juni 2010, der im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ergangen ist, nicht anerkannt.

2 Der Beschwerdeführer berief gegen den Bescheid vom und brachte in der Berufung im Wesentlichen vor, dass er gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für die Fachgebiete Verkehrsunfall Straßenverkehr, Unfallanalyse, allgemeiner Maschinenbau, Kraftfahrzeugreparaturen, Havarieschäden, Bewertung und Auswertung von Fahrtenschreibern sowie Unfalldatenschreibern sei. Er übe diese Tätigkeit seit über 30 Jahren aus, habe sich auf Verkehrsunfälle und die Unfallanalyse spezialisiert und sei in diesem Bereich überwiegend für Gerichte tätig.

3 Zur Berufsausübung sei ein geländegängiges Kraftfahrzeug unumgänglich, weil Verkehrsunfälle, Seilbahnschäden, Wintersportunfälle und insbesondere Geländewagenunfälle zu jeder Jahreszeit und bei allen Witterungsverhältnissen beurteilt werden müssten und der Beschwerdeführer zwecks Befundaufnahme ausnahmslos an die jeweilige Unfallstelle gelangen müsse. In weiterer Folge komme es nahezu immer zu einem Ortsaugenschein bzw. zu einer Verhandlung am Unfallort, bei welcher neben den Parteien und deren Vertretern auch der zuständige Richter, der Bezirksanwalt und manchmal auch ein Schriftführer oder Rechtspraktikant anwesend seien. Dabei sei es üblich, dass der Richter, allenfalls auch der Bezirksanwalt, der Schriftführer bzw. Rechtspraktikant vom Sachverständigen in seinem Kraftfahrzeug zur Unfallstelle befördert würden. § 28 Abs. 2 Gebührenanspruchsgesetz (im Folgenden: GebAG) sehe für diese Beförderungsleistung eine gesonderte Vergütung vor, die vom Beschwerdeführer regelmäßig geltend gemacht werde.

4 Vor mehr als 26 Jahren habe der Beschwerdeführer eine Anfrage an das Finanzamt gerichtet, ob die Beförderung des Gerichtspersonals durch einen Sachverständigen im Rahmen seiner Gutachtertätigkeit und mit seinem Kraftfahrzeug eine gewerbliche Personenbeförderung im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 darstelle und der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem Kraftfahrzeug zustehe, wenn dieses zu mehr als 80% der Beförderung dritter Personen im Rahmen der Tätigkeit als Sachverständiger diene. Das Finanzamt habe dies in seiner Rechtsauskunft bejaht und den Vorsteuerabzug in mehreren nachfolgenden Betriebsprüfungen anerkannt.

5 Im August 2010 sei beim Beschwerdeführer eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durchgeführt worden. Als deren Ergebnis sei - gänzlich abweichend von der jahrzehntelangen Handhabung - der Vorsteuerabzug für den im Juni 2010 neu angeschafften Mercedes-Benz Puch G 350 CDI 6 versagt worden.

6 Das Finanzamt vertrete den Standpunkt, dass die Personenbeförderung nicht der eigentliche Unternehmenszweck des Beschwerdeführers sei. Dabei werde übersehen, dass auch die Beförderung von Hotelgästen nicht den eigentlichen Unternehmenszweck eines Hotelbetriebes bilde. Trotzdem sei die Vorsteuer für ein Kraftfahrzeug, das zu mindestens 80% der Beförderung von Hotelgästen diene, nach Rz 1946 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 abziehbar. Nichts anderes könne für den hier zu beurteilenden Sachverhalt gelten.

7 Auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/13/0080, stütze den Standpunkt des Finanzamtes nicht. Der Gerichtshof führe in diesem Erkenntnis lediglich aus, dass die Tätigkeit gewerbsmäßig, also zur Erzielung von Einnahmen unmittelbar durch die Personenbeförderung selbst erfolgen müsse, fordere aber nicht, dass die Personenbeförderung die Haupteinnahmequelle des Unternehmers sei. Wäre dies vom Gesetzgeber gewollt, wäre auch bei einem Hotelwagen der Vorsteuerabzug zu versagen.

8 Der Beschwerdeführer sei nach dem Gebührenanspruchsgesetz berechtigt, erhöhte Kilometergelder zu verrechnen. Er erziele daher Einnahmen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Personenbeförderung stehen. Dass das Beförderungsentgelt nicht vom Empfänger der Beförderungsleistung bezahlt werde, sei irrelevant. Die Gewerbeberechtigung zur Personenbeförderung und die Rückvergütung der Normverbrauchsabgabe stellten keine Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug dar. Dass mit dem Kraftfahrzeug auch Privatfahrten unternommen würden, stehe einem Vorsteuerabzug nicht entgegen, solange dieses zu mindestens 80% der gewerblichen Personenbeförderung diene. Den Nachweis dafür habe der Beschwerdeführer durch Vorlage entsprechender Aufzeichnungen erbracht.

