VwGH vom 24.09.2008, 2006/15/0101

VwGH vom 24.09.2008, 2006/15/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des U E in E, vertreten durch Kriftner & Partner Rechtsanwälte KEG in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0963-L/05, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim beschwerdeführenden Sportverein (in der Folge: Beschwerdeführer) wurde eine Betriebsprüfung hinsichtlich der Jahre 1998 bis 2002 durchgeführt. Dem Ergebnis der Betriebsprüfung folgend nahm das Finanzamt die Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer der Jahre 1998 bis 2002 wieder auf und erließ neue - unangefochten in Rechtskraft erwachsene - Sachbescheide, mit denen Umsatzsteuer in Höhe von EUR 18.593,17 und Körperschaftsteuer in Höhe von EUR 18.452,45 vorgeschrieben wurde.

Mit Schriftsatz vom gab der Beschwerdeführer bekannt, dass vom aktuellen Rückstand von EUR 36.987,63 der Betrag von EUR 3.987,63 bezahlt, für einen Teil des verbleibenden Rückstandes von EUR 15.000,-- die Gewährung einer Ratenzahlung beantragt und für den restlichen Betrag von EUR 18.000,-- ein Nachsichtsansuchen gestellt werde. Im Nachsichtsansuchen gleichen Datums führte der Beschwerdeführer aus, die Belastung auf Grund der Betriebsprüfung resultiere aus kalkulatorischen Differenzen und aus dem fehlenden Erlös auf Grund der Einnahmen der Ehrenkarten. Die kalkulatorischen Differenzen stammten aus dem Zeltfest. Die Abwicklung des Zeltfestes sei mit ehrenamtlichen Helfern ohne geschultes Personal erfolgt, sodass offensichtlich nicht jener Erlös in die Kassen gekommen sei, der rechnerisch erzielbar wäre. Bei den Ehrenkarten sei in wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein "Spendencharakter" anzunehmen. Der weitere Fehler habe darin bestanden, dass diese Spenden als Teil des Zeltfestes in der Buchhaltung erfasst worden seien und nicht beim Sportverein, wo sie eigentlich hingehörten.

Mit der Nachforderung von rund EUR 37.000,-- befinde sich der Verein "mitten in einem finanziellen Debakel". Das Sportvereinskonto und das Gastronomiekonto seien negativ. Mit Kreditaufnahme und Ratenzahlungsvereinbarungen werde es möglich sein, etwa die Hälfte des Betrages während des Jahres 2005 aufzubringen. In der Folge würden dann viele Feste stattfinden, damit das finanzielle Gleichgewicht wieder gefunden werde. Die Nachsicht in Höhe des Betrages, der aufgebracht werde, könnte es dem Beschwerdeführer ermöglichen, weiter zu bestehen.

Die Unbilligkeit lasse sich an zwei Punkten erkennen, nämlich an der nach wie vor bestehenden Unsicherheit bei der Interpretation der Ehrenkarten und an der Frage, ob die Kausalität zwischen Sportveranstaltung und Fest gegeben sei. Der "unversteuerte" Erlös sei nicht entnommen oder ausgeschüttet, sondern wiederum für gemeinnützige Zwecke im Rahmen des Sportvereines verwendet worden. Weil eben diese Einnahmequelle bestanden habe, sei keine Subvention über Land oder Gemeinden (Sportstättenfonds) beantragt worden. Wenn jetzt die Nachzahlung erfolge, dann würden zukünftige Investitionen nicht mehr aus eigenem Geld, sondern über Subventionen der öffentlichen Hand bzw. dem Dachverband Union über Sporttotomittel finanziert werden.

Die zweite Hälfte der Steuerschuld werde fremdfinanziert und im Rahmen des gestellten Ratenansuchens zurückgezahlt. Ein verfügbares veräußerbares Vereinsvermögen sei nicht vorhanden.

Das Finanzamt wies mit Bescheid vom das Nachsichtsansuchen ab. Dem Ansuchen könnten keinerlei konkrete Hinweise entnommen werden, aus denen sich die Unbilligkeit ergebe.

