VwGH vom 24.08.2011, 2011/06/0091
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des E D in L, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Verk- 980169/2-2011-Ba/Stc, betreffend eine straßenrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde L), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage ist der Beschwerdeführer Alleineigentümer einer Liegenschaft, bestehend unter anderem aus dem Grundstück Nr. 1822/1. Der Beschwerdeführer und A. L. (weiterer Bauwerber) planen, auf diesem Grundstück ein Wohnhaus mit 16 Wohnungen zu errichten. Das Grundstück liegt in der Gemeinde P. unmittelbar an der Grenze zur mitbeteiligten Gemeinde und soll verkehrsmäßig von einer Gemeindestraße auf dem Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde erschlossen werden.
Im beschwerdegegenständlichen Verwaltungsverfahren geht es entscheidend um die Auslegung eines Schreibens vom an das Stadtamt der mitbeteiligten Gemeinde, wobei strittig ist, ob es neben einem Antrag an die Straßenverwaltung auch einen Antrag an die Straßenbehörde enthält, und ob es einer Wohnungseigentümergemeinschaft (richtig nach dem WEG 2002: Eigentümergemeinschaft) oder aber dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist.
Im Kopf des Schreibens steht: "WEG (Familienname des Beschwerdeführers) - (Familienname des weiteren Bauwerbers) (es folgt eine Anschrift)".
Der Inhalt des Schreibens lautet:
"L, Grundstückszufahrt
Sehr geehrte Damen und Herren,
entsprechend des OÖ Straßengesetzes in der gültigen Fassung ersuchen wir um die Genehmigung einer Grundstückszufahrt von der Parzellennr. 1404/28, KG … (Straße) auf das Grundstück Parzellennr. 1822/1, KG …
Auf diesem Grundstück soll ein Wohnbauprojekt realisiert werden.
In der Erwartung einer positiven Entscheidung und Zustimmung gemäß § 20/3 des OÖ Straßengesetzes verbleiben wir
Mit freundlichen Grüßen
(unleserliche Unterschrift, unbestritten vom Beschwerdeführer)" Strittig ist weiters, ob die Straßenverwaltung am die mit dem Schreiben vom angestrebte Zustimmung erteilt hat oder nicht. Der Beschwerdeführer bejaht dies, die mitbeteiligte Gemeinde bestreitet dies (es sei ein anderes Projekt geringeren Umfanges bewilligt worden, nicht jedoch das, welches die Bauwerber tatsächlich errichten wollen).
Mit dem am bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten, an den Gemeinderat gerichteten Devolutionsantrag vom machte der Beschwerdeführer geltend, er und ein künftiger Miteigentümer des Grundstückes, nämlich A. L. (weiterer Bauwerber), hätten am bei der mitbeteiligten Gemeinde einen Antrag auf Genehmigung einer Grundstückszufahrt auf das zu bebauende Grundstück gestellt. Die angestrebte Zustimmung sei erteilt worden. Aus völlig unerklärlichen Gründen wolle nunmehr die Gemeinde nicht mehr zu dieser Zusage stehen. Abgesehen davon, dass die abgegebene Erklärung rechtsverbindlich und einklagbar sei, habe der Beschwerdeführer jedenfalls auch einen Anspruch auf Erteilung der behördlichen Bewilligung gemäß § 4 Abs. 4 Oö. Straßengesetz 1991. Es bestehe kein wie immer gearteter Grund diese Bewilligung nicht zu erteilen. Die Voraussetzungen lägen vor.
Da die gegenständliche Verkehrsfläche ausschließlich im Stadtgebiet der mitbeteiligten Gemeinde liege, sei Straßenbehörde erster Instanz der Bürgermeister. Die Behörde erster Instanz sei ohne jeglichen Grund ihrer Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Monaten nicht nachgekommen. Die Verzögerung sei ausschließlich auf das Verschulden der Behörde zurückzuführen. Beantragt werde die Erteilung der Bewilligung durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.
Mit Bescheid des Gemeinderates vom wurde der Devolutionsantrag zurückgewiesen. Zusammenfassend heißt es zur Begründung, es mangle an einem Antrag (im Sinne des § 20 Abs. 4 Oö. Straßengesetz 1991) an die zuständige Behörde. Wohl sei der Anschluss des Grundstückes bei der zuständigen Straßenverwaltung beantragt worden, dieser Antrag im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung ersetze jedoch nicht den zur Einleitung eines hoheitlichen Verfahrens erforderlichen Antrag. Da es in der Disposition des Antragstellers stehe, ein behördliches Verfahren einzuleiten, sei ein korrespondierender Antrag auch denklogisch erforderlich, weil ansonsten die Behörde möglicherweise überhaupt keine Kenntnis von ihrer Entscheidungspflicht habe. Dessen ungeachtet habe der Antragsteller auch den genauen Gegenstand des Antrages zu definieren. Auch hiezu sei ein Antrag erforderlich.
