VwGH 24.01.2013, 2011/06/0123
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Gemäß § 25 Abs. 3 lit. c Tir BauO 2001 können nur die ausdrücklich in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Inhalte betreffend Bebauungspläne zum Gegenstand nachbarlicher Einwendungen gemacht werden. Nachbarn sind somit auf die (behauptete) Verletzung von Baufluchtlinien, Baugrenzlinien, Bauweisen und Bauhöhen beschränkt. |
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RS 2 | Der in der Beschwerde geäußerten Rechtsansicht, der Bebauungsplan sei deshalb "nichtig", weil darin keine Baugrenzlinie enthalten sei, ist nicht zuzustimmen. Gemäß § 56 Abs. 1 Tir ROG 2006 sind in einem allgemeinen Bebauungsplan hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinie der Straßen und hinsichtlich der Bebauung die Mindestbebauungsdichten festzulegen. Gemäß § 56 Abs. 2 leg. cit. können (fakultativ) in einem ergänzenden Bebauungsplan unter anderem Baugrenzlinien festgelegt werden. Dies steht jedoch im planerischen Ermessen der Behörde. |
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RS 3 | Eine Beeinträchtigung der bestehenden Licht- und Luftverhältnisse durch die Bauführung stellt kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinn des § 25 Tir BauO 2001 dar. |
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RS 4 | Ein im erstinstanzlichen Bauverfahren nicht beigezogenen Nachbarn gegenüber erfolgter Verfahrensmangel wird jedenfalls dadurch saniert, dass ihnen der erstinstanzliche Bescheid zugestellt und so Gelegenheit gegeben wird, dagegen ein Rechtsmittel zu ergreifen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. der S B, 2. der I G,
3. der C F, 4. des H H sowie 5. der E E, alle wohnhaft in Innsbruck, alle vertreten durch Dr. Edith Egger, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Gänsbacherstraße 6, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. I-Präs-00173e/2011, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: O GmbH, vertreten durch Dr. Matthias Lüth, Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 39; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40, jeweils zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom wurde der mitbeteiligten Partei (Bauwerberin) rechtskräftig die Bewilligung zur Neuerrichtung eines Wohnhauses mit fünf Wohnungen samt Tiefgarage auf einem näher genannten Grundstück in I. erteilt. Die dagegen von der Fünftbeschwerdeführerin eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0273, als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben Miteigentum an den östlich und südlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücken.
Mit Schreiben vom suchte die Bauwerberin um die Bewilligung von Änderungen des genehmigten Bauvorhabens an. Diese wurden im Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom folgendermaßen beschrieben:
"Im Untergeschoß wird die Durchgangsöffnung zum geplanten Tunnel des Nachbargebäudes (F-Weg 67a) ausgeführt. Der erforderliche brandschutztechnische Abschluss wird auf Nachbargrund an der Grundgrenze (Türe El2 90-C) ausgebildet. Der nördliche unterirdische Bauteil, der 3,11 m über das Hauptgebäude ragt, wird in der Höhe von 2,50 m auf 2,30 m verringert und die Höhenlage (OK Fußboden) wird von -4,30 m auf -3,70 m verändert.
Im Erdgeschoß entfällt der Erker an der Westseite und die Grundrisseinteilung der Wohnung Top 1 wird geringfügig verändert. Die Rampenneigung im Eingangsbereich wird von 10 % auf 6 % verändert und die Mauer entlang des Gehsteiges wird 40 cm von 1,00 m auf 1,40 m erhöht.
Im 1. Obergeschoss entfallen sämtliche Erker ost- und westseitig und an Stelle der 2 südseitigen Balkone werden 2 Loggien ausgebildet. Die Grundrissgestaltung wird im gesamten Geschoß geändert, wodurch sich auch die Nutzflächen der Wohnungen verändern. Die Belichtungsöffnungen (Fenster) werden den neuen Raumaufteilungen angepasst.