In der Berufung führte der Beschwerdeführer aus, auf das Nachsichtsansuchen selbst solle nicht mehr eingegangen werden, sondern sollten nur die Motive dargestellt werden, warum es zu einem solchen überhaupt gekommen sei. Aus Sicht des Beschwerdeführers seien im Verfahren auf Grund unrichtiger Interpretation des Sachverhaltes alle Spenden als Entgelt für eine steuerpflichtige Veranstaltung angesehen worden. Die Gleichung, Spende sei gleich Entgelt, sei nicht zutreffend, was - aus weiteren Gründen - vielleicht erkennbar sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach ausführlicher Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte sie im Erwägungsteil nach der Wiedergabe der Rechtslage und Rechtssätzen aus der Judikatur aus, es sei Sache des Beschwerdeführers gewesen, konkret darzulegen, weshalb die Einhebung der gegenständlichen Abgaben seine Existenz gefährde. Er habe lediglich behauptet, mit der Nachforderung von rund EUR 37.000,-- befinde er sich "mitten in einem finanziellen Debakel". Das Sportvereinskonto und das Gastronomiekonto seien negativ. Mit Kreditaufnahme und Ratenzahlungen wäre es möglich, etwa die Hälfte des Betrages während des Jahres 2005 aufzubringen. Der Beschwerdeführer habe aber auch ausgeführt, dass bei Entrichtung der Nachzahlung zukünftige Investitionen nicht mehr aus eigenem Geld, sondern über Subventionen der öffentlichen Hand und des Dachverbandes Union über Sporttotomittel finanziert werden müssten. Damit lege der Beschwerdeführer dar, dass von einer Existenzgefährdung keine Rede sein könne. Vielmehr werde die Möglichkeit aufgezeigt, wie der Bestand künftig finanziert werden könne, indem nämlich künftig Subventionen in Anspruch genommen werden müssten. Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers werde der Eindruck gewonnen, dass dies ohne jegliche Schwierigkeiten möglich sei. Schließlich sei noch ausgeführt worden, dass künftig viele Feste stattfinden würden, um das finanzielle Gleichgewicht wieder zu finden. Wenn man nun davon ausgehe, dass die nötigen Investitionen mit Subventionen abgedeckt werden könnten, so würden bei Veranstaltung weiterer Feste finanzielle Mittel frei werden, die zur Begleichung der Abgabenschulden herangezogen werden könnten. Weiters sei dargelegt worden, dass für eine Teilzahlung der Obmann und der Kassier die persönliche Haftung für eine Krediteinräumung übernommen hätten. Diese würden sich nicht im Stande sehen, weitere Haftungen einzugehen. Es sei jedoch nicht dargelegt worden, wie hoch der eingeräumte Kreditrahmen sei und ob andere Funktionäre bereit wären, eine Haftung zu übernehmen und ob andere Gläubiger zu einem Schuldnachlass bereit seien. Die Ausführungen des Beschwerdeführers seien daher nicht geeignet, eine persönlich bedingte Unbilligkeit darzutun.

Nach Wiedergabe von Rechtssätzen aus der Judikatur zu den Voraussetzungen einer sachlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung führte die belangte Behörde weiters aus, eine Nachsicht diene nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen. Die im Verfahren angesprochene rechtliche Qualifizierung der Erlöse aus dem Verkauf der Ehrenkarten sei ein Problem der Abgabenfestsetzung.

Die Behauptung, das Zeltfest sei mit ehrenamtlichen Helfern abgewickelt worden, möge zwar eine Erklärung dafür sein, dass es zu Fehlaufzeichnungen und damit zu unrichtigen Abgabenberechnungen gekommen sei. Dies sei jedoch nicht geeignet, die Abgabeneinhebung als unbillig erscheinen zu lassen.

In der Einhebung der gegenständlichen Abgaben sei daher weder eine persönlich noch sachlich bedingte Unbilligkeit zu erblicken. Für eine Ermessensentscheidung sei somit kein Raum mehr.

Selbst wenn eine Ermessensentscheidung stattzufinden hätte, sei die "Nachsichtswürdigkeit des Beschwerdeführers" zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer habe eindeutig wiederholt gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen. Es sei im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellt worden, dass die Aufzeichnungen nicht ordnungsgemäß im Sinne der Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes 1994 und der BAO geführt worden seien. Bereits anlässlich der letzten abgabenrechtlichen Prüfung im Jahr 1998 seien diesbezüglich schwere Ordnungsmängel festgestellt worden. Die Nachlässigkeit im Bezug auf die abgabenrechtlichen Pflichten habe zu einer Häufung der Abgabenschuld geführt. Hiezu komme, dass die Abgabenbehörde im Jahr 1998 bereits einem außergerichtlichen Ausgleich zugestimmt habe, bei dem 60 % der damals aushaftenden Abgaben (S 476.254,66) gelöscht worden seien.

Unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit im Sinn des § 20 BAO sei auch die Gleichbehandlung von Abgabepflichtigen, somit keine Benachteiligung ehrlicher Steuerschuldner durch Bevorzugung unehrlicher, zu berücksichtigen. Aus diesen Gründen wäre der begehrten Nachsicht auch im Rahmen einer allfälligen Ermessensentscheidung ein Erfolg zu versagen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in dieser Bestimmung vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.

Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht aus "persönlichen" Gründen nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgaben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Liegenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom , 2004/15/0150 und 2006/15/0259, und vom , 2007/13/0086).

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften lediglich geltend, die belangte Behörde hätte von einer persönlich bedingten Unbilligkeit ausgehen müssen. Die Einhebung der gesamten Nachforderung stelle eine existenzielle Bedrohung dar. Sämtliche Konten seien negativ, verwertbares Vermögen sei nicht vorhanden. Zirka die Hälfte der Gesamtnachforderung sei durch Aufnahme von Krediten der Funktionäre und durch Ratenzahlungen des Beschwerdeführers beglichen worden. Das Eingehen weiterer persönlicher Haftungen sei nicht zumutbar. Bei Vornahme von Ermittlungen zur Vermögenssituation des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde die desaströse finanzielle Situation feststellen können.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren - in der Beschwerde unbekämpft - festgestellt, dass bei Entrichtung der Nachforderung zukünftige Investitionen über Subventionen der öffentlichen Hand, die ohne Schwierigkeiten zu erlangen seien, und den Dachverband Union finanziert werden müssten. Künftig würden viele Feste stattfinden, um das finanzielle Gleichgewicht wieder zu finden.

Wenn die belangte Behörde daraus geschlossen hat, dass der beschwerdeführende Verein in seiner Existenz durch die Abgabeneinhebung nicht gefährdet werde, ist darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken. Die Voraussetzungen einer persönlich bedingten Unbilligkeit im oben dargelegten Sinn konnte die belangte Behörde somit zutreffend verneinen.

Der Beschwerde gelingt es nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am