Der im Bereich der Straßenverwaltung gestellte Antrag habe sich (wegen des Hinweises auf § 20 Abs. 3 Oö. Straßengesetz 1991) ausdrücklich auf die Entscheidungskompetenz der Straßenverwaltung bezogen. Da keine Entscheidungspflicht des Bürgermeisters begründet worden sei, sei schon deshalb der Devolutionsantrag zurückzuweisen.
Überdies hafte dem Devolutionsantrag auch ein weiterer "elementarer Mangel" an. Beim Schreiben vom sei die genannte Wohnungseigentümergemeinschaft als juristische Person Antragstellerin gewesen. Der Devolutionsantrag sei hingegen vom Beschwerdeführer persönlich eingebracht worden. Da somit keine Identität der jeweiligen Antragsteller gegeben sei, wäre der Devolutionsantrag auch deshalb abzuweisen gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung und brachte darin vor, beide Argumente des Gemeinderates seien unzutreffend.
§ 20 Abs. 4 Oö. Straßengesetz 1991 bestimme, dass dann, wenn die Zustimmung nach den Abs. 1 bis 3 nicht erteilt werde, die Behörde über die Zulässigkeit des Anschlusses mit Bescheid entscheide. Die Entscheidungspflicht der Behörde ergebe sich daher automatisch aus der Nichtzustimmung. Die Behauptung, die Straßenbehörde hätte ihre Entscheidungspflicht nicht gekannt, sei aktenwidrig, weil der Antrag vom an das Stadtamt gerichtet worden sei. Ein weiterer Antrag sei in § 20 Oö. Straßengesetz 1991 nicht vorgesehen.
Er sei Alleineigentümer des zu bebauenden Grundstückes, er habe auch den Antrag vom gestellt. Der Umstand, dass im Kopf des Schreibens die Wendung "WEG (zwei Namen)" enthalten sei, sei daher rechtlich völlig irrelevant. Abgesehen davon, dass es sich bei einer Eigentümergemeinschaft um keine juristische Person handle, sei maßgeblich, wer den Antrag unterschrieben habe. Bei der Unterschrift scheine kein Hinweis auf, dass der Unterfertigende für jemanden anderen unterfertigt hätte.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde teilte die Auffassung des Gemeinderates, dass es keinen Antrag an die Behörde im Sinne des § 20 Abs. 4 Oö. Straßengesetz 1991 gebe. Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass ein weiterer Antrag in § 20 Oö. Straßengesetz 1991 nicht vorgesehen sei, doch gehe die belangte Behörde davon aus, dass (dennoch) ein gesonderter Antrag erforderlich sei, um das Behördenverfahren in Gang zu setzen. Es handle sich dabei nämlich um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Ein an die Gemeinde betreffend deren Privatwirtschaftsverwaltung gestellter Antrag löse keine Entscheidungspflicht der Behörde aus, zumal der Antrag vom auf die Erteilung der Zustimmung der Straßenverwaltung ausgerichtet gewesen sei und nicht auf die Erlassung eines Bescheides.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Gemeinde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Oberösterreichische Straßengesetz 1991, LGBl. Nr. 84
(Oö. Straßengesetz 1991), in der Fassung
LGBl. Nr. 61/2008 maßgeblich.
Es geht um eine Gemeindestraße.
Nach § 3 Abs. 1 leg. cit. ist (gemäß lit. a) der Bürgermeister Straßenbehörde erster Instanz.
Nach § 12 Abs. 1 leg. cit. umfasst die Straßenverwaltung die Herstellung und die Erhaltung der ihr obliegenden Verkehrsflächen. Nach Abs. 2 obliegt die Straßenverwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde. Die mit diesen Aufgaben befassten Organe der Gemeinde führen die Bezeichnung "Straßenverwaltung".
§ 20 leg. cit. lautet (der in Abs. 5 bezogene § 15 Abs. 1 ist im Beschwerdefall nicht von Bedeutung):
"§ 20
Anschlüsse von Straßen, Wegen und Zufahrten
(1) Innerhalb des Ortsgebiets dürfen Anschlüsse von Verkehrsflächen der Gemeinde sowie Anschlüsse von nichtöffentlichen Straßen einschließlich Grundstückszufahrten an Verkehrsflächen des Landes nur mit Zustimmung der Straßenverwaltung des Landes hergestellt werden. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn durch die Anschlüsse für die Benützbarkeit der Straße keine Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Die Zustimmung darf für nichtöffentliche Straßen (einschließlich Grundstückszufahrten) auch befristet oder auf jederzeitigen Widerruf erteilt werden, wenn ein sonstiger, zumutbarer Anschluss zum öffentlichen Wegenetz gewährleistet ist.
