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VwGH 18.10.2012, 2011/06/0068

VwGH 18.10.2012, 2011/06/0068

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauG Stmk 1995 §11 Abs1;
BauG Stmk 1995 §19 Z4;
BauG Stmk 1995 §20 Abs3 litc;
BauG Stmk 1995 §4 Z12;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
RS 1
Nach § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 ist hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen ein Beseitigungsauftrag zu erlassen. Eine mit Karabinern auf einem Maschendrahtzaun angebrachte blickdichte Nylonbespannung kann schon deshalb (für sich allein) keine bauliche Anlage im Sinne des § 4 Z. 12 Stmk BauG 1995 darstellen, weil zu ihrer Errichtung (Anbringung) keine bautechnischen Kenntnisse erforderlich sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis E vom , 2001/06/0070) kommt es aber nicht darauf an, ob eine Vorrichtung wie hier die Nylonbespannung für sich als bauliche Anlage zu qualifizieren ist, sondern vielmehr darauf, dass sie Teil einer baulichen Anlage - nämlich eines auf den Stützmauern angebrachten Maschendrahtzaunes - ist, die dadurch geändert wird. Zutreffend hat die Behörde erkannt, dass die hier vorgenommene Änderung durch das Anbringen der Nylonbespannung an der konsensbedürftigen Einfriedung ihrerseits konsensbedürftig im Sinne des § 19 Z. 4 bzw. § 20 Abs. 3 lit. c iVm § 11 Abs. 1 Stmk BauG 1995 ist, weil sie die Änderung des Orts- und Landschaftsbildes beeinträchtigen kann.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. der AK und 2. des SK, beide in G, beide vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 6, 1. Stock, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 004659/2011-2, betreffend einen Beseitigungsauftrag (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 jeweils zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Stadtsenats der Landeshauptstadt Graz vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Mit diesem Bescheid war den Beschwerdeführern der baupolizeiliche Auftrag erteilt worden, die auf einem näher genannten Grundstück errichteten baulichen Anlagen, und zwar (soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung) eine ca. 23,5 m lange und ca. 1,0 m - ca. 1,2 m hohe Nylonbespannung, verlaufend an der Grundgrenze zur S-Straße, sowie eine abgewinkelte, ca. 9,5 m lange Nylonbespannung, verlaufend zur Zufahrtsstraße auf der bestehenden Stützmauer situiert, zu beseitigen.

In ihrer Begründung legte die belangte Behörde dar, den Beschwerdeführern sei mit Bescheid des Stadtsenats der Landeshauptstadt Graz vom (u.a.) die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung eines Einfamilienwohnhauses sowie von Stützmauern und Einfriedungen auf dem in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Grundstück bewilligt worden. Aus den genehmigten Einreichplänen (Schnitt A-A) gehe hervor, dass oberhalb der Stützmauer im Bereich der Grundgrenze zur S-Straße und zur Zufahrtsstraße hin ein "Maschendrahtzaun" genehmigt worden sei. Für dieses Bauvorhaben sei mit weiterem Bescheid des Stadtsenats der Landeshauptstadt Graz vom die Benützungsbewilligung erteilt worden.

Mit dem Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung sei nicht gleichzeitig um die nachträgliche Bewilligung geringfügiger Abweichungen angesucht worden; insbesondere sei das Feld "Allfällige nicht bewilligungspflichtige Abweichungen" im beigelegten Formular für die Bauführerbescheinigung leer geblieben.

Am habe auf dem Bauplatz eine behördliche Erhebung vor Ort stattgefunden. Dabei sei (u.a.) im Erhebungsbericht angeführt worden, dass die Einfriedung an der Grundgrenze zur S-Straße und nordöstlich davon im rechten Winkel dazu konsenslos mit Nylonnetzen bespannt worden sei.