9 Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

10 Die belangte Behörde führte eine mündliche Berufungsverhandlung durch und gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung, die sie als gegen den zwischenzeitig ergangenen Umsatzsteuerjahresbescheid 2010 gerichtet wertete, keine Folge. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass die im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Kraftfahrzeug stehende Vorsteuer auch dann nicht abziehbar sei, wenn damit regelmäßig Richter, Bezirksanwälte, Schriftführer und Rechtspraktikanten zu Unfallstellen befördert würden. Die Beförderung dieser Personen stelle nicht den eigentlichen Unternehmenszweck des Beschwerdeführers, der in der Ausübung der Tätigkeit eines gerichtlich zertifizierten Sachverständigen bestehe, dar. Auch wenn der Beschwerdeführer den Auftraggebern von Gutachten erhöhte Kilometergelder in Rechnung stelle, verleihe dies der Beförderung nicht die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994. Die Fahrten würden zwecks Erstellung eines Gutachtens unternommen und dienten nicht der Erzielung von Einnahmen aus der Personenbeförderung. Die Erlöse aus der Mitnahme des Gerichtspersonals stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Honorar für das Gutachten und stellten kein Entgelt für eine gewerbliche Personenbeförderung dar. Da der Fahrtzweck in der Sachverständigentätigkeit des Beschwerdeführers und der dadurch bedingten Anwesenheit am Unfall- bzw. Verhandlungsort begründet sei, sei die Beförderung des Richters und des Gerichtspersonals auch nicht mit der Beförderung von Hotelgästen mit einem hoteleigenen Kraftfahrzeug vergleichbar.

11 Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Versagung des Vorsteuerabzuges stehe im Widerspruch mit einer vor 26 Jahren erteilten Rechtsauskunft des Finanzamtes und mit der Anerkennung des Vorsteuerabzuges im Rahmen mehrerer Betriebsprüfungen, weshalb der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt sei, sei - abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nach seinen Ausführungen in der mündlichen Berufungsverhandlung nur eine mündliche Anfrage an das Finanzamt gerichtet habe - zu entgegnen, dass dem Grundsatz von Treu und Glauben auch im Rahmen einer von der zuständigen Abgabenbehörde erteilten Auskunft nur dann Bedeutung zukomme, wenn ein Vollzugsspielraum bestehe. Das hier maßgebliche Tatbestandsmerkmal "gewerbliche Personenbeförderung" im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 stelle keinen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Daher schütze auch eine offensichtlich unrichtige Auskunft des Finanzamtes den Beschwerdeführer nicht davor, von der abgabenrechtlichen Beurteilung in der Vergangenheit abzugehen.

12 Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in "seinem Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich seines Kraftfahrzeuges Mercedes Benz Puch G 350 CDI 6 gem. § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG unter Nichtbeachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben hinsichtlich maßgeblicher, erteilter Auskünfte und Erklärungen der Behörde hinsichtlich dieses Steuervorganges" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80% dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen, nicht als für das Unternehmen ausgeführt.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 98/13/0080, zur gleichlautenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 ausgesprochen, dass unter einer gewerblichen Personenbeförderung die tatsächliche Ausübung der Beförderung von dritten Personen zu verstehen ist, wobei diese Tätigkeit gewerbsmäßig, also zur Erzielung von Einnahmen unmittelbar durch die Personenbeförderung selbst erfolgen muss. Auch in Bezug auf § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 kann von einer gewerblichen Personenbeförderung nur dann gesprochen werden, wenn die Beförderung unternehmensfremder Personen zum eigentlichen Unternehmenszweck eines Gewerbes gehört (vgl. Mayr/Ungericht , UStG4 § 12 Anm 18;

Ruppe/Achatz , UStG4, § 12 Tz 201).

15 Im Beschwerdefall mangelt es an dieser Voraussetzung. Das in Rede stehende Kraftfahrzeug und die damit unternommenen Fahrten sind laut dem Vorbringen des Beschwerdeführers erforderlich, um zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung "Verkehrsunfälle, Seilbahnschäden, Wintersportunfälle und insbesondere Geländewagenunfälle" zu befunden und zu begutachten. Die mit dem Fahrzeug unternommenen Fahrten sind - worauf im angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen wird - im Unternehmenszweck des Beschwerdeführers (Erstellung von Sachverständigengutachten) und in der dadurch bedingten Anwesenheit seiner Person am Unfallbzw. Verhandlungsort begründet. Zum Unternehmenszweck des Unternehmens eines Sachverständigen gehört aber nicht die Beförderung unternehmensfremder Personen. Daran ändert nichts, wenn es vorkommen sollte, dass der Beschwerdeführer mit seinem Kraftfahrzeug bei Bedarf auch Gerichtspersonal befördert und ihm diese Beförderung durch ein erhöhtes Kilometergeld abgegolten wird. Die Einnahmen aus der Erstellung von Gutachten können nämlich nicht von der Beförderung des Gerichtspersonals abhängig gemacht worden sein.

16 Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist die von ihm vorgenommene Nutzung seines Kraftfahrzeuges nicht mit der Beförderung von Hotelgästen durch einen Hotelbetreiber vergleichbar. Dass die Beförderung der Gäste von Gastgewerbebetrieben zwischen den Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs einerseits und dem Gastgewerbebetrieb andererseits vom Unternehmenszweck abgedeckt ist, erschließt sich nämlich schon daraus, dass § 3 Abs. 1 Z 4 Gelegenheitsverkehrsgesetz 1996 gerade hierfür eine spezielle Konzession für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Gästewagen-Gewerbe) vorsieht.

17 Die Beurteilung der belangten Behörde, das Kraftfahrzeug habe beim Beschwerdeführer nicht der gewerblichen Personenbeförderung gedient, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

18 Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben rügt, ist ihm zu entgegnen, dass dieser Grundsatz nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung in der Vergangenheit schützt. Vielmehr müssten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Auffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen ließen, wie dies z.B. der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der zuständigen Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wurde und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt. Davon abgesehen könnte der Grundsatz von Treu und Glauben auch nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. für viele , VwSlg 8528/F, mwN).

19 Ein derartiger Vollzugsspielraum besteht im Beschwerdefall nicht, weil der eine Ausnahme vom Ausschluss des Vorsteuerabzugs darstellende Tatbestand der gewerblichen Personenbeförderung iSd § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 im Streitfall nicht erfüllt war.

20 Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

22 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am