(2) Außerhalb des Ortsgebiets darf die Zustimmung der Straßenverwaltung des Landes nach Abs. 1 zusätzlich zur dort genannten Voraussetzung nur erteilt werden, wenn überdies die Aufschließung in wirtschaftlich vertretbarer Weise nur über die Verkehrsfläche des Landes möglich ist und für die Leistungsfähigkeit der Verkehrsfläche des Landes keine Nachteile zu erwarten sind. Diese Zustimmung ist zu widerrufen, wenn nachträglich ein sonstiger, zumutbarer Anschluss gewährleistet wird.
(3) Hinsichtlich des Anschlusses von nichtöffentlichen Straßen einschließlich Grundstückszufahrten innerhalb und außerhalb des Ortsgebiets an Verkehrsflächen der Gemeinde gilt Abs. 1 sinngemäß.
(4) Wird die Zustimmung nach den Abs. 1 bis 3 nicht erteilt, entscheidet über die Zulässigkeit des Anschlusses die Behörde mit Bescheid. In diesem Verfahren kommt der Straßenverwaltung, an deren Verkehrsfläche angeschlossen werden soll, Parteistellung zu. Die Beseitigung entgegen dieser Vorschriften vorgenommener Anschlüsse ist dem Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke bzw. der Gemeinde, die an eine Verkehrsfläche des Landes angeschlossen hat, über Antrag der Straßenverwaltung von der Behörde mit Bescheid aufzutragen.
(5) Die Kosten des Baues, der Erhaltung und allfälliger Änderungen von Anschlüssen im Sinn der Abs. 1 bis 3 sind von der Gemeinde, die an eine Verkehrsfläche des Landes angeschlossen hat, bzw. vom Grundeigentümer der angeschlossenen Grundstücke zu tragen; § 15 Abs. 1 bleibt unberührt."
§ 73 AVG lautet:
"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.
(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."
Der Beschwerdeführer wiederholt sein Vorbringen, § 20 Abs. 4 Oö. Straßengesetz 1991 sehe keinen (weiteren) gesonderten Antrag vor. Nun ist aber im gesamten § 20 leg. cit. von einem Antrag nicht die Rede. Es ist nämlich nicht ausdrücklich vorgesehen, dass die Zustimmung der Straßenverwaltung oder die behördliche Entscheidung nur über Antrag erfolgen dürfe, das wird vielmehr als selbstverständlich vorausgesetzt. Daher ist aus dem Umstand, dass in Abs. 4 leg. cit. von einem "weiteren Antrag" (oder dergleichen) nicht die Rede ist, für sich allein nichts zu gewinnen. Der Auffassung des Beschwerdeführers, dass ein Antrag (hier) nach § 20 Abs. 3 leg. cit. auch gleichsam automatisch die Entscheidungspflicht der Behörde im Sinne des Abs. 4 auslöse, ist nicht zu folgen. Der Antrag nach § 20 Abs. 3 leg. cit. richtet sich an die Straßenverwaltung, jener nach Abs. 4 an die Straßenbehörde, das sind unterschiedliche Adressaten. Schon dies spricht gegen die Auffassung des Beschwerdeführers, ein Antrag nach Abs. 3 umfasse auch einen solchen nach Abs. 4. Jedenfalls bedarf es über den Antrag an die Straßenverwaltung hinaus eines weiteren Antrages an die Straßenbehörde, um das Verfahren gemäß § 20 Abs. 4 leg. cit. in Gang zu bringen. Ein solcher Antrag an die Straßenbehörde ist aber dem Schreiben vom nicht zu entnehmen, zumal nur auf § 20 Abs. 3, nicht aber auch auf § 20 Abs. 4 leg. cit. Bezug genommen wird.
Da es somit an einem Antrag an die Straßenbehörde im Sinne des § 73 Abs. 1 AVG mangelte, wurde der Devolutionsantrag zu Recht zurückgewiesen.
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, wem das Schreiben vom zuzurechnen ist. Richtig ist wohl der Hinweis der belangten Behörde, dass eine Eigentümergemeinschaft eine (beschränkte) Rechtspersönlichkeit hat und insofern eine vom Beschwerdeführer unterschiedliche Rechtsperson ist, davon ist aber die Frage zu unterscheiden, ob eine solche Eigentümergemeinschaft überhaupt rechtlich existent war (von der Frage einer allfälligen Antragslegitimation abgesehen), und, verneinte man dies, ob die Bezeichnung im Kopf des Schreibens vom dahin umzudeuten wäre, dass es dem Beschwerdeführer und dem weiteren Bauwerber (arg.: "wir" im Text) zuzurechnen wäre. Dies kann aber wegen der zutreffenden Zurückweisung des Devolutionsantrages dahingestellt bleiben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am