VwGH vom 24.08.2011, 2011/06/0066

VwGH vom 24.08.2011, 2011/06/0066

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde

1. des D K und 2. der K K, beide in M, beide vertreten durch Dr. Arnulf Kracker-Semler und Dr. Horst Kilzer, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Nikolaigasse 27, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 7-B-BRM-1124/1/2011, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde den Beschwerdeführern die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit Garage auf einem Grundstück im Gemeindegebiet erteilt (dieses Grundstück grenzt im Osten an das Grundstück Nr. 685/3). Der unbekämpft gebliebene Bescheid enthält verschiedene Vorschreibungen, darunter Punkt 7:

"Der Baukörper ist höhenmäßig so zu situieren, dass die Darstellungen des natürlichen Geländes in den Einreichunterlagen mit dem Baukörper in der Natur in Übereinstimmung gebracht werden. Anschüttungen und Abtragungen sind in gleicher Weise vorzunehmen. Das Niveau entlang der Parzelle Nr. 685/3, KG …, darf nicht geändert werden. Die Fundamenthöhe ist von der Baubehörde abnehmen zu lassen."

Diese Auflage Punkt 7. beruht auf einer Stellungnahme des Amtssachverständigen in der Bauverhandlung, wobei für die Stellungnahme ein Formblatt verwendet wurde, von dem manche Teile gestrichen, manche adaptiert wie auch handschriftlich ergänzt wurden, nämlich unter anderem, dass das Niveau entlang der Nachbarparzelle nicht geändert werden dürfe.

In der Folge wurden das Haus und die Garage errichtet, wobei aber die höhenmäßige Situierung (Niveau) gemäß der Baubewilligung nicht eingehalten wurde, weil der Erdgeschossfußboden höher zu liegen kam als bewilligt. Über Ansuchen wurde den Beschwerdeführern mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom die nachträgliche baubehördliche Bewilligung "der höhenmäßigen Situierung und Überschreitung der vereinbarten Niveauhöhe mit ca. 60 cm" erteilt.

In weiterer Folge wurde den Beschwerdeführern mit den Bescheiden des Bürgermeisters vom und die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Carports im nördlichen Bereich des Grundstückes erteilt, das sich gemäß den Plänen unmittelbar an der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück befindet.

Mit einer an die Baubehörde gerichteten "Mitteilung gemäß § 7 der K-BO 1996" (Kärntner Bauordnung 1996) vom teilte der Erstbeschwerdeführer unter anderem mit, er beabsichtige, an der Ostseite seines Grundstückes eine maximal 1 m hohe Stützmauer zu errichten. Die Höhe der Stützmauer werde dem Gelände angepasst, wobei die maximale Höhe 1 m betrage. Die Situierung der Stützmauer erfolge von der südöstlichen Grundstücksgrenze bis zum bestehenden Carport und der Garage entlang der Zufahrt (weiteres werde ein weiteres Carport errichtet; anzumerken ist, dass man nach der Aktenlage zum Grundstück sowohl vom Süden als auch vom Norden aus zufahren kann).

Mit Erledigung vom nahm der Bürgermeister die Mitteilung vom unter anderem hinsichtlich der Errichtung der Stützmauer als bewilligungsfreies Vorhaben gemäß § 7 K-BO 1996 zur Kenntnis.

Mit Eingabe vom teilte G. K. (nach der Aktenlage der Eigentümer des östlich angrenzenden Grundstückes Nr. 685/3 - in der Folge kurz: Nachbar) der Baubehörde mit, im Baubewilligungsbescheid vom sei in Punkt 7. der Auflagen festgelegt worden, dass das Niveau entlang zu seinem Grundstück nicht verändert werden dürfe. Das nunmehrige Vorhaben stehe im Widerspruch zu diesem Bescheid.

Am kam es zu einem Ortsaugenschein unter Beiziehung eines Amtssachverständigen. Dieser führte dabei zusammengefasst aus, die Stützmauer sei im direkten Anschluss an den bestehenden Betonzaunsockel (Anm.: an der Grenze) ausgeführt worden und somit zur Gänze auf dem Grund der Beschwerdeführer. Es ergebe sich über eine Länge von 16 m ein maximales Höhenmaß von 94 cm. Somit entspreche diese Mauer der Baumitteilung, weil das Maximalmaß von 1,00 m nicht überschritten werde.

Der Nachbar brachte hiezu in einer Eingabe vom vor, selbst wenn man der Auffassung sein sollte, dass die Errichtung der Mauer für sich allein nur ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 7 K-BO 1996 darstelle, sei die gleichzeitig durchgeführte Anschüttung (Anm.: entlang der Mauer) in jedem Fall eine bescheidwidrige und nicht bewilligte Ausführung eines bewilligungspflichtigen Vorhabens, welches ihn in seinen subjektiv-öffentlichen Rechte verletze.

