VwGH vom 17.12.2014, 2011/06/0071
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der Stadtgemeinde A, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B-12.10- H216/2011-3, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: B AG, W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Stadtgemeinde A hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom zeigte die mitbeteiligte Partei (Bauwerberin) die Errichtung einer Telekommunikationsanlage, bestehend aus einem Rohrmast und einer Outdoorsystemtechnik unter zwei Wetterschutzdächern, auf einem näher bezeichneten, im Eigentum des XY stehenden Grundstück in der beschwerdeführenden Stadtgemeinde an.
Der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde informierte die Bauwerberin mit Schreiben vom über die Einleitung des Baubewilligungsverfahrens und führte weiters aus, es sei zu beurteilen, ob durch das gegenständliche Bauvorhaben eine Beeinträchtigung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes bestehe bzw. ob die Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan gegeben sei.
Über Auftrag des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde erstattete Universitätsprofessor DI Dr. H. in weiterer Folge ein Gutachten (vom ), in dem er im Wesentlichen ausführte, das geplante Vorhaben stehe im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde A, weil die Fläche, auf der der Handymast samt Sendeanlage errichtet werden solle, ausschließlich als Verkehrsfläche für den ruhenden Verkehr ausgewiesen sei. Eine Abnahme des Flächenbedarfes für den ruhenden Verkehr sei in diesem Bereich auszuschließen, der Bedarf an Pkw-Abstellflächen in diesem Bereich sei gegeben und dürfte künftig markant steigen.
In ihrer Stellungnahme zum Gutachten führte die Bauwerberin im Wesentlichen aus, der geplante Standort der Telekommunikationsanlage befinde sich auf einer unbefestigten, für einen Parkplatz ungeeigneten Fläche zwischen Straßenrand und Parkplatz, sodass keine Reduzierung der vorhandenen Pkw-Stellflächen erfolge.
Mangels Entscheidung der Baubehörde erster Instanz stellte die Bauwerberin mit Schreiben vom einen Devolutionsantrag an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde.
Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde gab mit Bescheid vom dem Devolutionsantrag statt und wies das Bauansuchen ab.
In ihrer Vorstellung brachte die Bauwerberin vor, das Bauvorhaben sei mit der Ausweisung im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als "Verkehrsfläche" vereinbar, weil - wie bereits ausgeführt - das Antennentragwerk auf einer unbefestigten und sohin für einen Parkplatz ungeeigneten Fläche errichtet werden solle.
Die belangte Behörde behob mit Bescheid vom den Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde mit der Begründung, der Gemeinderat habe sich mit den Argumenten der Bauwerberin nicht ausreichend auseinandergesetzt. Keinesfalls könne von vornherein die Ansicht vertreten werden, dass das gegenständliche Bauvorhaben mit der Flächenwidmung nicht in Einklang stehe. Sehr wohl könnten nämlich auch Telekommunikationsanlagen, ebenso wie Strommasten und Straßenbeleuchtungen, auf einer Verkehrsfläche errichtet werden. Die Grenze sei lediglich dort gegeben, wo durch die Errichtung eines Sendemastes der Verkehr auf der Verkehrsfläche behindert werde. Die Errichtung auf einer unbefestigten Fläche, die auch als Parkplatz nicht geeignet sei, sei keinesfalls geeignet, einen derartigen Widerspruch zu begründen. Darüber hinaus hielt die belangte Behörde fest, dass die Entscheidung, ob eine bauliche Anlage in diesem Bereich zulässig sei oder nicht, immer nur nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates zu beurteilen sei "und nicht was in Zukunft beabsichtigt ist".
Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde wies mit Bescheid vom das Bauansuchen neuerlich ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, das ergänzende Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass im Jahre 2005 eine Verkehrsplanung für die Erschließung (u.a.) des Baugrundstückes und in weiterer Folge des Baulandentwicklungsgebietes laut Entwicklungsplan und Leitbild der beschwerdeführenden Stadtgemeinde Periode 5.0 erfolgt sei. Seitens der betroffenen Grundeigentümer (u.a. XY) gebe es schriftliche Zustimmungen für den im Plan "Projektzufahrt Ökopark" vom dargestellten Straßenverlauf, der als öffentlicher Weg über das Baugrundstück führe. Bei Vergleich der vorliegenden Einreichpläne mit der vorgenannten Straßenplanung zeige sich, dass die beantragte Telekommunikationsanlage weitgehend auf dem geplanten, öffentlichen Straßenzug errichtet werden solle, was den fließenden Verkehr vollends unmöglich machen würde. Aus der Sicht der Baubehörde liege durch die Unterschriftsleistung des Eigentümers XY eine verbindliche Vereinbarung über die künftige Straßenführung vor; es handle sich dabei um eine aktuelle Rechtstatsache, die von der Baubehörde zu berücksichtigen sei. Die Baubehörde begreife also den Hinweis der belangten Behörde, wonach der Gemeinderat seiner Entscheidung nicht zu Grunde legen dürfe, "was in Zukunft beabsichtigt ist", dahin, dass natürlich völlig rechtsgrundlose Planungen nicht berücksichtigt werden dürften. Wohl aber müssten solche Planungen berücksichtigt werden, die bereits eine rechtlich verbindliche Qualität erreicht hätten, was hier durch die unterschriftliche Zustimmung des Grundeigentümers der Fall sei.
Über Vorstellung der Bauwerberin behob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom den Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde.
In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem vorliegenden Gemeindeakt ergebe sich, dass das gegenständliche Grundstück, auf dem die Telekommunikationsanlage errichtet werden solle, im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der beschwerdeführenden Stadtgemeinde als "Verkehrsfläche" ausgewiesen sei. Gemäß § 32 Abs. 1 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes (ROG 2010) seien als Verkehrsflächen solche Flächen festzulegen, die für die Abwicklung des fließenden und ruhenden Verkehrs sowie für die Aufschließung des Baulandes und des Freilandes vorgesehen seien. Dazu gehörten auch die für die Erhaltung, den Betrieb und den Schutz der Verkehrsanlagen und Versorgungsleitungen erforderlichen Flächen.
Gegen die Errichtung eines Sendemastes auf einer Verkehrsfläche bestünden grundsätzlich keine Bedenken, weil ein Sendemast gemäß § 33 Abs. 5 Z. 6 ROG 2010 auch im Freiland errichtet werden dürfe. Eine Problematik bei der Errichtung eines derartigen Sendemastes auf einer Verkehrsfläche sei dort gegeben, wo durch diese Errichtung eine Einschränkung des Verkehrs (fließender und ruhender Verkehr) auf dieser Verkehrsfläche gegeben sei. Wenn aber ein derartiger Sendemast nicht im unmittelbaren Bereich des Verkehrsablaufes der Straße errichtet werde, könne kein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan erblickt werden.
Aus der Argumentation des raumplanerischen Gutachtens gehe mit keiner nachvollziehbaren Begründung, vor allem auch durch keine Größenangabe, hervor, dass durch die geplante Baumaßnahme die Zielsetzung der in diesem Bereich für den ruhenden Verkehr festgelegten Verkehrsfläche beeinträchtigt werde. Auch könne nicht von vornherein die Ansicht vertreten werden, dass das gegenständliche Bauvorhaben mit der Flächenwidmung nicht im Einklang stehe. Sehr wohl könnten nämlich auch Telekommunikationsanlagen, ebenso wie Strommasten und Straßenbeleuchtungen, auf einer Verkehrsfläche errichtet werden. Wie bereits ausgeführt, sei die Grenze lediglich dort gegeben, wo durch die Errichtung eines Sendemastens der Verkehr auf der Verkehrsfläche behindert werde. Die Errichtung auf einer unbefestigten Fläche, die auch als Parkplatz ungeeignet sei, sei keinesfalls geeignet, einen derartigen Widerspruch zu begründen.
Wenn der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde ausführe, dass durch die Unterschriftsleistung des Eigentümers XY eine verbindliche Vereinbarung über die künftige Straßenführung vorliege und es sich dabei somit um eine aktuelle Rechtstatsache handle, die von der Baubehörde zu berücksichtigen sei, könne dem nicht gefolgt werden. Die Entscheidung, ob eine bauliche Anlage in diesem Bereich zulässig sei oder nicht, könne immer nur nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates beurteilt werden und nicht danach, was in Zukunft beabsichtigt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Die Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Im vorliegenden Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995 (Stmk. BauG 1995), LGBl. Nr. 59/1995 idF LGBl. Nr. 88/2008, anzuwenden.