Zum Berufungsvorbringen, es sei ein 1 m hoher Zaun bewilligt worden und die Nylonbespannung sei davon gedeckt, führte die belangte Behörde aus, die Bewilligung bzw. die bewilligten Pläne wiesen im fraglichen Bereich einen "Maschendrahtzaun" mit 1 m Höhe und nicht bloß einen "Zaun" aus. Nicht ausdrücklich im Gesetz definierte Begriffe seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes primär nach der im Sprachgebrauch üblichen Bedeutung in Verbindung mit grammatikalischen und systematischen Überlegungen auszulegen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bestehe ein Maschendrahtzaun, genannt auch Diagonaldrahtgeflechtzaun, aus Pfosten und Drähten. In definierten Abständen werde ein Pfosten im Boden verankert und Drähte zwischen diesen Pfosten gespannt. Die Dichte der Drähte richte sich dabei nach dem Zweck des Zauns. Eine blickdichte Ausgestaltung (Bespannung oder Verschalung) sei in diesem Begriffsverständnis nicht enthalten. Auch systematische Überlegungen führten zu diesem Ergebnis: Hinsichtlich der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer Einfriedung nach § 11 Stmk BauG 1995 - die Kriterien seien dabei u.a. das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild - mache es sehr wohl einen Unterschied, ob eine Einfriedungsanlage blickdicht oder nicht ausgeführt werden solle, sodass in Anbetracht des im Konsens gebrauchten einschränkenden Begriffs des "Maschendrahtzaunes" die Zulässigkeit einer blickdichten Ausführung nicht anzunehmen sei. Die auftragsgegenständliche Bespannung der Einfriedung finde daher in der erteilten Bewilligung keine Deckung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk BauG 1995) idF LGBl. Nr. 49/2010, lauten (auszugsweise):

"§ 4

Begriffsbestimmungen

Z. 12 Bauliche Anlage (Bauwerk): jede Anlage,

-

zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind,

-

die mit dem Boden in eine Verbindung gebracht wird und

-

die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet ist.

Eine Verbindung mit dem Boden besteht schon

dann, wenn die Anlage

-

durch eigenes Gewicht auf dem Boden ruht oder

-

auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder

-

nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden;

§ 11

Einfriedungen und lebende Zäune

(1) Einfriedungen und lebende Zäune sind so auszuführen bzw. zu erhalten, dass weder das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt noch eine Gefährdung von Personen und Sachen herbeigeführt wird. Einfriedungen dürfen nicht vor der Straßenfluchtlinie errichtet werden.

(2) Die Gemeinden können für das gesamte Gemeindegebiet oder Teile desselben durch Verordnung Gestaltungsregelungen für Einfriedungen und lebende Zäune zum Schutz des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes treffen. Dazu gehören insbesondere Verbote von bestimmten Pflanzengattungen oder Regelungen über die maximal zulässige Höhe von Einfriedungen und lebenden Zäunen.

(3) Bei lebenden Zäunen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bereits bestehen, dürfen nur Regelungen über die Höhe der Zäune getroffen werden.

(4) Bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung ist der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte mit Bescheid zu verpflichten, den gebotenen Zustand herzustellen.

§ 19

Baubewilligungspflichtige Vorhaben

Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus

den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

4. Einfriedungen gegen Nachbargrundstücke oder öffentliche Verkehrsflächen sowie Stützmauern, jeweils ab einer Höhe von mehr als 1,5 m;

§ 20

Anzeigepflichtige Vorhaben

Anzeigepflichtig sind folgende Vorhaben, soweit sich aus § 21

nichts anderes ergibt:

3. Die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von

c) Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen sowie Stützmauern, jeweils bis zu einer Höhe von 1,5 m;

§ 41

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

..."

3.2. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid (nur mehr) in ihrem Recht auf Belassung der ca. 23,5 m langen und ca. 1 m bis ca. 1,2 m hohen Nylonbespannung, verlaufend an der Grundgrenze zur S-Straße, sowie der abgewinkelten, ca. 9,5 m langen Nylonbespannung, verlaufend zur Zufahrtsstraße auf der bestehenden Stützmauer situiert, verletzt. Sie bringen dazu vor, bei den Nylonbespannungen, die lediglich mit Karabinern befestigt seien und daher jederzeit von den Zaunsäulen abgenommen werden könnten, handle es sich "um keine selbständigen und keine oder anzeigepflichtige(n) baulichen Anlagen". Gegenstand eines Beseitigungsauftrages könne nur eine bauliche Anlage sein. Nach der Definition in § 4 Z. 12 Stmk BauG 1995 sei eine bauliche Anlage jede Anlage, zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse erforderlich seien, die mit dem Boden in eine Verbindung gebracht würden und die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet sei. Die Nylonbespannung bilde keine bauliche Einheit mit dem Drahtgitterzaun, weil diese temporär angebracht und entfernbar sei. Es nehme auch niemand an, dass die bei Balkonen üblichen Nylonbespannungen vorweg in ein Bauansuchen aufzunehmen wären. Eine genaue Definition der Bezeichnung "Einfriedung" sei dem Stmk BauG 1995 nicht zu entnehmen. Es sei auch nicht im Sinne des Gesetzgebers, den verschiedenen Ausgestaltungen von Maschendrahtzäunen Einhalt zu gebieten und damit einen landschaftlichen Einheitsbrei von kahlen Maschendrahtzäunen zu erzeugen.