Im Dachgeschoss werden die Erker und Terrassen entfernt und die Außenwände ost- und westseitig nach außen auf die Außenwände des Obergeschosses verschoben. Südseitig wird die Außenwand um 1,00 m verschoben und das Vordach um 2,60 m verlängert. Die ursprünglich an der Nordseite geplante schräge Fassade über 1. und 2. Obergeschoß, die 1,25 m über das Erdgeschoß ragt, wird nun senkrecht ausgebildet."
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom wurde der Bauwerberin die Bewilligung für die beantragten Änderungen unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt. Für den Bauplatz sei eine besondere Bauweise mit Straßenfluchtlinie, Baufluchtlinie, Baugrenzlinie und maximalen Höhen in verschiedenen Ebenen festgelegt. Diese Vorgaben würden durch die geplanten Änderungen eingehalten.
In ihrer Berufung vom wandten sich die erstbis dritt- und fünftbeschwerdeführenden Parteien zunächst gegen die Änderung des Bebauungsplanes HA-B15 und HA-B15/1; dagegen habe die Fünftbeschwerdeführerin auch Einspruch erhoben. Weiters würden die Brandschutzbestimmungen und der Bemessungsansatz für die Stellplatzverpflichtung nicht eingehalten; bei den beantragten Änderungen handle es sich um eine Gesamtänderung des Projektes, daher sei das gesamte Projekt neu zu verhandeln. Der Viertbeschwerdeführer brachte eine gesonderte Berufung (ebenfalls vom ) ein, in der er eine massive Einschränkung der Belichtung in seiner Wohnung rügte. In der ergänzenden Stellungnahme vom wiesen die erst- bis dritt- und fünftbeschwerdeführenden Parteien darauf hin, dass mittlerweile ein ergänzender Bebauungsplan Nr. HA-B15/3 zur Einsicht und möglichen Stellungnahme aufgelegt worden sei.
Mit Schreiben vom änderte die Bauwerberin das Änderungsvorhaben dahingehend ab, dass nunmehr die südseitige Loggia im ersten Stock entfällt und durch einen Balkon an der Süd- und einen an der Westseite ersetzt wird; im Dachgeschoss rückt die Südfassade um 1 m zurück; südseitig kommt ein Erker dazu; die Terrasse im Erdgeschoss springt südseitig um 1,5 m zurück.
Zu diesen Änderungen wurde Parteiengehör gewährt. In ihrer Stellungnahme vom brachten die erst- bis dritt- und fünftbeschwerdeführenden Parteien vor, am habe offensichtlich eine Neuvermessung des Grundstückes stattgefunden, wovon sie nicht informiert gewesen seien. Die von der Bauwerberin am eingebrachten Änderungen stellten eine leichte Verbesserung zum Nachbargrundstück (gemeint wohl: südseitig) dar. An der Ostseite werde unmittelbar vor den Wohnungen der Beschwerdeführerinnen gebaut, diesbezüglich träten keine Erleichterungen oder Verbesserungen ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet ab. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass es sich bei den gegenständlichen Änderungen eindeutig um eine Einschränkung des ursprünglichen Bauvorhabens handle, die in Bezug auf das gesamte Einreichprojekt nach Art und Ausmaß als geringfügig einzustufen sei, weil nur kleine Teilbereiche des Gebäudes betroffen seien. Aus Sicht der Nachbarn komme es ebenfalls zu einer Besserstellung, weil die Abstände zu den Grundstücksgrenzen vergrößert würden. Aus den Stellungnahmen der Stadtplanung sowie der Bau- und Feuerpolizei ergebe sich, dass das Projekt sämtlichen bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere den Bestimmungen des in Geltung stehenden Bebauungsplanes HA-B15/1 vom - und darüber hinaus auch den hinsichtlich der Gebäudeabmessungen enger gefassten Vorgaben des sich in Auflage befindlichen künftigen Bebauungsplanes HA-B15/3 - entspreche. Zum Entscheidungszeitpunkt sei für den Bauplatz jedoch der Bebauungsplan HA-B15/1 (in Kraft seit ) anzuwenden gewesen. