VwGH vom 30.06.2015, 2013/15/0104

VwGH vom 30.06.2015, 2013/15/0104

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2013/15/0108 E

2013/15/0109 E

2013/15/0106 E

2013/15/0105 E

2013/15/0096 E

2013/15/0107 E

2013/15/0111 E

2013/15/0095 E

2013/15/0110 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3809-W/08, betreffend Energieabgabenvergütung für das Jahr 2006 (mitbeteiligte Partei: A in W, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstraße 41), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist ein Sozialversicherungsträger, der medizinische Einrichtungen unterhält, in denen sowohl Behandlungen durchgeführt werden, für die sie "versicherungszuständig" (vgl. Tomandl, Grundriss, 6. Auflage, Tz 87) ist (in der Folge vereinfachend als Behandlung der eigenen Versicherten bezeichnet), als auch solche, für die dies nicht gilt. Sie beantragte für das Jahr 2006 eine Vergütung von Energieabgaben nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz in Höhe von 128.741,03 EUR.

Das Finanzamt gab dem Antrag nicht statt und begründete dies damit, dass bei Einrechnung aller steuerbaren Umsätze (Anm:

diverser Kostenersätze und einer Verlustabdeckung in Höhe von 33,508.245,69 EUR) der Nettoproduktionswert und somit der Sockelbetrag (und der Selbstbehalt) höher als die geleisteten Energieabgaben seien.

Die Mitbeteiligte berief gegen die abweisende Erledigung und führte aus, dass die in diesem Fall betroffene medizinische Einrichtung aus verschiedenen Mitteln finanziert werde. Die Beiträge der Leistungsempfänger und die Zuschüsse der Gesundheitsfonds deckten die Kosten der Einrichtung nicht, weshalb der Verlust von ihr abgedeckt werde. Die Verlustabdeckung, die im Rechnungsabschluss unter Punkt "5. Überleitung in die Erfolgsrechnung" ausgewiesen werde, stelle keinen steuerbaren Umsatz dar und sei bei der Ermittlung des Nettoproduktionswertes außer Ansatz zu lassen. Der vom Finanzamt ermittelte Nettoproduktionswert sei daher um die Verlustabdeckung von 33,508.245,69 EUR zu berichtigen, wodurch sich ein Nettoproduktionswert von 0 EUR und ein zu vergütender Energieabgaben-Betrag von 128.741,03 EUR ergebe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid durch Festsetzung des Vergütungsbetrages nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz für das Kalenderjahr 2006 in der ursprünglich beantragten Höhe ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Energieabgabenvergütungsgesetz verlange für die Berechnung des Nettoproduktionswertes die Erstellung einer Leistungsbilanz an erbrachten und erhaltenen Leistungen und knüpfe dabei unmittelbar an den Umsatzbegriff des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 an. Damit sei die Auslegung des UStG 1994 für die Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 1 EnAbgVergG heranzuziehen, weshalb auch der "Eigenverbrauch" iSd § 3 Abs. 2 und § 3a Abs. 1a UStG 1994 bei der Ermittlung des Nettoproduktionswertes zu berücksichtigen sei.

Es stehe außer Streit, dass die in der Erfolgsrechnung der medizinischen Einrichtung für das Jahr 2006 ausgewiesenen Kostenersätze, Kostenbeiträge und sonstigen Erträge in die Bemessungsgrundlage für die Errechnung des Nettoproduktionswertes miteinzubeziehen seien. Strittig sei, inwieweit die unter Punkt

"5. Überleitung in die Erfolgsrechnung" ausgewiesene Verlustabdeckung durch die Mitbeteiligte in Höhe von 33,508.245,69 EUR als Umsatz iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 zu werten sei.

Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , 2010/17/0144, entschieden, dass die von der dortigen Beschwerdeführerin (Anm: einem Sozialversicherungsträger, der u.a. Rehabilitationszentren unterhielt, in denen eigene Versicherte, Versicherte anderer Sozialversicherungsträger und Selbstzahler behandelt wurden) übernommene Verlustabdeckung bei der Berechnung des Nettoproduktionswertes zu berücksichtigen sei. Er habe ausgesprochen, dass die von der dortigen Beschwerdeführerin betriebenen Rehabilitationszentren jeweils als eigene Betriebe gewerblicher Art iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu beurteilen seien, sodass die von diesen ohne die Verrechnung von Kostenersätzen an die eigenen Versicherten erbrachten Rehabilitationsleistungen "jedenfalls für Zwecke des Energieabgabenvergütungsgesetzes und seiner betriebsbezogenen Ausrichtung" Eigenverbrauch iSd § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 darstellten. Nichts anderes könne im hier anhängigen Fall gelten. In der medizinischen Einrichtung der Mitbeteiligten seien eigene Versicherte, Versicherte anderer Sozialversicherungsträger und Selbstzahler behandelt worden. Die Einrichtung habe für die Behandlung von Selbstzahlern und Versicherten anderer Sozialversicherungsträger Kostenersätze erhalten, nicht aber für die Behandlung der eigenen Versicherten. Werden nun die im Zusammenhang mit der Behandlung der eigenen Versicherten entstandenen Aufwendungen "im Wege einer Verlustabdeckung getragen, so ist darin in Anlehnung an die angesprochene VwGH-Judikatur ein Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 zu erblicken".

