VwGH vom 24.08.2011, 2011/06/0115

VwGH vom 24.08.2011, 2011/06/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der K J in V, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, Rathausplatz 108, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 7-B-BRM- 1157/1/2011, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. K J in V, 2. Stadtgemeinde V), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin einer bebauten Liegenschaft im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde, auf der sich ein Wohnhaus befindet. Der Erstmitbeteiligte ist Eigentümer einer ebenfalls bebauten, angrenzenden Liegenschaft.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, der Erstmitbeteiligte habe auf seinem Grundstück am Dach des dort befindlichen Nebengebäudes Baumaßnahmen ohne ihre Zustimmung und ohne baubehördliche Genehmigung durchgeführt (nach der Wiedergabe des Parteienvorbringens im angefochtenen Bescheid sei dies zwischen 1987 und 1992 erfolgt). Das vom Erstmitbeteiligten angebrachte Blechdach überbrücke einen zwischen den beiden Gebäuden (gemeint sind das Gebäude des Nachbarn und das Gebäude der Beschwerdeführerin) befindlichen Zwischenraum und berühre dabei auch ihr Wohnhaus. Am sei am Nachbargebäude ein Blitzeinschlag erfolgt, der in weiterer Folge zu einem Brandschaden an ihrem Wohnhaus geführt habe.

Mit Antrag vom beantragte die Beschwerdeführerin bei der Baubehörde die Erlassung eines Bauauftrages, weil sie auf Grund des Brandschadens an ihrem Eigentum nach dem Blitzeinschlag befürchte, dass der unrechtmäßige Anbau eine Gefährdung ihres Hauses in einem Brandfall darstellen würde.

Der Bürgermeister wies den Antrag mit Bescheid vom ab, der Stadtrat gab mit Bescheid vom der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Nach Darstellung des Verfahrensganges heißt es zur Begründung (zusammenfassend), die Beschwerdeführerin meinte, dass die Bauführung ohne ihre Zustimmung und ohne sachverständige Prüfung erfolgt sei. Dadurch handle es sich aber nicht um eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung im Sinne des § 34 Abs. 3 der Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996).

Gemäß der genannten Bestimmung müsse der Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages in zeitlicher Hinsicht innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis von der bescheidwidrigen oder nicht bewilligten Ausführung haben musste, gestellt werden. Im Beschwerdefall habe die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom ausgeführt, dass in der Zeit vor der behördlichen Kollaudierung (mit Bescheid vom ) ohne ihre Zustimmung und ohne sachverständige Beurteilung Baumaßnahmen am Dach des Nachbargebäudes durchgeführt worden seien. In der Vorstellung führe sie hiezu aus, dass die Änderung des Daches nicht vor 1987 und nicht nach 1992 erfolgt sei, sodass die Frist von einem Monat jedenfalls verstrichen sei. Schließlich sei auch kein Nachbarrecht im Sinne des § 23 Abs. 3 lit. a bis g leg. cit. verletzt worden (wurde näher ausgeführt).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62 (Wiederverlautbarung - K-BO 1996), in der Fassung LGBl. Nr. 16/2009 anzuwenden.

§ 23 Abs. 3 K-BO 1996 lautet (Abs. 4 gehört nicht mehr dem Rechtsbestand an):

"(3) Anrainer im Sinn des Abs 2 dürfen gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, daß sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über


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a)
die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;
b)
die Bebauungsweise;
c)
die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;
d)
die Lage des Vorhabens;
e)
die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;
f)
die Bebauungshöhe;
g)
die Brandsicherheit;
h)
den Schutz der Gesundheit der Anrainer;
i)
den Immissionsschutz der Anrainer."
§ 24 leg. cit. regelt das "Vereinfachte Verfahren"; nach lit. h dürfen die Anrainer nur öffentlich-rechtliche Einwendungen im Sinn des § 23 Abs. 3 lit. a bis g. leg. cit. erheben.
§ 34 Abs. 3 K-BO 1996 lautet (Stammfassung der Wiederverlautbarung, beruhend auf der Novelle LGBl. Nr. 44/1996):

"(3) Wird durch eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung eines bewilligungspflichtigen Vorhabens ein subjektivöffentliches Recht eines Anrainers im Sinn des § 23 Abs 3 lit a bis g, des § 23 Abs 4 oder des § 24 lit h verletzt, so hat dieser innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, in dem er bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis von der Ausführung haben mußte, das Recht der Antragstellung auf behördliche Maßnahmen nach den §§ 35 und 36 und anschließend Parteistellung in diesen behördlichen Verfahren."

