VwGH vom 24.01.2013, 2011/06/0076

VwGH vom 24.01.2013, 2011/06/0076

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des F S und 2. der C S, beide in V, beide vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/I, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B- 12.10-V56/2011-10, betreffend eine Zwangsstrafe gemäß § 5 VVG,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ. 198 GB 66187 U., BG L., bestehend unter anderem aus den Grundstücken Nr. 71/2, Nr. 152 sowie Nr. 158/2.

Anton L. (kurz: Nachbar) ist zur Hälfte Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft EZ. 84 GB 66187 U., BG L., bestehend unter anderem aus den Grundstücken Nr. 71/1, Nr. 158/1 sowie Nr. 158/3.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde V. vom wurde dem Nachbarn der beschwerdeführenden Parteien die Baubewilligung für einen Zubau zum bestehenden Wirtschaftsobjekt auf dem Grundstück Nr. 158/1 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Geplant war u.a. die Errichtung einer "Feuerschutzmauer" an der Grenze zu den Grundstücken Nr. 152 und 158/2 der beschwerdeführenden Parteien. Im Zuge des Benützungsbewilligungsverfahrens wurde festgestellt, dass die "Feuerschutzmauer" nicht konsensmäßig direkt an der Grundstücksgrenze, sondern in einem Abstand von ca. 15 cm auf dem Grundstück des Nachbarn errichtet wurde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde V. vom wurden die beschwerdeführenden Parteien gemäß § 36 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk. BauG) zur Duldung der vorübergehenden Benützung der Grundstücke Nr. 152 und Nr. 158/2 für die Sanierung der angrenzenden Sichtschutzmauer auf den Grundstücken Nr. 158/3 und 158/1 "im unbedingt erforderlichen Ausmaß" für die Dauer von vier Wochen verpflichtet.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde V. vom wurde der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung insofern Folge gegeben, als der erstinstanzliche Spruch abgeändert und den beschwerdeführenden Parteien die Duldung der vorübergehenden Nutzung ihrer Grundstücke in folgendem Ausmaß vorgeschrieben wurde:

"1. Die Inanspruchnahme eines Streifens entlang der Grundgrenze im Ausmaß von 3m Breite und 25m Länge.

2. Die Inanspruchnahme des Zugangs zu diesem Arbeitsstreifen über die bestehende Hofzufahrt auch zum Transport des erforderlichen Baumaterials.

3. Die Aufstellung eines Gerüstes im oben bezeichneten Arbeitsstreifen.

4. Die Lagerung von Baumaterialien im oben bezeichneten Arbeitsstreifen.

5. Die Entfernung der Zaunfundamente im Bereich des Arbeitsstreifens.

Zur näheren Beschreibung des Arbeitsstreifens der zu entfernenden Zaunelemente sowie der benutzbaren Hofzufahrt wird auf beiliegenden - einen integrierenden Bescheidbestandteil bildenden - Lageplan verwiesen.

Der Beginn der Baumaßnahmen ist den Berufungswerbern schriftlich mindestens 4 Wochen vor Beginn der Arbeiten durch den Duldungsberechtigten bekannt zu geben. …"

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom abgewiesen. Die belangte Behörde führte darin aus, dass die als Feuerschutzmauer geplante Außenwand des mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde V. vom bewilligten Zubauobjektes des Nachbarn nicht konsensgemäß an der Grundstücksgrenze errichtet worden sei, sondern vielmehr einen Abstand von zumindest 15 cm von der Grenze aufweise. Daher ergebe sich die Notwendigkeit, diese Mauer dem baubehördlichen Konsens anzupassen. Bauliche Maßnahmen, die der Herstellung des konsensgemäßen Zustandes dienten, könnten unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Stmk. BauG Gegenstand einer Duldungsverpflichtung sein. Da die beschwerdeführenden Parteien weder in der Berufung noch in der Vorstellung den Umstand, dass die Herstellungsarbeiten nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ohne Grundinanspruchnahme bewerkstelligt werden könnten, in Zweifel gezogen hätten und darüber hinaus keine Bedenken gegen eine Grundinanspruchnahme im vorgeschriebenen Umfang seitens der Aufsichtsbehörde bestünden, sei davon auszugehen, dass durch den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde V. vom keine Rechte der beschwerdeführenden Parteien verletzt worden seien. Zum Vorbringen, der Zubau des Nachbarn sei im Widerspruch zu den Abstandsbestimmungen bewilligt worden, wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Baubewilligung aus dem Jahre 1995 in Rechtskraft erwachsen sei und eine allfällige Verletzung der Abstandsbestimmungen im damaligen Baubewilligungsverfahren geltend zu machen gewesen wäre.

