VwGH vom 24.08.2011, 2011/06/0062
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des K W in E, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Dr. Christian Ransmayr, Mag. Christian Kieberger und Mag. Roland Schwab, Rechtsanwälte in 4320 Perg, Linzer Straße 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-SL-35/009-2007, betreffend Enteignung und Grundinanspruchnahme nach dem Niederösterreichischen Straßengesetz 1999 (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, Abteilung Landesstraßenbau, 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei bei der belangten Behörde die Enteignung jeweils näher angeführter Grundstücke bzw. Anteilen von Grundstücken des Beschwerdeführers. Diese seien zur Realisierung der Landesstraße B 123, Baulos "Umfahrung Pyburg-Wimpassing", erforderlich. Für die abzutretenden Grundflächen sei eine Ablöseentschädigung in der Höhe von EUR 183.470,03 (inklusive Wiederbeschaffungskosten) angeboten worden, hinsichtlich der Liegenschaftsanteile eine solche von EUR 975,87.
Im Akt befinden sich Entwürfe entsprechender Übereinkommen über die Grundeinlösung.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer über den Enteignungsantrag in Kenntnis gesetzt. Darin wurde ausgeführt, er habe einer gütlichen Grundeinlöse nicht zugestimmt, weshalb das Enteignungsverfahren anhängig gemacht worden sei. Zwecks örtlicher Besichtigung zur Ermittlung des Schätzwertes würden in nächster Zeit Sachverständige mit ihm das Einvernehmen herstellen.
Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Bewilligung der belangten Behörde, dass näher genannte Grundstücke des Beschwerdeführers für drei Jahre ab Baubeginn zur vorübergehenden Humuslagerung verwendet werden dürfen.
Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gegen die Enteignung.
Am fand die Enteignungsverhandlung statt. Dabei waren im Wesentlichen die Einwendungen des Beschwerdeführers und Ausführungen diverser Amtssachverständiger zum Straßenbauprojekt und zur Entschädigung gegenständlich. Nach dem Verhandlungsprotokoll wurde von der Verhandlungsleiterin ein Versuch unternommen, auf Basis des vorliegenden Schätzgutachtens eine gütliche Einigung zwischen den Verfahrensparteien zustande zu bringen. Der Vertreter des Beschwerdeführers nahm das Angebot nicht an, würde aber eine weitere Verhandlungsführung nicht ausschließen, wenn von Seiten der antragstellenden Partei verbesserte Angebote vorab übermittelt würden. Der Vertreter der Antragstellerin gab dazu zu Protokoll, diese Fragestellung müsse mit dem Abteilungsleiter abgeklärt werden. Eine Erklärung dazu erfolge schriftlich. Im Protokoll ist ferner festgehalten, dass bei der letzten allgemeinen Bürgerinformation über das Projekt mitgeteilt worden sei, dass in absehbarer Zeit mit den Grundeinlösungen begonnen werde. Daraufhin seien die Grundeigentümer zu zwei Grundeinlösungsverhandlungen auf das Gemeindeamt eingeladen worden. Bei diesen Terminen seien die Sachverständigen für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Bauwesen anwesend gewesen, und es sei die grundsätzliche Vorgangsweise der Abwicklung der Grundeinlösung erläutert worden, weiters sei von den Sachverständigen dargelegt worden, wie sie die Grundpreise und Nebenentschädigungen ermittelt hätten. Ebenso sei bei beiden Terminen versucht worden, mit jedem der Grundeigentümer ein Einzelgespräch speziell über die Grundeinlösung der von ihm benötigten Teilflächen und die Entschädigung zu führen oder einen neuerlichen Gesprächstermin zu vereinbaren. Einige Eigentümer hätten an beiden Verhandlungen kommentarlos nicht teilgenommen, daher sei ihnen ein gütliches Grundeinlösungsübereinkommen mit der Post übermittelt worden, das von wenigen Grundeigentümern angenommen worden sei, von den meisten sei jedoch keine Reaktion erfolgt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurden die beantragte Enteignung sowie die Grundinanspruchnahme bewilligt (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde die Höhe der dem Beschwerdeführer zustehenden Entschädigung für die dauerhafte und vorübergehende Grundinanspruchnahme mit insgesamt EUR 177.622,98 festgesetzt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Verlauf der B 123 sei im Niederösterreichischen Landesstraßenverzeichnis verordnet, und zwar auch hinsichtlich des betreffenden Teilstückes der Umfahrung Pyburg-Wimpassing. Mit Bescheid vom habe die Bezirkshauptmannschaft Amstetten dem Land Niederösterreich die straßenbaurechtliche Bewilligung gemäß § 12 Niederösterreichisches Straßengesetz 1999 für die Umfahrung Pyburg-Wimpassing erteilt. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung sei mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen worden. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers habe der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zl. B 379/07, abgelehnt. Hinsichtlich der Grundeinlösungsverhandlungen verwies die belangte Behörde auf die oben wiedergegebenen Ausführungen des Vertreters der Enteignungswerberin im Protokoll über die Enteignungsverhandlung. Den Einwendungen des Beschwerdeführers betreffend die Entziehung der Existenzgrundlage und das Abwägungsgebot, den Widerspruch zu den Zielen des Niederösterreichischen Grundverkehrsgesetzes 2007, der Nichteinbeziehung der Mauthausener Brücke in die Trasse im Sinne eines länderübergreifenden Großraumverkehrskonzeptes, der Subsidiarität und zum Verlauf der Trasse über Gründe der E-GmbH, zur Wirtschaftlichkeit des Straßenbauprojektes und zur Humusablagerung wurde von der belangten Behörde mit näherer Begründung nicht Folge gegeben. In der Bescheidbegründung legte die belangte Behörde auch dar, wie in der Enteignungsverhandlung vom Vertreter der Enteignungswerberin ausgeführt worden sei, sei ein gütliches Übereinkommen mit dem Beschwerdeführer vor dem Enteignungsantrag bzw. der Enteignungsverhandlung nicht abzuschließen gewesen und der Beschwerdeführer habe das Angebot der Enteignungswerberin, die zur Enteignung beantragten Teilflächen zu den in den Bewertungsgutachten ermittelten Werten zu übereignen, in der Enteignungsverhandlung und auch danach nicht angenommen. Die Grundstücke seien demgemäß nicht anders als durch Enteignung zu erhalten.