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung bzw. deren Entstehung falle nicht in die Kompetenz der Baubehörde. Das diesbezügliche Berufungsvorbringen sei für das Bauverfahren daher nicht relevant. Hinsichtlich der brandschutzrechtlichen Bestimmungen und der Möglichkeit der Zufahrt von Einsatzfahrzeugen komme den Nachbarn ebenso wenig ein Mitspracherecht zu wie hinsichtlich der Schaffung von KFZ-Abstellplätzen bzw. deren Anzahl. Es sei auch nicht nachvollziehbar, inwiefern die beschwerdeführenden Parteien durch eine am durchgeführte Vermessung in ihren Nachbarrechten verletzt werden könnten. Auch die vom Viertbeschwerdeführer gerügte Beeinträchtigung bestehender Licht- und Luftverhältnisse stelle kein Nachbarrecht im Sinn des § 25 Abs. 3 TBO dar. Die Mindestabstandsbestimmungen würden durch die gegenständliche Bauführung jedenfalls nicht verletzt. Das Unterbleiben einer mündlichen Bauverhandlung durch die Baubehörde erster Instanz liege in deren Ermessen. Ein Verfahrensmangel liege nicht vor, weil die beschwerdeführenden Parteien jedenfalls im Berufungsverfahren ausreichend Gelegenheit gehabt hätten, ihre Parteirechte geltend zu machen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - ebenso wie die Bauwerberin - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die beschwerdeführenden Parteien replizierten auf die Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 40/2009, anzuwenden.
"§ 6
Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen
und von anderen baulichen Anlagen
(1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der
a) im Gewerbe- und Industriegebiet, im Kerngebiet, auf Sonderflächen nach den §§ 43 bis 47 und 50 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 und im Freiland das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum übrigen Bauland, zu Sonderflächen nach den §§ 48, 49 und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 und zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter, und
b) im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 48, 49 und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter, beträgt. Wurde das Geländeniveau durch die Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist bei der Berechnung der Abstände nach lit. a und b vom Geländeniveau vor dieser Veränderung auszugehen. Andernfalls ist vom bestehenden Geländeniveau auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn eine Geländeveränderung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Ist jedoch in einem Bebauungsplan eine Höhenlage festgelegt, so ist in allen Fällen von dieser auszugehen.
(2) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:
a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundst ück gewährleistet ist;
b) …
§ 25
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber und die Nachbarn.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen. Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
der Bestimmungen über den Brandschutz;
der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;
der Abstandsbestimmungen des § 6;
im Fall, dass ein allgemeiner Bebauungsplan und ein ergänzender Bebauungsplan oder ein Bebauungsplan mit den Festlegungen des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nicht bestehen, das Fehlen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001.
(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.
(5) …"
§ 56 Abs. 1 bis 3 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, LGBl. Nr. 27 (Wiederverlautbarung), lauten (samt Überschrift):
"§ 56
Inhalte
(1) Im allgemeinen Bebauungsplan sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien (§ 58) der Straßen nach § 53 Abs. 1 und hinsichtlich der Bebauung die Mindestbaudichten (§ 61) festzulegen. Im allgemeinen Bebauungsplan können weiters die Bauweisen (§ 60) festgelegt werden.
(2) In den ergänzenden Bebauungsplänen sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien der Straßen, die der inneren Erschließung des jeweiligen Gebietes dienen, und hinsichtlich der Bebauung die Höchstgröße der Bauplätze, die Baufluchtlinien (§ 59 Abs. 1 und 2), die Bauhöhen (§ 62 Abs. 1 bis 5) und, sofern diese nicht bereits im allgemeinen Bebauungsplan festgelegt worden sind, die Bauweisen festzulegen. In den ergänzenden Bebauungsplänen können weiters die Firstrichtungen und Dachneigungen, die Baugrenzlinien (§ 59 Abs. 3) und die Höhenlage (§ 62 Abs. 6) festgelegt sowie ergänzende Festlegungen über die Baudichten (§ 61) getroffen werden. Weiters kann in den ergänzenden Bebauungsplänen festgelegt werden, dass statt der Mindestabstände nach § 6 Abs. 1 lit. b der Tiroler Bauordnung 2001 jene nach § 6 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung 2001 einzuhalten sind. Gegenüber den Grenzen zu Grundstücken, für die diese Festlegung nicht gilt, sind jedoch stets die Mindestabstände nach § 6 Abs. 1 lit. b der Tiroler Bauordnung 2001 einzuhalten.