"§ 5.
Bauplatzeignung
(1) Eine Grundstücksfläche ist als Bauplatz für die vorgesehene Bebauung geeignet, wenn
1. eine Bebauung nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz zulässig ist,
...
§ 29
Entscheidung der Behörde
(1) Die Behörde hat einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.
..."
Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ist im Beschwerdefall vom gültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde A, Periode 4.11., auszugehen. Nach ständiger hg. Judikatur richtet sich der Inhalt der in einem Flächenwidmungsplan verwendeten Begriffe nach den Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes im Zeitpunkt seines Wirksamwerdens (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/06/0089, mwN). Die maßgebliche Bestimmung des § 24 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz (ROG) 1974, LGBl. Nr. 127 in der Fassung Nr. 89/2008, lautet:
"§ 24.
Verkehrsflächen
(1) Als Verkehrsflächen sind solche Flächen festzulegen, die für die Abwicklung des fließenden und ruhenden Verkehrs sowie für die Aufschließung des Baulandes und des Freilandes vorgesehen sind. Dazu gehören auch die für die Erhaltung, den Betrieb und den Schutz der Verkehrsanlagen und Versorgungsleitungen sowie die für die Versorgung der Verkehrsteilnehmer erforderlichen Flächen.
..."
Die beschwerdeführende Stadtgemeinde bringt vor, aus ihrer Sicht sei die Bewilligungsfähigkeit für das Sendemastprojekt nicht gegeben, weil das Straßenbauprojekt gemäß Plan "Projekt Zufahrt Ökopark" vom nach wie vor Gültigkeit habe und somit die Errichtung der gegenständlichen Telekommunikationsanlage just den fließenden Verkehr auf diesem als "Verkehrsfläche" im Sinne des § 24 Stmk. ROG 1974 gewidmeten Standort behindern, ja unmöglich machen würde. Die in Planung befindliche Verkehrsregulierung diene der besseren Erschließung des Gebiets. Die Errichtung des verfahrensgegenständlichen Sendemastes würde genau diese Planung unmöglich machen. Im Beschwerdefall sehe eine (nach wie vor) aktuelle Verkehrsplanung, der der Grundeigentümer des Baugrundstückes bereits verbindlich zugestimmt habe (diese Zustimmung sei eine gegenwärtige Rechtstatsache), die Führung einer öffentlichen Straße genau über dem beabsichtigten Standort der Sendeanlage vor. Über diese aktuellen Rechtstatsachen des vorliegenden Straßenbauprojektes, für dessen Gestalt eine zivilrechtliche Zustimmung vorliege und für das nötigenfalls ein Enteignungsverfahren eingeleitet werden könnte, dürfe sich die Baubehörde nicht hinwegsetzen.
Ein Widerspruch zu den Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes (im konkreten Fall: § 24) schließt nach § 5 Abs. 1 Z. 1 iVm § 29 Abs. 1 Stmk. BauG die Erteilung einer Baubewilligung für ein baubewilligungspflichtiges Vorhaben aus. Die Widmung "Verkehrsfläche" stünde im Beschwerdefall nach der von der belangten Behörde im ersten Vorstellungsbescheid überbundenen Rechtsmeinung der Baubewilligung für die Errichtung einer Sendemastenanlage dann nicht entgegen, wenn die Abwicklung des fließenden und ruhenden Verkehrs weiterhin gewährleistet ist.
Was den zukünftigen Straßenverlauf betrifft, den die beschwerdeführende Stadtgemeinde als maßgeblich erachtet, ist auf die bereits mit dem ersten aufhebenden Vorstellungsbescheid vom überbundene Rechtsansicht zu verweisen, wonach die Zulässigkeit der baulichen Anlage in diesem Bereich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates zu beurteilen ist. Diese Rechtsansicht ist auch für den Verwaltungsgerichtshof bindend (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0167).
Davon ausgehend ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die neuerliche Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde damit begründet hat, dass nach wie vor nicht nachvollziehbar begründet wurde, dass im verfahrensgegenständlichen Bereich durch die geplante Baumaßnahme die Zielsetzung der in diesem Bereich für den ruhenden Verkehr festgelegte Verkehrsfläche beeinträchtigt wird.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am