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid (inhaltlich nur gegen Spruchpunkt I) gerichteten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 700/08-9, abgelehnt. Mit dem genannten Beschluss hat er weiters die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In seiner auftragsgemäß ergänzten Beschwerde sieht sich der Beschwerdeführer darin verletzt, entgegen den Bestimmungen des Niederösterreichischen Straßengesetzes 1999, insbesondere dessen § 11, enteignet zu werden. Ebenso sieht er sich im Recht auf Parteiengehör verletzt. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Enteignungen für das Projekt "Umfahrung Pyburg-Wimpassing" waren bereits Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2010/06/0016 und 0017. Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Grundsatz der Subsidiarität der Enteignung im Hinblick auf (im weiteren Sinn) landeseigen vorhandene Grundstücke, auf die Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit der bewilligten Straßenvariante, auf die Zurverfügungstellung einer Bewertungsmatrix in diesem Zusammenhang, auf die Wirtschaftlichkeit der Humuslagerungen und auf die Frage seiner konkreten Einkommenseinbußen und Auswirkungen der Enteignung bezieht, gleicht der Beschwerdefall hinsichtlich Sachverhalt und Rechtslage jenem, der mit dem genannten hg. Erkenntnis vom entschieden worden ist. Insoweit wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Der Beschwerdeführer bringt darüber hinaus auch vor, dass die Zwangsmaßnahme einer Enteignung nur als ultima ratio verfügt werden dürfe, wenn das Vorhaben auf andere Weise als durch Enteignung nicht verwirklicht werden könne. Daraus sei konsequenterweise eine Verhandlungspflicht zwischen dem Enteignungswerber und dem zu Enteignenden abzuleiten. Es sei zwar richtig, dass die Enteignungswerberin dem Beschwerdeführer ein Grundeinlöseangebot unterbreitet habe. Anlässlich der mündlichen Verhandlung habe die Verhandlungsleiterin einen gütlichen Einigungsversuch vorgenommen. Im Rahmen dessen habe der Beschwerdeführer ein konkretes Verhandlungsangebot positioniert, zu dem sich der Vertreter der Enteignungswerberin noch gesondert und schriftlich habe äußern wollen. Entgegen dieser Zusage habe sich die Enteignungswerberin allerdings niemals geäußert und auch mit dem Beschwerdeführer keinen weiteren Kontakt aufgenommen. Die vom Beschwerdeführer initiierte Verhandlungsführung habe die Enteignungswerberin einseitig und ohne weitere Begründung trotz gegenteiliger Ankünd i gung schlicht abgebrochen. Von einem ernsthaften Verhandlungsbemühen seitens der Enteignungswerberin könne daher nicht gesprochen werden. Im öffentlichen Interesse und in diesem Sinne erforderlich sei eine Enteignung aber nur dann, wenn ernsthafte Bemühungen des Enteignungswerbers zur Grundeinlösung misslungen seien. Es wäre den Verfahrensparteien Gelegenheit zur Verhandlungsführung zu geben gewesen, das einseitige Ablehnen von Verhandlungen seitens der Enteignungswerberin hätte zur Abweisung des Enteignungsantrages führen müssen.
Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass auch ohne ausdrücklich gesetzlich statuierte Verhandlungspflicht eine Enteignung nur dann notwendig und erforderlich und somit im öffentlichen Interesse im Sinne der Bundesverfassung gelegen ist, wenn der Grundstückseigentümer ein angemessenes Kaufangebot oder die privatrechtliche Einräumung entsprechender Rechte abgelehnt hat. Im öffentlichen Interesse gelegen und in diesem Sinn erforderlich ist eine Enteignung nur dann, wenn ernsthafte Bemühungen des Enteignungswerbers misslungen sind, das für einen öffentlichen Zweck benötigte Grundstück oder Nutzungsrecht zu angemessenen Bedingungen zu erwerben. Derartige ernsthafte Bemühungen stellen sohin eine von der Enteignungsbehörde zu prüfende Bedingung der Zulässigkeit einer Enteignung dar (vgl. dazu das auch vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg.Nr. 13.579).
Im vorliegenden Fall hat allerdings die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides auf ein im Akt liegendes Angebot verwiesen, nach dem dem Beschwerdeführer ein sogar über dem im späteren Enteignungsverfahren festgestellten Wert der enteigneten Flächen gelegenes Angebot zur Grundeinlösung unterbreitet worden ist. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dieses Angebot nicht angenommen zu haben. Damit hat er aber im Ergebnis ein angemessenes, ihm unterbreitetes Kaufangebot abgelehnt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 18.890), weshalb entgegen dem Beschwerdevorbringen die belangte Behörde rechtens davon ausgehen konnte, dass das Straßenbauvorhaben nur durch Enteignung verwirklicht werden könne.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am