(3) …"
Die beschwerdeführenden Parteien rügen zunächst - wie bereits im Verwaltungsverfahren -, die Bebauungspläne seien jeweils nachträglich zu den Bescheiden erlassen worden. Dies sei sowohl hinsichtlich des Bewilligungsbescheides vom (Inkrafttreten des Bebauungsplanes am ) als auch hinsichtlich des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens (erstinstanzlicher Bescheid vom , Berufungsbescheid vom , geänderter Bebauungsplan HA-B15/3 vom ) der Fall. Im Bebauungsplan HA-B15/1 sei keine Baugrenzlinie eingezeichnet gewesen, daher hätte die erstinstanzliche Behörde den Bescheid vom nicht erlassen dürfen. Tatsächlich seien sämtliche Bescheide auf Zuruf der Bauwerberin unter nachträglicher Anpassung der Rechtsgrundlagen an deren Bedürfnisse erlassen worden.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass gemäß § 25 Abs. 3 lit. c TBO 2001 nur die ausdrücklich in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Inhalte betreffend Bebauungspläne zum Gegenstand nachbarlicher Einwendungen gemacht werden können. Nachbarn sind somit auf die (behauptete) Verletzung von Baufluchtlinien, Baugrenzlinien, Bauweisen und Bauhöhen beschränkt (vgl. dazu Schwaighofer, Tiroler Baurecht, S. 204, Rz 35 ff zu § 25 Abs. 3 lit. c TBO 2001). Eine derartige Verletzung machten die beschwerdeführenden Parteien jedoch im gesamten Verwaltungsverfahren und auch in der Beschwerde nicht geltend.
Der in der Beschwerde geäußerten Rechtsansicht, der Bebauungsplan HA-B15/1 sei deshalb "nichtig", weil darin keine Baugrenzlinie enthalten sei, ist nicht zuzustimmen. Gemäß § 56 Abs. 1 TROG 2006 sind in einem allgemeinen Bebauungsplan hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinie der Straßen und hinsichtlich der Bebauung die Mindestbebauungsdichten festzulegen. Gemäß § 56 Abs. 2 leg. cit. können (fakultativ) in einem ergänzenden Bebauungsplan unter anderem Baugrenzlinien festgelegt werden. Dies steht jedoch im planerischen Ermessen der Behörde (vgl. Schwaighofer, Tiroler Raumordnungsrecht, S. 322, Anm. 5 zu § 57 TROG 2006).
Wenn zum Zeitpunkt der Erlassung der das gegenständliche Änderungsvorhaben betreffenden Bescheide somit keine Baugrenzlinie zwischen dem Baugrundstück und der östlich davon gelegenen Liegenschaft der beschwerdeführenden Parteien - an der Südgrenze des Baugrundstückes besteht sehr wohl eine Baugrenzlinie - festgelegt war, hat dies für das Bauvorhaben zur Folge, dass gemäß § 6 Abs. 1 lit. b TBO 2001 ein Abstand einzuhalten ist, der das 0,6 fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter beträgt; ist jedoch in einem Bebauungsplan eine Höhenlage festgelegt, so ist bei der Berechnung der Abstände in allen Fällen von dieser auszugehen. Für das gegenständliche Baugrundstück wurde im Bebauungsplan HA-B15/1 eine Höhenlage von maximal 585,00 NN festgelegt. Aus den vorliegenden Verwaltungsakten geht hervor, dass das Bauvorhaben an der den beschwerdeführenden Parteien zugeneigten Ostseite ab dem ersten Obergeschoß einen Abstand von vier Metern einhält, wobei nunmehr die ursprünglich projektierten und in diesen Mindestabstand hineinreichenden Erker nicht mehr zur Ausführung gelangen (zur Zulässigkeit des Heranbauens des Erdgeschosses bis an die Grundgrenze siehe das zu diesem Bauvorhaben ergangene, bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2010/06/0273). Eine Verletzung dieses Abstandes wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.
