VwGH vom 24.01.2013, 2011/06/0079

VwGH vom 24.01.2013, 2011/06/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des G Z in W, vertreten durch Dr. Stefan Kovacsevich, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Jacquingasse 35, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 20704-07/390/2-2011, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: A F in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte kann auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/06/0213, und vom , Zl. 2008/06/0205, verwiesen werden. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nach wie vor - wie bereits in den beiden vorgenannten hg. Erkenntnissen - ein Ansuchen des Mitbeteiligten auf Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für einen Zubau an das bestehende Gebäude im Bereich der Südost-, Südwest- und Nordostfassade bzw. die Neugestaltung des gesamten Dachstuhles des Gebäudes auf näher genannten Grundstücken. Das Grundstück des Beschwerdeführers grenzt nordwestlich unmittelbar an das Baugrundstück an.

Nachdem der Antrag des Mitbeteiligten auf Umbau und Erweiterung seines Gastgewerbebetriebes mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft H vom genehmigt und die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Berufung mit Bescheid der Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen worden waren, hob der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis Zl. 2002/06/0213 den Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil es bei der Lösung der Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes unter dem Blickwinkel der Flächenwidmung für die Baubehörde nicht auf die konkrete Anlage, sondern auf die Betriebstype ankomme. Ein entsprechendes Gutachten für die baurechtliche Beurteilung der behaupteten Lärmemissionen sei nicht eingeholt worden.

Im fortgesetzten Verfahren wurde ein entsprechendes Betriebstypengutachten eingeholt und die Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom abermals abgewiesen. Auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde auch der zweite Berufungsbescheid mit hg. Erkenntnis Zl. 2008/06/0205 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass unklar sei, welche Anzahl an Stellplätzen der Beurteilung der Lärmbelästigung zugrunde gelegt worden sei, weil das Gutachten vom von einer anderen Anzahl an Stellplätzen ausgegangen sei als Gegenstand der im August 2008 geänderten Einreichplanung und der darauf basierenden Bewilligung gewesen sei.

Mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer ein Gutachten des Architekten DI G. und eine Untersuchung zu der lärmtechnischen Messmethodik der R Partner Ziviltechniker GmbH vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde erneut die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab, wobei sie klarstellte, dass elf Stellplätze zur Errichtung gelangten. In rechtlicher Hinsicht führte sie begründend aus, dass mit Inkrafttreten des Salzburger Raumordnungsgesetzes 2009 (ROG 2009), LGBl. Nr. 30/2009, auch dessen § 30 Abs. 9 geändert worden sei. Nunmehr sei bei der Beurteilung der Widmungskomformität eines Bauvorhabens auf den konkreten Betrieb und nicht auf den Betriebstypus abzustellen. Eine Ergänzung des dem Bescheid vom zugrunde gelegten Betriebstypengutachtens, wie vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Zl. 2008/06/0205 gefordert, sei auf Grund der geänderten Rechtslage entbehrlich geworden. Der gegenständliche Beherbergungsbetrieb verursache keine erhebliche Geruchs- und Lärmbelästigung und keinen übermäßigen Straßenverkehr, daher sei er im erweiterten Wohngebiet zulässig. Im erstinstanzlichen Verfahren sei diesbezüglich ein sorgfältiges Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Die vom Beschwerdeführer am vorgelegten Gutachten seien nicht unbeachtet geblieben, ein Eingehen darauf oder eine Bewertung derselben erscheine jedoch im Hinblick auf das zuletzt ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr geboten.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bringt zunächst vor, die belangte Behörde habe die Übergangsbestimmung des § 83 Abs. 2 ROG 2009 missachtet. Demnach sei das gegenständliche Baubewilligungsverfahren, weil es im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ROG 2009 bereits anhängig gewesen sei, nach den bisher geltenden Bestimmungen weiterzuführen gewesen. Die Unterlassung der Ergänzung des Betriebstypengutachtens, welches der VwGH in seinem Erkenntnis Zl. 2008/06/0205 aufgetragen habe, erweise sich somit als eklatant rechtswidrig. Die belangte Behörde hätte daher eine Ergänzung des Betriebstypengutachtens durchführen müssen und ein Gutachten über die aus dem Betrieb zu erwartende Lärmbeeinträchtigung für die Liegenschaft des Beschwerdeführers einholen müssen. Dieses hätte die Unzumutbarkeit der auf dessen Liegenschaft wirkenden Lärmimmissionen festgestellt, weshalb die belangt Behörde zu einer Abweisung des Baubewilligungsantrages der mitbeteiligten Partei hätte gelangen müssen.

