VwGH vom 12.07.2012, 2011/06/0099
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des N K und 2. der M K, beide in S, beide vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B- 12.10-L202/2011-85, betreffend Zurückweisung der Vorstellung in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom beantragte die mitbeteiligte Gemeinde die Erteilung einer Baubewilligung für einen "Um- und Zubau an dem mit Bescheid vom bewilligten Aussichtsturm am K-Berg (Skulptur)".
Der weitere Verfahrensgang ist lediglich dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, die diesbezüglichen Verwaltungsakten wurden dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt. Demnach brachten die beschwerdeführenden Parteien Einwendungen unter anderem bezüglich der Lärmbelästigung, des Widerspruchs zur örtlichen Raumplanung, der Verletzungsgefahr sowie des Landschaftsbildes vor und rügten verschiedene Verfahrensfehler. Dennoch wurde das Ansuchen der mitbeteiligten Gemeinde zunächst mit Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt. Der Berufung der beschwerdeführenden Parteien wurde jedoch mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom Folge gegeben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen. Diese führte ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch und holte insbesondere ein lärmtechnisches sowie ein medizinisches Sachverständigengutachten ein; auch die beschwerdeführenden Parteien legten ein lärmtechnisches Gegengutachten vor. Nachdem ein Mobilfunkunternehmen die Errichtung einer Richtfunksendestation für die Übermittlung von Breitbandinternet auf dem Aussichtsturm am K-Berg als Tragmast angezeigt hatte, änderte die antragstellende Gemeinde ihr Bauansuchen vom dahingehend ab, dass nunmehr "die Erteilung einer Baubewilligung für die Nutzungsänderung von Tragmast für die Errichtung einer Richtfunksendestation auf Aussichtsturm beantragt" werde. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom unter Vorschreibung von Auflagen insofern bewilligt, als der "Aussichtsturm (statt bisher nur als Tragmast) nunmehr (nicht nur zu Zwecken der Wartung, sondern) auch zur Nutzung als Aussichtsturm allgemein begehbar und benutzbar" sein solle. Auch gegen diesen Bescheid beriefen die beschwerdeführenden Parteien. Der Berufung wurde jedoch mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom keine Folge gegeben. Auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellung wurde der Berufungsbescheid vom jedoch behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde verwiesen, weil das medizinische Gutachten keine geeignete Entscheidungsgrundlage darstelle.
Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens wurde mit "dem als Bescheid gekennzeichneten Schriftstück (des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde) vom " der Berufung der beschwerdeführenden Parteien neuerlich keine Folge gegeben. In der dagegen gerichteten Vorstellung wandten sich die beschwerdeführenden Parteien im Wesentlichen gegen die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien als unzulässig zurück. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dem "Bescheid" vom , mit dem die Berufung der beschwerdeführenden Parteien abgewiesen worden sei, sei kein Beschluss des Gemeinderates zu Grunde gelegen. Eine Mindestvoraussetzung für das Zustandekommen eines Bescheides sei jedoch, dass die Erledigung von einer Behörde stamme, die zumindest abstrakt die Fähigkeit habe, hoheitlich zu handeln. Daher sei das als Bescheid gekennzeichnete Schriftstück nicht von einer Behörde erlassen worden. Die mangelnde Behördenqualität der "bescheiderlassenden" Stelle gelte als ein so wesentlicher Fehler, dass ein "Nichtbescheid" vorliege. Demzufolge sei das Schreiben der mitbeteiligten Gemeinde, das zwar die Fertigungsklausel "für den Gemeinderat: der Vizebürgermeister" enthalte, nicht vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde erlassen worden, weshalb von einem "Nichtbescheid" auszugehen sei. Da dieser rechtlich somit nicht existent sei, könne dagegen auch nicht im Rechtsmittelweg vorgegangen werden. Daraus ergebe sich, dass die Erhebung der Vorstellung gegen das als "Nichtbescheid" zu qualifizierende Schreiben der mitbeteiligten Gemeinde vom unzulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit zu beheben.
Die belangte Behörde legte Teile der Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) in der Stammfassung ist Behörde erster Instanz der Bürgermeister, Behörde zweiter Instanz der Gemeinderat.
Die beschwerdeführenden Parteien wenden sich gegen die Zurückweisung ihrer Vorstellung durch die belangte Behörde und begründen dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei dem Bescheid vom um einen formal vollkommen intakten Bescheid handle, dessen Mangel für den Adressaten nicht ohne weiteres erkennbar sei. Da der Bescheid die formalen Bescheidmerkmale erfülle und durch die Behörde gegenüber dem Adressaten auch rechtswirksam erlassen worden sei, sei diese zumindest auf formaler Ebene daran gebunden. Es hätte auch einer ausdrücklichen behördlichen und bescheidmäßigen Feststellung bedurft, dass dem Bescheid vom kein gültiger Gemeinderatsbeschluss zu Grunde gelegen sei und es sich daher um einen "Nichtbescheid" handle. Eine formlose und nicht bescheidmäßige briefliche Mitteilung der Behörde, dass es sich um einen "Nichtbescheid" handle, stelle eine unzulässige Erledigungsform dar. Auf Grund der dadurch entstehenden Rechtsunsicherheit hätten sich die beschwerdeführenden Parteien veranlasst gesehen, jedes denkmögliche Rechtsmittel gegen diesen Bescheid zu ergreifen.
Dazu ist folgendes auszuführen:
Die belangte Behörde vertritt die Rechtsmeinung, der Bescheid der Berufungsbehörde vom sei absolut nichtig, weil ihm kein entsprechender Beschluss des Gemeinderates zu Grunde liege; der Berufungsbehörde fehle daher auch abstrakt die Fähigkeit, hoheitlich zu handeln; eine Mindestvoraussetzung für das Zustandekommen eines Bescheides sei somit nicht erfüllt; die mangelnde Behördenqualität der "bescheiderlassenden" Stelle gelte als so wesentlicher Fehler, dass ein "Nichtbescheid" vorliege.
Dabei verkannte die belangte Behörde, dass dem Gemeinderat gemäß § 2 Abs. 1 Stmk. BauG abstrakt sehr wohl die Kompetenz zu hoheitlichem Handeln zukommt. Liegt jedoch einem Bescheid, der einem Kollegialorgan zugerechnet werden soll, kein entsprechender Beschluss dieses Organes zu Grunde, dann ist der Bescheid so zu betrachten, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre. In diesem Fall liegt trotz mangelhafter Willensbildung ein vernichtbarer und kein (absolut) nichtiger Verwaltungsakt vor (vgl. dazu die in Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) zu § 56 AVG unter E 51 zitierte hg. Judikatur, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0184, mwN). Die belangte Behörde hätte daher im Hinblick auf den Mangel des fehlenden Beschlusses des Gemeinderates den Berufungsbescheid vom wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufzuheben gehabt.
Indem sie dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass er gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Kostenaufwand beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am