Als die Baufirma P. am die Sanierungsmaßnahmen im Auftrag des Nachbarn durchführen wollte, verweigerten die beschwerdeführenden Parteien dieser trotz mündlicher Vorankündigung und der Verpflichtung zur Duldung der Grundinanspruchnahme für die Sanierungsmaßnahmen den Zutritt zu ihren Grundstücken.

Mit Antrag der Gemeinde V. vom wurde die Bezirkshauptmannschaft L. (BH) ersucht, die im Bescheid des Gemeinderates vom umschriebene Duldungsverpflichtung zu vollstrecken.

Mit Schreiben vom leitete die BH das Verwaltungsvollstreckungsverfahren ein, setzte für die Erbringung der Leistung eine neuerliche Frist von vier Wochen fest und drohte für den Fall der Nichterfüllung die Verhängung einer Zwangsstrafe in Höhe von EUR 100,-- an.

Mit Bescheid der BH vom wurde über den Erstbeschwerdeführer eine Zwangsstrafe in der Höhe von jeweils EUR 100,-- verhängt, für die Erbringung der Leistung eine neuerliche Frist von zwei Wochen festgesetzt sowie für den Fall deren Nichterfüllung die Verhängung einer weiteren Geldstrafe in Höhe von EUR 200,- angedroht. Ob gegen die Zweitbeschwerdeführerin mit gesondertem Bescheid ebenfalls eine Zwangsstrafe verhängt wurde, geht aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten nicht hervor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung (diese liegt den vorgelegten Verwaltungsakten nicht bei) des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid der BH vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 10 Abs. 2 VVG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Erstbeschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Bescheid vom zur Duldung der Inanspruchnahme seiner Grundstücke verpflichtet worden, welcher dieser der Auskunft der Gemeinde V. zufolge zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht nachgekommen sei. Die zunächst angedrohte Zwangsstrafe sei daher zu Recht verhängt worden. Ein gelinderes Zwangsmittel komme nicht in Betracht.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu Spruchpunkt 1.:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist damit die Frage, ob ein Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/07/0232, mwN).

Der angefochtene Bescheid spricht ausschließlich über die Berufung des Erstbeschwerdeführers ab. Er kann daher nicht in ein subjektives Recht der Zweitbeschwerdeführerin eingreifen. Deren Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Zu Spruchpunkt 2.:

Gemäß § 5 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG) wird die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Vollstreckung mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteils zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