Dennoch nahm der Verwaltungsgerichtshof in die der Erlassung der Bebauungspläne HA-B15/1 und HA-B15/3 zugrunde liegenden Verwaltungsakten Einsicht. Entgegen der Beschwerdeansicht ergeben sich daraus jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bebauungsplan HA-B15/1 nur deshalb erlassen worden wäre, um nachträglich eine Rechtsgrundlage für das gegenständliche Bauvorhaben zu schaffen. Der Bebauungsplan HA-B15/3 trat erst am in Kraft und ist daher für das verfahrensgegenständliche Änderungsvorhaben - worauf die belangte Behörde zutreffend hinwies - nicht von Relevanz. Im Hinblick auf die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten betreffend die Erlassung des Bebauungsplanes HA-B15/1 sieht sich dieser nicht veranlasst, von sich aus diese Verordnung beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.
Soweit sich das Beschwerdevorbringen auf den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom betreffend die ursprüngliche Genehmigung des Bauvorhabens bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass dieser nicht Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens ist. Dass die beabsichtigten Änderungen des ursprünglichen Bauvorhabens insgesamt betrachtet ein Ausmaß erreichten, aufgrund dessen das Bauvorhaben als ein anderes zu beurteilen wäre, bzw. dass sie das Wesen (den Charakter) des Vorhabens veränderten (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/06/0227, mwN), ist im gegenständlichen Fall nicht erkennbar und wird in der Beschwerde auch nicht ausgeführt.
Wenn die beschwerdeführenden Parteien neuerlich auf eine am erfolgte Vermessung Bezug nehmen, bringen sie nicht vor, dass dabei ein anderer als dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegender Grenzverlauf festgestellt worden wäre. Sie führen auch nicht aus, inwiefern sie durch die Grenzvermessung in einem subjektiv-öffentlichen Recht iSd § 25 TBO 2001 verletzt worden wären.
Die belangte Behörde wies auch zutreffend darauf hin, dass eine Beeinträchtigung der bestehenden Licht- und Luftverhältnisse durch die Bauführung kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinn des § 25 TBO 2001 darstellt (vgl. die in Schwaighofer, aaO, S. 192, Anm. 5 zu § 25 TBO 2001 zitierte hg. Judikatur).
Zuletzt machen die beschwerdeführenden Parteien auch einen Verfahrensmangel geltend, weil sie im Verfahren erster Instanz nicht gehört worden seien. Das Auftreten einer übergangenen Partei bedeutet jedoch nicht, dass sich das Verfahren als rechtswidrig erweist. Ein im erstinstanzlichen Verfahren nicht beigezogenen Nachbarn gegenüber erfolgter Verfahrensmangel wird jedenfalls dadurch saniert, dass ihnen der erstinstanzliche Bescheid zugestellt und so Gelegenheit gegeben wird, dagegen ein Rechtsmittel zu ergreifen (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 600 f unter E 62 ff zu § 41 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall brachten die beschwerdeführenden Parteien unstrittig Berufungen ein. Dass ihnen ihre Parteienrechte im Berufungsverfahren nicht zur Gänze eingeräumt worden wären, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Gebäudehöhe BauRallg5/1/5 Besondere Rechtsgebiete Baurecht Ermessen VwRallg8 Baurecht Nachbar übergangener Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren Baurecht Nachbar |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2011060123.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAE-85077