Ein weiterer Ortsaugenschein am seitens der Baubehörde unter Beiziehung eines Amtssachverständigen ergab, dass die Stützmauer in ihrer Ausführung gemäß der Überprüfung vom nach wie vor Bestand sei. Zwischenzeitig sei im Grenzbereich entlang dieser Stützmauer, beginnend ab dem Carport, eine Niveauveränderung durchgeführt worden, sodass die Stützmauer bis auf ca. 10 cm durchschnittlich unterhalb der Mauerkrone angeschüttet worden sei. Der Sachverständige verwies darauf, dass gemäß dem Baubewilligungsbescheid vom das Niveau entlang des östlichen Nachbargrundstückes nicht verändert werden dürfe. Nun sei es zu einer Anschüttung gekommen. Vor der Errichtung der Stützmauer sei das Gelände im Grenzbereich zum östlichen Grundstück abgeböscht bis auf das Niveau des Nachbargrundstückes vorhanden gewesen.

Der Erstbeschwerdeführer erklärte durch einen Vertreter, eine Anschüttung zum Nachbargrundstück sei nicht erfolgt. Es sei lediglich eine Hinterfüllung der zulässigerweise errichteten Stützmauer erfolgt, sodass der Nachbar in keinen subjektivöffentlichen Rechten verletzt sei. Dieses Vorbringen wurde in einer späteren schriftlichen Stellungnahme näher ausgeführt.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom wurde (ausdrücklich von Amts wegen) den Beschwerdeführern aufgetragen, binnen acht Wochen ab Rechtskraft des Bescheides um die Baubewilligung für die konsenslos ausgeführte Aufschüttung anzusuchen oder innerhalb einer weiteren Frist von acht Wochen den rechtmäßigen Zustand durch Abtragung der näher umschriebenen Anschüttung herzustellen. Zusammengefasst vertrat die Behörde erster Instanz die Auffassung, dass die durch die Anschüttung vorgenommene Niveauveränderung gegen den Punkt 7. der Auflagen im Baubewilligungsbescheid vom verstoße.

Die Beschwerdeführer beriefen.

Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom wurde die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch neu gefasst wurde, und zwar wurde den Beschwerdeführern aufgetragen, innerhalb einer Frist von acht Wochen den rechtmäßigen Zustand, welcher durch die Baubewilligungsbescheide vom und dargestellt werde, herzustellen. "Dies umfasst im Wesentlichen folgende Maßnahmen: Abtragung der Anschüttungen, welche zur mitgeteilten Stützmauer durchgeführt wurden, über die gesamte Länge der errichteten Stützmauer von ca. 16,00 und einer Anschüttungshöhe von ca. 0,90 m bis auf Urniveau".

Die Berufungsbehörde schloss sich der Behörde erster Instanz an, dass die vorgenommene Anschüttung gegen den Punkt 7. der Auflagen im Baubewilligungsbescheid vom verstoße. Allerdings sei der erstinstanzliche Bescheid nicht korrekt gefasst gewesen, weil die im Widerspruch zur Auflage 7. getätigte Anschüttung eine Konsenswidrigkeit zum Bescheid vom in der Fassung des Bescheides vom darstelle, weshalb es nicht zutreffend gewesen sei, die Möglichkeit einzuräumen, nachträglich die Erteilung einer Baubewilligung zu beantragen.

Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Zur Begründung heißt es nach Darstellung des Verwaltungsganges, die Auflage Nr. 7 des Baubewilligungsbescheides vom lege unter anderem fest, dass das Niveau entlang des Nachbargrundstückes nicht geändert werden dürfe. Den mit dem Baubewilligungsbescheid genehmigten Plänen sei zu entnehmen, dass eine Veränderung des Urgeländes durch Anschüttungen projektiert gewesen sei, die durch die Auflage Nr. 7 eine Änderung dahingehend erfahren habe, dass diese Geländeveränderung im Nahebereich der Grundstücksgrenze untersagt worden sei, sodass die Auflage Nr. 7 als projektändernde Auflage zu qualifizieren sei. Die Auffassung der Beschwerdeführer treffe nicht zu, dass mit dem Bescheid vom auch eine Änderung oder Aufhebung dieser Auflage 7. verbunden gewesen sei. Dem Bescheid vom sei vielmehr eindeutig zu entnehmen, dass sich die bewilligte Änderung ausschließlich auf die Änderung des Erdgeschossfußbodenniveaus bezogen habe und keine weiteren Änderungen, insbesondere des Geländes, mit dieser Bewilligung verbunden gewesen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Gemeinde hat über Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes auch die früheren Bauakten vorgelegt (die somit vollständig zur Verfügung stehen; wesentliche Stücke befanden sich allerdings ohnedies in den vorgelegten Verwaltungsakten).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62 (Wiederverlautbarung - K-BO 1996), in der Fassung LGBl. Nr. 16/2009 anzuwenden.

§ 6 K-BO 1996 definiert die baubewilligungspflichtigen Vorhaben.

