VwGH vom 25.11.2010, 2006/15/0179

VwGH vom 25.11.2010, 2006/15/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der T GmbH in G, Deutschland vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0046-G/06, betreffend Zurückweisung einer Berufung hinsichtlich Vorsteuererstattung für das Jahr 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, ein ausländisches Unternehmen ohne Sitz und Betriebsstätte in Österreich, stellte beim Finanzamt Graz-Stadt einen Antrag auf Erstattung von Vorsteuern im Betrag von EUR 377.096,50, der vom Finanzamt, nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung, abgewiesen wurde.

Der abweisende Bescheid wurde am erlassen und weist folgende Begründung auf:

"Die Veranlagung erfolgte unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind."

Die Zustellung des Bescheides vom erfolgte an die Firma AB, z.H. Herrn Mario G, nachdem dem Finanzamt mit Eingabe des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom Folgendes mitgeteilt wurde:

"Im Namen unserer im Betreff bezeichneten Mandantschaft (Vollmacht ausgewiesen) teilen wir mit, dass (steuerlicher Vertreter) die Zustellvollmacht sowie die Geldvollmacht zurückgelegt hat. Die Steuervollmacht bleibt im übrigen jedoch aufrecht.

Bitte senden Sie sämtlichen Schriftverkehr für unsere

Mandantschaft an folgende Adresse:

(Firma AB)

zH Herrn (Mario G)

(I-Straße X)

(W)

Mit der Bitte um Kenntnisnahme und Veranlassung empfehlen wir

uns."

Die Eingabe vom wurde vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin unterzeichnet und weist als Betreff "Zurücklegung der Zustellvollmacht - Änderung der Zustelladresse" auf.

Am setzte sich Mario G mit dem Finanzamt telefonisch in Verbindung und ersuchte um Übermittlung des im Abweisungsbescheid angeführten Betriebsprüfungsberichtes, der ihm in weiterer Folge formlos übermittelt wurde.

Am stellte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist bis und brachte die Berufung innerhalb dieser Frist beim Finanzamt ein, das die Berufung der belangten Behörde vorlegte.

Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom vor, dass der Bescheid vom zumindest am (wenn nicht schon früher) beim Zustellbevollmächtigten eingelangt und die Berufung nach der Aktenlage verspätet sei. Die Zustellung des Vorhaltes erfolgte an die Firma AB, z.H. Herrn Mario G.

Mit Schreiben vom gab der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin folgende Stellungnahme zum Vorhalt ab:

"Der angefochtene Bescheid ist bei unserer Mandantin am mit dem Hinweis auf eine noch zu ergehende Begründung eingelangt. Die Bescheidbegründung erfolgte durch den Prüfungsbericht, der unserer Mandantin erst am zugegangen ist. Da die Berufungsfrist gemäß § 245 BAO erst mit Bekanntgabe der fehlenden Begründung zu laufen beginnt, war das Ersuchen vom um Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis zum fristgerecht. Am wurde das Rechtsmittel sodann fristgerecht eingebracht".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen.

Der Bescheid vom habe - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - keine Ankündigung einer gesondert zu ergehenden Begründung enthalten, weshalb der Lauf der Berufungsfrist mit Zustellung des Bescheides an den Zustellbevollmächtigten in Gang gesetzt worden sei.

Der Hinweis auf einen noch nicht zugestellten Betriebsprüfungsbericht in der Begründung eines Abgabenbescheides stelle als ganz oder teilweise fehlende Begründung einen Mangel dar, der zu einer Antragstellung gemäß § 245 Abs. 2 BAO berechtige, wobei der Anruf von Mario G beim Finanzamt nicht als Antrag auf Mitteilung der dem Bescheid teilweise fehlenden Begründung gewertet werden könne, weil Anträge nach § 245 Abs. 2 BAO Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs. 1 BAO darstellten, die nicht telefonisch eingebracht werden könnten. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass das Finanzamt auf Grund des Telefonates den Betriebsprüfungsbericht formlos übermittelt habe.

Die Rechtsmittelfrist habe mit Zustellung des Bescheides am begonnen und einen Monat später am geendet. Das Ansuchen um Fristverlängerung vom sei außerhalb der Frist eingebracht worden. Der Lauf der Berufungsfrist werde durch einen Fristverlängerungsantrag nur gehemmt, wenn er vor Ablauf der Berufungsfrist eingebracht werde, weshalb die Berufung, ungeachtet dessen, dass die Abgabenbehörde erster Instanz den Zurückweisungsgrund nicht aufgegriffen habe, als verspätet zurückzuweisen sei.

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung sei erst in der Vorhaltsbeantwortung vom gestellt worden und begründe daher keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 96/14/0091, vom , 98/14/0179, und vom , 2001/13/0039).