§ 35 K-BO 1996 betrifft die Baueinstellung, § 36 leg. cit. die "Herstellung des rechtsmäßigen Zustandes"; beide Paragraphen sehen die Erteilung von Bauaufträgen durch die Baubehörde vor.

Zutreffend ist die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 34 Abs. 3 K-BO 1996 umschriebenen Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass keine der drei Voraussetzungen gegeben ist, insbesondere, dass der Antrag verfristet ist.

Die Beschwerdeführerin bestreitet dies und führt zur Verfristung aus, die Behörde übersehe, dass "erst bei 'gehöriger Sorgfalt' sich eine konkrete Kenntnis einstellen muss". Diese konkrete Kenntnis habe sie bei lebensnaher Betrachtung erst in dem Moment erlangen können, als durch den von ihr geschilderten Blitzeinschlag eine Brandgefahr für ihr Wohnhaus und für die darin lebenden Bewohner evident geworden sei. Sie sei dann umgehend durch ihren Antrag vom aktiv geworden, nämlich innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, wo sie von diesem Vorfall erfahren habe, und es könne ihr somit eine Fristversäumnis nicht vorgeworfen werden.

Hätte die Baubehörde und dann in weiterer Folge die belangte Behörde ihren Beweisanträgen entsprochen (Auslandsaufenthalte, berufliche Abwesenheit durch ihre Tätigkeit im Ausland, schwerer Verkehrsunfall im Juli 1994 und die sich daraus ergebenden erheblichen gesundheitlichen Probleme) hätte sich die Unrichtigkeit dieser Annahme beweisen lassen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

§ 34 Abs. 3 K-BO 1996 stellt für den Beginn der Monatsfrist nicht nur auf die rein subjektive Kenntnis durch den Nachbarn ab, sondern normiert auch einen objektiven Maßstab, weil nämlich der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem der Nachbar "bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis von der Ausführung haben musste". Abgestellt wird daher auf die juristische Maßstabfigur eines gehörig sorgfältigen Nachbarn, der sich - eben mit gehöriger Sorgfalt - um sein Gebäude kümmert, so etwa bei einer langen oder längeren Abwesenheit entsprechende Vorsorge in Bezug auf sein Eigentum trifft. Welches Maß an Sorgfalt als "gehörig" zu qualifizieren ist, hängt freilich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Monatsfrist beginnt jedenfalls nicht erst dann, wenn ein sorgloser Eigentümer irgendwann und sei es Jahre nach einer bescheidwidrigen oder nicht bewilligten Ausführung eines bewilligungspflichtigen Vorhabens aus welchem Anlass auch immer sorgfältig nachzuforschen beginnt und dadurch eine solche rechtswidrige Ausführung entdeckt (obwohl die zuvor umschriebene juristische Maßstabfigur des mit gehöriger Sorgfalt agierenden Eigentümers hievon schon früher hätte erfahren müssen).

Da die Beschwerdeführerin die von der belangten Behörde angenommene Verfristung bestreitet, wäre es an ihr gelegen gewesen, in der Beschwerde konkret auszuführen, weshalb sie bei Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht schon früher Kenntnis von der ihrer Auffassung nach rechtswidrigen Baumaßnahme erlangen konnte, sondern erst einen Monat vor Antragstellung, insbesondere, weshalb sie trotz des Blitzeinschlages im August 2007 und der Brandschäden an ihrem Haus ungeachtet gehöriger Sorgfalt erst so spät diese Kenntnis erlangen konnte. (Die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides stützt, müssen nämlich in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ausgeführt sein, auch der Verweis auf andere Schriftsätze ist unzulässig - siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/05/0301 und vom , Zl. 2005/07/0035, mwN, u. a. Erkenntnisse).

Dies zeigt die Beschwerdeführerin aber nicht auf. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde von einer Verfristung des Antrages ausgegangen ist, womit die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Antragstellung im Sinne des § 34 Abs. 3 K-BO 1996 nicht gegeben waren.

Richtig ist zwar, dass Bauaufträge auch (und vor allem) von Amts wegen erlassen werden können, dadurch aber, dass die Baubehörden einen Bauauftrag nicht von Amts wegen erlassen haben, wurde die Beschwerdeführerin in keinen subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten (nämlich im Recht, dass ein Bauauftrag über ihren Antrag erlassen werde) verletzt.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die gerügte Rechtsverletzung (es sei zu Unrecht kein Bauauftrag erlassen worden) nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am