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VwGH vom 10.02.2016, 2013/15/0128

VwGH vom 10.02.2016, 2013/15/0128

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Finanzamts Salzburg-Stadt in 5026 Salzburg, Aignerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Salzburg, vom , Zl. RV/0611-S/12, betreffend Einkommensteuer 2011 (mitbeteiligte Partei: H J in U, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand AG Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstraße 41), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der in Deutschland wohnhafte Mitbeteiligte war neben seiner Beschäftigung bei einem deutschen Dienstgeber bis zum auch Dienstnehmer (Geschäftsführer) der in Österreich ansässigen A GmbH. Mit der Übermittlung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 an das Finanzamt legte er folgenden Sachverhalt offen, bei dem es sich seiner Ansicht nach um einen nicht steuerbaren Schadenersatz handle:

In seiner Funktion als Geschäftsführer der A GmbH sei über ihn eine Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verhängt worden, wobei die A GmbH für diese Strafe gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte. Der Strafe liege ein Werkvertrag zwischen dem ungarischen Unternehmen M und der A GmbH über die Zerlegung von Rindfleisch am Standort der A GmbH zugrunde. Der Vertrag sei vom Unabhängigen Verwaltungssenat als Arbeitskräfteüberlassung an die A GmbH eingestuft worden. Zur Abdeckung der Strafzahlung sei dem Mitbeteiligten seitens der A GmbH ein Darlehen unter fremdüblichen Bedingungen gewährt worden; die Strafe sei mit zur Gänze an die Strafbehörde überwiesen worden.

Die ungarische M habe gegenüber dem Mitbeteiligten als Geschäftsführer der A GmbH vor dem Hintergrund, dass ihr Rechtsvertreter den angeführten Werkvertrag im Hinblick auf einen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften als unbedenklich eingestuft habe, eine mündliche Schad- und Klagloserklärung abgegeben, die sich auf die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten hinsichtlich der Ausländerbeschäftigung bezogen habe. Diesbezüglich lägen auch Schreiben der M gegenüber dem Mitbeteiligten vom vor, in denen der Anspruch auf Schadloshaltung bestätigt werde. Die M habe aufgrund dessen bisher im Juli 2011 Schadloshaltungszahlungen iHv 10.000 EUR an ihn geleistet und werde voraussichtlich im August bzw. September 2011 den restlichen Strafbetrag ersetzen. Die Schadloshaltung werde zur Abdeckung des Darlehens des Geschäftsführers gegenüber der A GmbH verwendet.

Das Finanzamt qualifizierte die Schadloshaltungszahlungen durch die M an den Mitbeteiligten als steuerpflichtige Einkünfte und unterzog sie der Besteuerung, wobei der Mitbeteiligte als beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 102 EStG 1988 zur Einkommensteuer 2011 veranlagt wurde.

Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung. Begründend führte er aus, M sei aufgrund der von ihr abgegebenen Schad- und Klagloserklärung verpflichtet gewesen, hinsichtlich der festgesetzten Strafen Schadenersatz zu leisten. Es handle sich dabei um echten Schadenersatz, der keinen Bezug, lohnwerten Vorteil oder ein Entgelt von dritter Seite darstelle. Die der Schadloszahlung zu Grunde liegende Verwaltungsstrafe sei steuerlich nichtabzugsfähig, weil der betriebliche bzw. berufliche Veranlassungszusammenhang durch das private Verschuldenselement überlagert und das verpönte Verhalten der Privatsphäre des Steuerpflichtigen zugeordnet werde. Dies gelte unabhängig davon, ob man die Schadloshaltungszahlung der M ihm als Geschäftsführer oder der A GmbH zurechne. Damit seien aber auch die Schadloshaltungszahlungen der M der Privatsphäre des Mitbeteiligten zuzuordnen und daher nicht steuerpflichtig.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Begründend hielt sie fest, dass die Abzugsverbote des § 20 EStG 1988 zwar grundsätzlich nur ausgabenseitig wirkten, systematisch jedoch erforderten, dass auch die Einnahmen, die mit Aufwendungen im Sinne des § 20 Abs. 1 EStG 1988 in unmittelbarem Zusammenhang stünden, steuerfrei blieben. Ersatzleistungen, die dem Ausgleich einer Vermögenseinbuße dienten, die nicht in der Erwerbssphäre, sondern in der Privatsphäre eingetreten sei, seien grundsätzlich nicht steuerpflichtig, außer die Ersatzleistung stehe im klaren Zusammenhang mit der Einkommenserzielung oder stelle sich als zusätzliches Entgelt oder als geldwerter Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar.

Die von M geleistete Ersatzleistung sei dem mit der Geldstrafe belasteten Mitbeteiligten als Geschäftsführer der A GmbH als steuerpflichtiger Vorteil aus dem Dienstverhältnis zugerechnet worden (Zahlung durch dritte Seite). Eine solche Steuerpflicht setzte voraus, dass ein Zusammenhang mit der beruflichen Sphäre des Mitbeteiligten bestehe. Bei der Beurteilung der Frage, ob die geleistete Ersatzleistung, die dem Ausgleich der Vermögenseinbuße beim Dienstnehmer diene, unabhängig davon, ob sie vom Dienstgeber des Mitbeteiligten oder von dritter Seite geleistet worden sei, als geldwerter Vorteil aus dem Dienstverhältnis beim Dienstnehmer angesehen werden müsse, sei auf den Veranlassungszusammenhang abzustellen: Ein Veranlassungszusammenhang, der ein Entgelt von dritter Seite begründen könne, liege vor, wenn der Dienstnehmer die Zuwendung vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Dienstgeber ansehen müsse.