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde trägt vor, der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin habe das Finanzamt mit Bekanntgabe vom vom Widerruf der ihm erteilten Zustell- und Geldvollmacht informiert. Dieses Schreiben habe zudem die Bitte enthalten, sämtlichen Schriftverkehr in Hinkunft an die Firma AB, z. H. Herrn Mario G, zu senden. Eine schriftliche Vollmacht, die Mario G als tatsächlich Zustellbevollmächtigten ausgewiesen hätte, sei der Mitteilung nicht angeschlossen gewesen. Eine solche Vollmacht sei der Abgabenbehörde auch im gesamten Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt worden und existiere nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Zustellung an den noch nicht als bevollmächtigt ausgewiesenen Vertreter nicht rechtswirksam. Die Frage der wirksamen Zustellbevollmächtigung sei nur anhand der Bestimmungen des Zustellgesetzes zu beurteilen, sodass die Ausnahmebestimmung des § 83 Abs. 4 BAO, wonach von einer ausdrücklichen Vollmacht abgesehen werden könne, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige oder Angestellte handle, und kein Zweifel über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsbefugnis vorliege, für die Frage der Zustellbevollmächtigung nicht maßgebend sei. § 83 Abs. 4 BAO komme auch deshalb nicht zur Anwendung, weil Mario G "nicht zur juristischen Vertretung der Beschwerdeführerin befugt" und kein Angestellter der Beschwerdeführerin sei. Der erstinstanzliche Bescheid sei nicht rechtswirksam erlassen worden, weshalb die Frist zur Erstattung einer Berufung nicht zu laufen begonnen habe.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz können die Parteien und Beteiligten, soweit in den Verfahrensvorschriften nichts anderes bestimmt ist, andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Die Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten kann auch dadurch erfolgen, dass in einem von der Partei unterzeichneten Anbringen eine Person ausdrücklich als Zustellungsbevollmächtigter bezeichnet wird, auch wenn nicht zusätzlich eine Vollmachtsurkunde beigelegt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/20/0008; ebenso das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , A 1/94).

In der Eingabe vom - die den Betreff "Zurücklegung der Zustellvollmacht - Änderung der Zustelladresse" aufweist, hat der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin das Finanzamt von der Zurücklegung der Zustellvollmacht in Kenntnis gesetzt. Die Eingabe enthält zudem die Mitteilung, "sämtlichen Schriftverkehr" der Beschwerdeführerin an die Firma AB, z.H. Herrn Mario G, zu übermitteln, was bei verständiger Würdigung nur als Namhaftmachung eines neuen Zustellungsbevollmächtigten angesehen werden kann. Diese kann - wie eingangs dargelegt - auch dadurch erfolgen, dass in einem von der Partei unterzeichneten Anbringen eine Person ausdrücklich als Zustellungsbevollmächtigter bezeichnet wird, was in gleicher Weise für eine mit "Zurücklegung der Zustellvollmacht - Änderung der Zustelladresse" titulierte vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin eingebrachte und unterzeichnete Eingabe gelten muss. Vor diesem Hintergrund kommt auch der - unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften - vorgebrachten Rüge, die belangte Behörde habe den entscheidungswesentlichen Sachverhalt für die Beurteilung der (mangelnden) Zustellvollmacht von Mario G und der (mangelnden) Heilung dieses Zustellmangels nicht ermittelt, keine Berechtigung zu.

Die Beschwerde trägt weiters vor, der im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Hinweis auf den Betriebsprüfungsbericht stelle eine Ankündigung im Sinne des § 245 Abs. 1 BAO dar, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen werde, weshalb die Berufungsfrist, unabhängig von einer Antragstellung gemäß § 245 BAO, erst mit dem Zugang des Prüfungsberichtes am zu laufen begonnen habe und die nach rechtzeitiger Fristverlängerung eingebrachte Berufung nicht verspätet sei. Abgesehen davon übersehe die belangte Behörde, dass telefonische Mitteilungen (die in Aktenvermerken festzuhalten seien) nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung zu berücksichtigen seien, weshalb der Anruf von Mario G "durchaus auch als zulässige Antragstellung im Sinne des § 85 Abs. 3 lit. b BAO zu werten gewesen wäre".

Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Soweit die Beschwerde den bloßen Hinweis auf den Betriebsprüfungsbericht als Mitteilung wertet, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen werde, und vermeint, dass der Lauf der Berufungsfrist erst mit dem Zugang des Prüfungsberichtes am begonnen habe, ist auf das hg. Erkenntnis vom , 93/13/0307, zu verweisen, von dem abzuweichen auch im gegenständlichen Verfahren keine Veranlassung besteht. Im angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass der Hinweis auf einen noch nicht zugestellten Betriebsprüfungsbericht in der Begründung eines Abgabenbescheides als ganz oder teilweise fehlende Begründung einen Mangel darstellt, der zu einer Antragstellung gemäß § 245 Abs. 2 BAO berechtigt, und dass es gemäß der zitierten Bestimmung - wie von der belangten Behörde zutreffend erkannt - nur dann zur Hemmung des Laufes der Berufungsfrist kommt, wenn ein solcher Antrag tatsächlich gestellt wird. Der Lauf der am begonnen Berufungsfrist hätte daher durch einen Antrag gemäß § 245 Abs. 2 BAO auf Mitteilung der dem Bescheid teilweise fehlenden Begründung gehemmt werden können. Die belangte Behörde ging zu Recht davon aus, dass es sich bei einem derartigen Antrag um ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO handelt. Diese Bestimmung sieht telefonische Anbringen nicht vor. Insoweit erweist sich auch die in der Beschwerde vertretene Auffassung, der Anruf von Mario G sei als Antragstellung iSd § 85 BAO zu werten als verfehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0089, mwN).

Das Vorbringen, der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil die Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber Mario G, "der bei seinem mündlichen Anbringen am nicht durch einen zur berufsmäßigen Parteienvertretung Befugten vertreten war", ihre Manuduktionspflicht gemäß § 113 BAO verletzt und die belangte Behörde dies nicht aufgegriffen habe, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

Nach § 113 BAO haben die Abgabenbehörden den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, auf Verlangen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Partei des gegenständlichen Verfahrens ist die Beschwerdeführerin, die durchgehend durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten war, und nicht deren Zustellbevollmächtigter Mario G.

Soweit die Beschwerde schließlich vermeint, der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin keine mündliche Verhandlung abgehalten worden sei, genügt es auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am