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VwGH 18.06.2009, 2008/22/0618

VwGH 18.06.2009, 2008/22/0618

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BGBlG 2004 §5 Abs1 Z1;
RHStRÜbk Eur Geltungsbereich;
RHStRÜbk Eur;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ZustG §10;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §9 Abs2;
ZustVwÜbk Eur;
RS 1
Es liegt kein Ermessensmissbrauch vor, wenn dem Mitbeteiligten, der seinen ständigen Wohnsitz in Tschechien hat, gemäß § 10 ZustG aufgetragen wurde, einen Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen, zumal im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde () der Beitritt der Tschechischen Republik zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union noch nicht kundgemacht war (BGBl. III Nr. 28/2008; vgl. § 5 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzblattgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2003), und darüber hinaus Tschechien weder das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983, unterzeichnet hat, noch ein bilaterales Rechtshilfeabkommen der Republik Österreich mit der Tschechischen Republik in Verwaltungssachen, insbesondere in Verwaltungsstrafangelegenheiten, besteht (Hinweis E vom , 2007/02/0315). Diese Beurteilung steht somit nicht im Widerspruch zur Anordnung des § 9 Abs. 2 ZustG derzufolge bei der Erteilung einer Zustellungsvollmacht an einen EWR-Bürger vom Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland abgesehen wird, sofern die Zustellungen durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Zustellungsbevollmächtigten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-230955/2/Gf/Mu/Ga, betreffend Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten (mitbeteiligte Partei: Q), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom wurde dem Mitbeteiligten, einem vietnamesischen Staatsangehörigen, aufgetragen, zwecks ordnungsgemäßer Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens (betreffend eine Übertretung des Fremdengesetzes) binnen zwei Wochen einen Zustellungsbevollmächtigten in Österreich namhaft zu machen.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung hob der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) den angefochtenen Bescheid auf. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Zitierung des § 10 Zustellgesetz aus, dass der Mitbeteiligte seinen ständigen Wohnsitz in Tschechien habe; dieser Staat gehöre bereits der Europäischen Union an und es gebe keine Hinweise für eine Vermutung, dass sich der Mitbeteiligte nicht an der von ihm angegebenen Adresse aufhalte. Somit sei davon auszugehen, dass die Zustellung von Schriftstücken im europäischen Raum funktioniere. Durch die Einbringung einer Berufung mit Bekanntgabe einer neuen Zustelladresse sei gleichsam im Nachhinein bestätigt worden, dass sich das Postwesen in Tschechien tatsächlich als mängelfrei erweise. Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Namhaftmachung eines in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten nach § 10 Zustellgesetz lägen daher objektiv gesehen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Amtsbeschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 10 des Zustellgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 kann einer sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhaltenden Partei oder einem solchen Beteiligten von der Behörde aufgetragen werden, innerhalb einer gleichzeitig zu bestimmenden mindestens zweiwöchigen Frist für ein bestimmtes oder für alle bei dieser Behörde anhängig werdenden, sie betreffenden Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen.

Bei dieser Entscheidung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2007/02/0315, dargelegt, dass die belangte Behörde im Sinn des § 11 Abs. 1 ZustG für die Annahme einer wirksamen Zustellung der in Rede stehenden Strafverfügung an den dortigen Beschwerdeführer in Tschechien am und für die daraus resultierende Verspätung des Einspruches hätte klären müssen, welche zustellrechtlichen Regelungen für den Fall der Zustellung eines in deutscher Sprache abgefassten behördlichen Schriftstückes einer österreichischen Behörde in Tschechien gelten. Es wäre aber auch allenfalls zu erforschen gewesen, ob im Sinne dieser Bestimmung bei der Zustellung von Strafverfügungen eine internationale Übung bestehe.

Der Gerichtshof ging dabei davon aus, dass Tschechien weder das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983, unterzeichnet habe, noch ein bilaterales Rechtshilfeabkommen der Republik Österreich mit der Tschechischen Republik in Verwaltungssachen, insbesondere in Verwaltungsstrafangelegenheiten, bestehe.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann der erstinstanzlichen Behörde nicht Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden, wenn sie eine Aufforderung nach § 10 ZustG an den Mitbeteiligten richtete, zumal weder damals noch im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde der Beitritt der Tschechischen Republik zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union kundgemacht war (BGBl. III Nr. 28/2008; vgl. § 5 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzblattgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2003).

Diese Beurteilung steht somit nicht im Widerspruch zur Anordnung des § 9 Abs. 2 ZustG, derzufolge bei der Erteilung einer Zustellungsvollmacht an einen EWR-Bürger vom Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland abgesehen wird, sofern die Zustellungen durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Zustellungsbevollmächtigten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

Demnach erweist sich die Rechtsansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich, die zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides geführt hat, als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BGBlG 2004 §5 Abs1 Z1;
RHStRÜbk Eur Geltungsbereich;
RHStRÜbk Eur;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ZustG §10;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §9 Abs2;
ZustVwÜbk Eur;
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland
VwRallg12
Besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2008220618.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAE-85029