Vielerorts erlangten Maschendrahtzäune auch Blickdichtung "durch Versehung etwa mit einem Vlies, mit Stroh oder aber auch schlichtweg durch das Bewachsen lassen mit Efeu oder anderen Pflanzen". Einfriedungen und lebende Zäune seien nach dem Stmk BauG 1995 lediglich so auszuführen bzw. zu erhalten, dass weder das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt noch eine Gefährdung von Personen und Sachen herbeigeführt werde. Derartige Nylonbespannungen seien in der S-Straße auch bereits mehrfach vorhanden, insofern dies im Bescheid unberücksichtigt bleibe, liege ein Verfahrensmangel vor. Dass durch die gegenständlichen Nylonbespannungen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt werde, werde im Bescheid der belangten Behörde nicht einmal behauptet.

Richtig sei, dass sich im Einreichplan neben der Bezeichnung "Maschendrahtzaun" auch schlichtweg die Bezeichnung "Zaun" befinde, die Beschwerdeführer hätten dem aber keine besondere Bedeutung beigemessen, insbesondere finde sich im Baubescheid kein spezieller Verweis darauf oder eine Auflage, dass der Zaun geradezu als klassischer Maschendrahtzaun auszuführen gewesen wäre oder dass die Einfriedung nicht blickdicht gemacht werden dürfte. Eine Verordnung, die die Art der Einfriedung vorschreibe bzw. beschränke, sei gleichfalls nicht vorhanden.

3.3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:

Der belangten Behörde ist in ihren Ausführungen nicht entgegenzutreten, aus den dem Bewilligungsbescheid vom zugrunde liegenden Plänen gehe deutlich hervor, dass gegenständlich ein "Maschendrahtzaun" genehmigt worden sei. Weder handelt es sich also ganz allgemein um einen Zaun, noch wurde der "Maschendrahtzaun", der jedenfalls für sich nicht blickdicht ist, dahingehend näher beschrieben, dass er mit einer blickdichten Nylonbespannung versehen sei.

Nach § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 ist hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen ein Beseitigungsauftrag zu erlassen. Eine mit Karabinern auf einem Maschendrahtzaun angebrachte blickdichte Nylonbespannung kann schon deshalb (für sich allein) keine bauliche Anlage im Sinne des § 4 Z. 12 Stmk BauG 1995 darstellen, weil zu ihrer Errichtung (Anbringung) keine bautechnischen Kenntnisse erforderlich sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0070) kommt es aber nicht darauf an, ob eine Vorrichtung wie hier die Nylonbespannung für sich als bauliche Anlage zu qualifizieren ist, sondern vielmehr darauf, dass sie Teil einer baulichen Anlage - nämlich eines auf den Stützmauern angebrachten Maschendrahtzaunes - ist, die dadurch geändert wird.

Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass die hier vorgenommene Änderung durch das Anbringen der Nylonbespannung an der konsensbedürftigen Einfriedung ihrerseits konsensbedürftig im Sinne des § 19 Z. 4 bzw. § 20 Abs. 3 lit. c iVm § 11 Abs. 1 Stmk BauG ist, weil sie die Änderung des Orts- und Landschaftsbildes beeinträchtigen kann.

4. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

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BauG Stmk 1995 §11 Abs1;
BauG Stmk 1995 §19 Z4;
BauG Stmk 1995 §20 Abs3 litc;
BauG Stmk 1995 §4 Z12;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten
Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2011060068.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAE-84914