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

§ 30 Abs. 9 sowie § 83 Abs. 2 Salzburger

Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009), LGBl. Nr. 30/2009, lauten wie folgt:

"Bauland

§ 30

(9) Bei der Beurteilung der Widmungskonformität eines Bauvorhabens ist auf den konkreten Betrieb und nicht auf den Betriebstypus abzustellen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Kategorie Reines Wohngebiet und Zweitwohnungsgebiet und für die Beurteilung nach Abs. 8.

§ 83

(2) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren zur Erstellung oder Änderung des Räumlichen Entwicklungskonzepts und zur Änderung von Flächwidmungsplänen sind nach den bisher geltenden Bestimmungen weiterzuführen. Dasselbe gilt für Verfahren über Entschädigungen gemäß § 49 sowie zur Erteilung von Bauplatzerklärungen oder Baubewilligungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits anhängig sind.

…"

Zu der Übergangsbestimmung des § 83 Abs. 2 ROG 2009 führt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aus, diese Bestimmung beziehe sich nur auf Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ROG 2009 am anhängig gewesen seien. Zu diesem Zeitpunkt sei das Berufungsverfahren jedoch bereits mit Bescheid der Landesregierung vom abgeschlossen und demnach nicht mehr anhängig gewesen. Erst aufgrund des außerordentlichen Rechtsmittels der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und dem daraus folgenden Erkenntnis vom sei das Verfahren neu aufgenommen worden.

Mit dieser, dem angefochtenen Bescheid offensichtlich zugrunde liegenden Rechtsansicht verkennt die belangte Behörde jedoch die Rechtswirkungen eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes. Gemäß § 42 Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, tritt die Rechtssache durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt diese ex-tunc-Wirkung eines aufhebenden Erkenntnisses, dass durch die Aufhebung eines Bescheides einer Berufungsbehörde die Berufung wieder anhängig ist. Die Rechtssache wird in "vollem Umfang" in jene Lage zurückversetzt, in welcher sie sich vor der Erlassung des vom VwGH aufgehobenen Bescheides befunden hat (vgl. dazu die in Mayer , B-VG4 (2007) zu § 42 VwGG VII.1. wiedergegebene Rechtsprechung). Dies bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0015).

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass die Rechtssache durch die Aufhebung des Berufungsbescheides vom mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0205, rechtlich in jene Lage zurücktrat, in der sie sich vor dem befand. Das Berufungsverfahren betreffend den Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für den Umbau und die Erweiterung seines Gastgewerbebetriebes war somit rückwirkend ab diesem Zeitpunkt - und somit auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ROG 2009 am - wieder anhängig. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht ist die Übergangsbestimmung des § 83 Abs. 2 ROG 2009 im vorliegenden Fall somit anzuwenden. Das gegenständliche Bewilligungsverfahren wäre daher nach den vor Inkrafttreten des ROG 2009 geltenden Bestimmungen weiterzuführen gewesen. Dabei ist die belangte Behörde - ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof - an die im Erkenntnis Zl. 2008/06/0205 geäußerte Rechtsansicht, wonach das zur Beurteilung der Lärmbelästigung durch die Zufahrts- und Abfahrtsbewegungen herangezogene Gutachten zu ergänzen sei, gebunden (vgl. dazu die in Mayer , a.a.O. zu § 63 VwGG I. und II. wiedergegebene Rechtsprechung). Auch das vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom vorgelegte Gutachten und die Untersuchung zu der lärmtechnischen Messmethodik werden zu berücksichtigen sein.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid wegen der vorrangig wahrzunehmenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das übrige Beschwerdevorbringen war dabei nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am