Ein solcher Veranlassungszusammenhang sei gegeben, wenn die Ersatzleistung selbst eine berufliche oder betriebliche Grundlage habe, also ein zusätzliches Entgelt aufgrund seines Dienstverhältnisses darstelle. Ein solcher Veranlassungszusammenhang sei nicht erkennbar. Ein steuerlich relevanter Zusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis des Mitbeteiligten als Geschäftsführer der A GmbH und der Ersatzleistung durch M sei nicht gegeben: Die Schadloshaltung durch M begründe sich in deren Zusicherung im Werk-Rahmenvertrag über die Durchführung von Fleisch-Zerlegearbeiten am Standort der A GmbH, dass bei Erfüllung des Werkvertrages nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen würde. Der Schadenersatz durch M sei in der Folge nicht deshalb geleistet worden, weil der Mitbeteiligte als Geschäftsführer eine Arbeitsleistung erbracht habe, sondern weil ihm ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensausgleich zugestanden sei. Die Schadloshaltung durch M begründe sich in der Kompensierung der von ihr vertraglich und wirtschaftlich zu verantwortenden Unrechtsfolgen. Damit fehle es aber an einem steuerlich relevanten Zusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis des Mitbeteiligten mit der A GmbH und der Ersatzleistung durch M. Das Dienstverhältnis des Mitbeteiligten sei weder Voraussetzung für dessen Strafbarkeit noch Grundlage der Ersatzleistung durch die M gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs alle Bezüge und Vorteile aus dem Dienstverhältnis, daher auch der Ersatz von Geldstrafen, die über den Dienstnehmer wegen Übertretung von Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit seiner nichtselbständigen Arbeit verhängt werden (vgl. ; , 91/14/0094; , 83/13/0092, VwSlg. 5898).

An dieser Rechtsprechung hat sich durch das Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76/2011 keine Änderung ergeben, zumal der Verwaltungsgerichtshof schon für die Rechtslage vor dem Abgabenänderungsgesetz 2011 Geldstrafen im Allgemeinen als nicht abziehbare Aufwendungen der Lebensführung beurteilt hat (vgl. ) und ungeachtet dessen von einer Steuerpflicht von Ersatzzahlungen an den Dienstnehmer ausgegangen ist.

Die von der belangten Behörde angestellte Überlegung, dass die Verwurzelung des bestraften Fehlverhaltens in der privaten Lebenssphäre nicht nur einer steuerlichen Abzugsfähigkeit von Strafzahlungen, sondern auch einer Steuerpflicht allfälliger Ersatzleistungen entgegenstehe, ist unzutreffend. Mag es auch Fälle geben, in denen durch ein qualifiziertes Fehlverhalten der berufliche Veranlassungszusammenhang von aus dem Fehlverhalten resultierenden Aufwendungen unterbrochen wird (vgl. allgemein ), so lässt sich aus diesem Umstand jedoch kein Rückschluss für die steuerliche Behandlung von Einnahmen zur Abdeckung der aus dem Fehlverhalten resultierenden Aufwendungen ableiten. Die Frage der Steuerbarkeit solcher Einnahmen richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen der Zuordenbarkeit von Einnahmen zu den Einkunftstatbeständen des § 2 Abs. 3 EStG 1988.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde steht im Beschwerdefall der Vorteil der Abdeckung der über den Mitbeteiligten verhängten Strafzahlung durch M in klarem Veranlassungszusammenhang zu seinem Dienstverhältnis als Geschäftsführer der A GmbH. Eine solche Ersatzleistung wurde dem Mitbeteiligten ja nur deshalb zuteil, weil das "schädigende" Ereignis im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit gestanden ist und M im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehung mit dem Dienstgeber des Mitbeteiligten eine Schad- und Klagloserklärung betreffend "die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten hinsichtlich der Ausländerbeschäftigung" abgegeben hat. Diese Erklärung und die daraus folgende Schadloszahlung an den Mitbeteiligten hat M zweifelsfrei nur im Hinblick auf ihre Geschäftsbeziehung zum Dienstgeber des Mitbeteiligten und nicht im Hinblick auf dessen private Lebenssphäre geleistet, weshalb in den Worten der belangten Behörde auch der Mitbeteiligte" die Zuwendung vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Dienstgeber ansehen" hat müssen.

Darüber hinaus kann es für die Frage der Steuerbarkeit von Ersatzleistungen aufgrund eines Veranlassungszusammenhangs zum Dienstverhältnis keinen Unterschied machen, ob der Dienstgeber selbst seinem Dienstnehmer eine Verwaltungsstrafe ersetzt oder ob die Verwaltungsstrafe von einem Vertragspartner des Dienstgebers aufgrund dabei eingegangener vertraglicher Nebenpflichten ersetzt wird. Ersetzt nicht der Dienstgeber dem Dienstnehmer solche Beträge, sondern ein mit dem Dienstgeber in Vertragsbeziehung stehender Dritter, wird die Ersatzleistung allerdings im Allgemeinen - jedenfalls nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage vor dem 2. AbgÄG 2014, BGBl. I 105/2014, - nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, sondern nur im Wege der Veranlagung zu erfassen sein (vgl. näher , mwN).

Im Übrigen würde die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, die ungeachtet des dargestellten Veranlassungszusammenhangs zum Dienstverhältnis auch "systematisch" aus § 20 EStG 1988 eine besondere Steuerfreiheit der Ersatzleistung ableitet, durch diese Steuerfreistellung gerade den mit der Nichtabzugsfähigkeit von Strafzahlungen vom Gesetzgeber verfolgten Zweck konterkarieren, wonach "bei einem durch die Rechtsordnung verpönten Verhalten, das eine Strafe oder

Buße nach sich zieht, ... die Allgemeinheit nicht einen Teil der

Strafe mittragen muss" (vgl. ErlRV 1212 der Beilagen XXIV. GP, Seite 17).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am