§ 7 K-BO 1996 lautet auszugsweise:

"§ 7

Bewilligungsfreie Vorhaben, baubehördliche Aufträge

(1) Keiner Baubewilligung bedürfen folgende Vorhaben:

l) die Errichtung, die Änderung und der Abbruch von Stützmauern bis zu 1 m Höhe;

(3) Vorhaben nach Abs 1 lit a bis q müssen den Anforderungen der §§ 13 Abs 2 lit a bis c, 17 Abs 2, 26 und 27 dieses Gesetzes sowie den Kärntner Bauvorschriften und dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan entsprechen, sofern § 14 nicht anderes bestimmt.

(4) Vorhaben nach Abs 1 lit a bis q sind vor dem Beginn ihrer Ausführung der Behörde schriftlich mitzuteilen. Die Mitteilung hat den Ausführungsort einschließlich der Grundstücksnummer und eine kurze Beschreibung des Vorhabens zu enthalten."

§ 23 Abs. 3 K-BO 1996 lautet (Abs. 4 gehört nicht mehr dem Rechtsbestand an):

"(3) Anrainer im Sinn des Abs 2 dürfen gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, daß sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über


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a)
die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;
b)
die Bebauungsweise;
c)
die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;
d)
die Lage des Vorhabens;
e)
die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;
f)
die Bebauungshöhe;
g)
die Brandsicherheit;
h)
den Schutz der Gesundheit der Anrainer;
i)
den Immissionsschutz der Anrainer."
§ 24 leg. cit. regelt das "Vereinfachte Verfahren"; nach lit. h dürfen die Anrainer nur öffentlich-rechtliche Einwendungen im Sinn des § 23 Abs. 3 lit. a bis g. leg. cit. erheben.

"(3) Wird durch eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung eines bewilligungspflichtigen Vorhabens ein subjektivöffentliches Recht eines Anrainers im Sinn des § 23 Abs 3 lit a bis g, des § 23 Abs 4 oder des § 24 lit h verletzt, so hat dieser innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, in dem er bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis von der Ausführung haben mußte, das Recht der Antragstellung auf behördliche Maßnahmen nach den §§ 35 und 36 und anschließend Parteistellung in diesen behördlichen Verfahren.

(4) Abs 3 gilt sinngemäß für Anrainer von Vorhaben nach § 7, die entgegen § 7 Abs 3 ausgeführt werden oder vollendet wurden, ausgenommen Vorhaben nach § 7 Abs 1 lit d."

§ 35 K-BO 1996 betrifft die Baueinstellung.

§ 36 K-BO 1996 lautet auszugsweise:

"§ 36

Herstellung des rechtmäßigen Zustandes

(1) Stellt die Behörde fest, daß Vorhaben nach § 6 ohne Baubewilligung oder abweichend von der Baubewilligung ausgeführt werden oder vollendet wurden, so hat sie - unbeschadet des § 35 - dem Inhaber der Baubewilligung, bei Bauführungen ohne Baubewilligung dem Grundeigentümer, mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, darf nicht eingeräumt werden, wenn der Flächenwidmungsplan - ausgenommen in den Fällen des § 14 - oder der Bebauungsplan der Erteilung einer Baubewilligung entgegensteht.

(2) …

(3) Stellt die Behörde fest, daß Vorhaben nach § 7 entgegen § 7 Abs 3 ausgeführt werden oder vollendet wurden, so hat sie dem Grundeigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist mit Bescheid aufzutragen."

Im Beschwerdefall geht es um einen vom Amts wegen erlassenen baupolizeilichen Auftrag, die Anschüttungen entlang der Stützmauer zu beseitigen. Die Rechtmäßigkeit der Stützmauer wurde nicht in Frage gestellt.

§ 34 Abs. 3 und 4 K-BO 1996 räumt einem Nachbarn unter näher bezeichneten Voraussetzungen das Recht ein, die Erlassung baupolizeilicher Aufträge im Sinne der §§ 35 und 36 K-BO 1996 zu beantragen. Im Beschwerdefall lassen sich die vorgenommenen Anschüttungen, die beseitigt werden sollen, keiner der in § 34 Abs. 3 leg. cit aufgezählten Bestimmungen subsumieren, sodass dem Nachbarn kein Antragsrecht zukam; zutreffend wurde daher erkannt, dass ein Beseitigungsauftrag, wie er hier erteilt wurde, nur von Amts wegen ergehen durfte; dem Nachbarn kam daher im diesbezüglichen Bauauftragsverfahren keine Parteistellung zu.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben angenommen, dass die Anschüttung angesichts des strittigen Teiles des Auflagenpunktes 7 des Baubewilligungsbescheides vom unzulässig sei. Nun wurde aber das Haus nicht gemäß dieser Baubewilligung errichtet; die spätere Bewilligung vom stellt sich im Beschwerdefall als neue tatsächlich konsumierte Baubewilligung dar, die diese belastende Auflage nicht enthält. Das ist im Beschwerdefall maßgeblich.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben daher zu Unrecht den angenommenen Verstoß gegen den mehrfach wiedergegebenen Teil der Auflage 7. des Baubewilligungsbescheides vom als Grundlage für den Beseitigungsauftrag herangezogen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am