Gemäß § 10 Abs. 2 VVG kann die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
die Vollstreckung unzulässig ist oder
2.
die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder
3.
die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen.
Wann eine Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG unzulässig ist, ist im Gesetz nicht näher ausgeführt. Voraussetzung für eine Vollstreckung ist, dass überhaupt ein entsprechender Titelbescheid vorliegt, dass dieser gegenüber dem Verpflichteten wirksam geworden ist und dass der Verpflichtete seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen ist. Unzulässig ist eine Vollstreckung auch dann, wenn sich nach der Entstehung des Exekutionstitels die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse in einem wesentlichen Punkt geändert haben und damit die objektiven Grenzen der Bescheidwirkungen andere geworden sind, dass der Bescheid (auf Grund einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage) nicht mehr in derselben Form ergehen dürfte. Keinen Berufungsgrund bilden dagegen Umstände, über die im Titelbescheid bereits rechtskräftig entschieden wurde und die (bei unverändert gebliebenem Sachverhalt) daher im Vollstreckungsverfahren vom Verpflichteten wegen der Rechtskraftwirkung des Titelbescheides nicht mehr aufgerollt werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0156, mwN). Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen des § 10 VVG mit den übrigen Vorschriften des VVG ergibt sich, dass der Berufungsgrund der Unzulässigkeit der Vollstreckung einer Zwangsstrafe nach § 5 VVG u.a. auch dann gegeben ist, wenn es dem Verpflichteten tatsächlich unmöglich ist, die ihm auferlegte Verpflichtung erfüllen zu können (vgl. dazu die bei
Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000) E 108. f zu § 10 VVG zitierte hg. Judikatur).
Im Beschwerdefall geht es um die Vollstreckung des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde V. vom (Titelbescheid), mit welchem u.a. dem Erstbeschwerdeführer die Duldung der vorübergehenden Nutzung seiner Grundstücke in einem bestimmten Ausmaß vorgeschrieben wurde.
Der Erstbeschwerdeführer bestreitet im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht, der Baufirma P. am trotz Vorankündigung den Zutritt zu seinen Grundstücken verweigert zu haben und der im Titelbescheid vom umschriebenen Duldungsverpflichtung bis dato nicht nachgekommen zu sein. Er macht auch keine Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse geltend. Die Beschwerde gegen den nunmehr angefochtenen Vollstreckungsbescheid wendet sich im Wesentlichen gegen die im Titelbescheid näher festgelegte Duldungsverpflichtung und bringt u.a. vor, die belangte Behörde übergehe, dass zwischen seinem Wohngebäude und der "angeblich zu sanierenden Wand" lediglich ein Grundstücksstreifen von 2 m bestehe, der sich nach Nordosten auf null verjünge. Sollte der Nachbar Baumaterial auf dem Arbeitsstreifen lagern, könnte der Erstbeschwerdeführer sein Gebäude nicht mehr beheizen, weil er keinen Zugang zu seiner Heizung hätte. Auch könnte dem Nachbarn nicht erlaubt werden, Teile der Zaunfundamente zu entfernen. Es sei zudem nicht geklärt, welche Maßnahmen dieser setzen wolle. Sollte die Mauer bis auf die Grundgrenze verbreitert werden, würde dies die "Konsumation einer Baubewilligung bedeuten", die längst abgelaufen sei (Hinweis auf § 31 Stmk. BauG). Die beabsichtigten Arbeiten seien daher nicht zulässig. Dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde V. vom zufolge wolle sein Nachbar eine Verstärkung und Erhöhung der bestehenden "Brandmauer" und die Sanierung der "Grenzmauer", die als Stahlbetonwand direkt an der Grenze ausgeführt werden solle, durchführen. Die belangte Behörde hätte klären müssen, welche Maßnahmen seitens des Nachbarn gesetzt werden sollten.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass es sich dabei nicht um neu hervorgetretene, sondern um Umstände handelt, die der Erstbeschwerdeführer im Titelverfahren hätte geltend machen müssen. Keinen Berufungsgrund iS des § 10 Abs. 2 Z 1 VVG bilden Umstände, über die im Titelbescheid bereits rechtskräftig entschieden wurde und die (bei unverändert gebliebenem Sachverhalt) daher im Vollstreckungsverfahren vom Verpflichteten wegen der Rechtskraftwirkung des Titelbescheides nicht mehr aufgerollt werden können (vgl. die bei
Walter/Thienel , a. a.O., E 66 ff, insbesondere in E 68 zu § 10 VVG zitierte hg. Judikatur). Im Vollstreckungsverfahren ist die Behörde auch grundsätzlich nicht zur Ermittlung des Sachverhaltes verpflichtet (vgl. die bei Walter/Thienel , a.a.O., E 31 zu § 10 VVG zitierte hg. Judikatur).
Sofern die Beschwerde zum Ausdruck bringen wollte, es sei dem Erstbeschwerdeführer unmöglich, die ihm im Titelbescheid aufgetragene Verpflichtung zu erfüllen, ist auch dieses Vorbringen nicht zielführend. Vom Titelbescheid ist lediglich die Verpflichtung umfasst, die Inanspruchnahme eines bestimmten Bereiches seiner Grundstücke (Arbeitsstreifen) für näher bezeichnete Tätigkeiten in der Dauer von vier Wochen und die Entfernung des Zaunfundamentes im Bereich des Arbeitsstreifens zu dulden. Aus welchem Grund dem Erstbeschwerdeführer dies unmöglich sein sollte, lässt die Beschwerde offen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am