Zur Ermittlung der auf die eigenen Versicherten entfallenden, anteiligen Verlustabdeckung sei erneut auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/17/0144, zu verweisen. Die dort belangte Behörde habe durch die parallele Anwendung einer kalkulatorischen Kostenrechnung zum fremdüblich verrechneten Tagessatz sichergestellt, dass die fremdüblich verrechneten Kostenersätze die Obergrenze der Bemessung der Eigenverbrauchsumsätze darstellten und die Heranziehung der jährlichen Verlustabdeckung nicht auch echte Zuschüsse mitumfassen könne, die in keinem Zusammenhang mit den an die eigenen Versicherten erbrachten Leistungen stünden. Aufgrund der Vorlage einer Übersicht durch die Mitbeteiligte über die im Streitjahr im Zusammenhang mit der Behandlung eigener Versicherter entstandenen und nach zu Tag- bzw. Fallsätzen anderer Sozialversicherungsträger bewerteten Anstaltspflegetagen bzw. Patienten aufgegliederten Ausgaben sei eine dementsprechende Obergrenze für die bei der Bemessung der Energieabgabenvergütung anzusetzenden Eigenverbrauchsumsätze zu ziehen gewesen. Der nach Abzug der auf die eigenen Versicherten entfallenden Ausgaben verbleibende Restbetrag sei als echte Verlustübernahme durch die Mitbeteiligte zu werten, die in die Bemessungsgrundlage des Nettoproduktionswertes nicht einzubeziehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Finanzamt erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebende Bestimmung des § 1 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996, in der Fassung BGBl. I Nr. 92/2004, lautet wie folgt:

"§ 1. (1) Die entrichteten Energieabgaben auf die in Abs. 3 genannten Energieträger sind für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag insoweit zu vergüten, als sie (insgesamt) 0,5 % des Unterschiedsbetrages zwischen

1. Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 und

2. Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, die an das Unternehmen erbracht werden, übersteigen (Nettoproduktionswert)."

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.

Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gemäß § 3a Abs. 1a lit. 2 1. Teilstrich UStG 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 134/2003 die unentgeltliche Erbringung von anderen sonstigen Leistungen durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, gleichgestellt.

Gemäß § 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 134/2003 bemisst sich der Umsatz im Falle des § 3a Abs. 1a Z 1 und 2 UStG 1994 nach den auf die Ausführung dieser Leistungen entfallenden Kosten.

Strittig ist die Bewertung von - dem Grunde nach unstrittig gegebenen - Eigenverbrauchsumsätzen im Zusammenhang mit Leistungen, die in der gegenständlichen medizinischen Einrichtung der Mitbeteiligten gegenüber den eigenen Versicherten erbracht wurden.

Das Finanzamt trägt zusammengefasst vor, dass der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/17/0144, zugrunde gelegene Sachverhalt, mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbar sei. Im gegenständlichen Fall seien die im Zusammenhang mit der Behandlung von Versicherten anderer Sozialversicherungsträger anfallenden Kosten durch die dafür vereinnahmten Kostenersätze nicht gedeckt, während dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ein Fall zugrunde gelegen sei, in welchem über die tatsächlichen Kosten hinausgehende Kostenersätze vereinnahmt worden seien. Indem die belangte Behörde die Kostenersätze anderer Sozialversicherungsträger als Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch angesehen habe, sei sie entgegen § 4 Abs. 8 UStG 1994 gerade nicht von den auf die Behandlungen der eigenen Versicherten tatsächlich entfallenden Kosten ausgegangen. Dieses Ergebnis stehe auch nicht im Einklang mit einer wirklichkeitsgetreuen Ermittlung des Nettoproduktionswertes und führe zu einer ungerechtfertigten Erhöhung der Energieabgabenvergütung.

Mit seinem Vorbringen zeigt das beschwerdeführende Finanzamt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Die gegenständliche medizinische Einrichtung stellt einen Betrieb gewerblicher Art iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 dar, in dem nicht nur eigene Versicherte der Mitbeteiligten, sondern auch Versicherte von anderen Sozialversicherungsträgern behandelt wurden, wofür "Kostenersätze" verrechnet wurden, die unstrittig nicht kostendeckend waren.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2010/17/0144, vor dem Hintergrund der damaligen Rechtslage (Energieabgabenvergütung 2002 und 2003) ausgesprochen hat, stellt die Behandlung der eigenen Versicherten - jedenfalls für Zwecke des Energieabgabenvergütungsgesetzes und seiner betriebsbezogenen Ausrichtung - einen Eigenverbrauch iSd § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 (nunmehr eine sonstige Leistung iSd § 3a Abs. 1a lit. 2 1. Teilstrich UStG 1994) dar, weil die Mitbeteiligte insoweit keine Leistung am Markt erbringt, sondern lediglich ihrem eigenen gesetzlichen Versorgungsauftrag nachkommt.

Im Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof die vom Träger der dortigen Einrichtung geleisteten Verlustabdeckungen als Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch angesehen, weil durch die parallele Anwendung einer kalkulatorischen Kostenrechnung zum fremdüblich verrechneten Tagessatz sichergestellt war, dass diese nicht etwa auch echte Zuschüsse mitumfassen, die in keinem Zusammenhang zu den gegenüber den eigenen Versicherten erbrachten Leistungen stehen. Dass die Kostenersätze anderer Sozialversicherungsträger eine Obergrenze für den in Ansatz zu bringenden Eigenverbrauch darstellen, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom nicht ausgesprochen. Es sind stets die für die Leistungserbringung zugunsten eigener Versicherter tatsächlich angefallenen Kosten zu ermitteln und der Bewertung der damit verbundenen sonstigen Leistungen zugrunde zu legen. Ein echter Zuschuss ohne Leistungszusammenhang iSd Erkenntnisses vom ist nur insoweit gegeben, als die Verlustabdeckungen die Höhe der mit der Behandlung eigener Versicherter verbundenen tatsächlichen Kosten iSd § 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994 übersteigt. Bis zu dieser - im fortgesetzten Verfahren zu ermittelnden - Höhe ist die Verlustabdeckung bei der Ermittlung des Nettoproduktionswertes zu berücksichtigen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Wien, am