VwGH vom 11.01.2012, 2011/06/0038
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail, den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der V S in G, vertreten durch die Rechtsanwaltsgesellschaft Hohenberg Strauss Buchbauer in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Graz vom , Zl. GZ 022106/2010-4, betreffend Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Steiermärkisches Baugesetz (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung, Landhausgasse 7, 8010 Graz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) der Auftrag erteilt, die auf einem näher bezeichneten Grundstück in Graz errichtete bauliche Anlage, nämlich den um 1,8 m verlängerten Balkon an der nordwestlichen Gebäudeseite des Hauses angrenzend vom nordwestlichen Balkon in Richtung Nordwesten, samt dem ca. 1,5 m langen Querträger sowie der ca. 1,8 m langen und ca. 1,5 m breiten Holzpfostenverplankung, der Untersichtverschalung und dem um ca. 1,8 m verlängerten Balkongeländer binnen drei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Die bauliche Anlage sei ohne baubehördliche Genehmigung errichtet worden, obwohl sie gemäß § 19 Abs. 1 Stmk. BauG grundsätzlich bewilligungspflichtig gewesen wäre. Daher sei ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 Stmk. BauG ein Beseitigungsauftrag zu erlassen gewesen.
Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin, eine Miteigentümerin (Wohnungseigentümerin) der gegenständlichen Liegenschaft, gegen diesen Bescheid Berufung und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die zu beseitigende Anlage von einem Dritten errichtet worden sei und dieser bereits im Jahr 2006 um Bewilligung des Balkons angesucht habe. Tatsächlich sei der Balkon jedoch im Einreichplan nicht richtig eingezeichnet worden, was von den Planenden übersehen worden sei. Der Balkon hätte so, wie er sich nun in der Natur darstelle, zur Genehmigung vorgelegt werden müssen.
(Dazu ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dass mit Bescheid vom die Bewilligung für den Balkon - wie im Einreichplan eingezeichnet und somit ohne den zur Beseitigung aufgetragenen Teil - erteilt wurde.)
Laut Berufungsvorbringen habe die Beschwerdeführerin die Wohnung am so, wie sie sich nunmehr darstelle, übernommen und keinerlei eigenmächtige Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen. Sie sei davon ausgegangen, dass für die Wohnhausanlage sämtliche Baubewilligungen vorlägen. Auch wenn es letztlich nicht zu einer Bewilligung im Sinn des § 22 Stmk. BauG gekommen sei, lägen keinerlei Gründe für die Versagung der Bewilligung der Balkonanlage vor. Die Beschwerdeführerin habe sich bereits bemüht, eine nachträgliche Genehmigung der Balkonanlage zu erwirken.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde aus, bei einer Erhebung vor Ort am sei festgestellt worden, dass der Balkon - im angefochtenen Bescheid detailliert dargestellt - entgegen der Bewilligung vom größer gebaut worden sei.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 41 Abs. 3 Stmk. BauG aus, Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie umfassende Sanierungen seien gemäß § 19 Z 1 Stmk. BauG bewilligungspflichtig, sofern sich aus den §§ 20 und 21 nichts anderes ergebe. Gemäß § 2 Z 1 Stmk. BauG (gemeint wohl: § 21 Abs. 2 Z 1 Stmk. BauG) sei der Umbau einer baulichen Anlage oder Wohnung, der keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirke, bewilligungsfrei. In weiterer Folge führte die belangte Behörde aus, was gemäß § 4 Z 56 Stmk. BauG unter einem Umbau zu verstehen sei, dass die konsenswidrig vorgenommene Vergrößerung des Balkons Auswirkungen auf das äußere Erscheinungsbild habe, weil dadurch die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert werde, und somit einen bewilligungspflichtigen Umbau im Sinn dieser Bestimmungen darstelle. Der Beseitigungsauftrag der erstinstanzlichen Behörde sei somit zu Recht ergangen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die Beschwerdeführerin habe nicht eigenmächtig Änderungen vorgenommen, sondern von der Wohnungseigentumsorganisation jene bauliche Anlage erworben, wie sie sich heute darstelle, somit unter Einschluss des zur Beseitigung beauftragten Teils des Balkons. Dieser sei nicht konsenswidrig errichtet worden; er stelle keinen "bewilligungspflichtigen Umbau" dar, sondern vielmehr einen Zubau im Sinn des § 4 Z 61 Stmk. BauG, der gemäß § 21 Abs. 1 Z 3 Stmk. BauG bewilligungsfrei sei, weil es sich dabei um einen kleineren Zubau im Bauland handle, der mit den in Z 2 angeführten Anlagen und Errichtungen hinsichtlich Größe und Auswirkungen auf die Nachbarn vergleichbar sei. Die Balkonverlängerung sei daher nicht vorschriftswidrig, weil sie baubewilligungsfrei sei und auch keine Bau- und Raumordnungsvorschriften verletze.
Im Beschwerdefall sind die § 4 Z 56, Z 61, § 19, § 21 Abs. 1 sowie § 41 Abs. 1 und Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003 maßgebend.
"§ 4
Begriffsbestimmungen
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1. | ….. |
56. | Umbau: die Umgestaltung des Inneren oder Äußeren einer bestehenden baulichen Anlage, die die äußeren Abmessungen nicht verändert, jedoch geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (z.B. Brandschutz, Standsicherheit, äußeres Erscheinungsbild), bei überwiegender Erhaltung der Bausubstanz; |
57. | ….. |
61. | Zubau: die Vergrößerung einer bestehenden baulichen Anlage der Höhe, Länge oder Breite nach bis zur Verdoppelung der bisherigen Geschoßflächen; |
62. | …. |
§ 19 | |
Baubewilligungspflichtige Vorhaben Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus | |
den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt: | |
1. | Neu- , Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie umfassende Sanierungen; |
2. | Nutzungsänderungen, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Hygiene, die Sicherheit von baulichen Anlagen oder deren Teilen von Einfluß sein können oder die Nachbarrechte berühren oder wenn Bestimmungen des jeweils geltenden Raumordnungsgesetzes, des Flächenwidmungsplanes, des Bebauungsplanes oder der Bebauungsrichtlinien berührt werden können; |
3. | die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Abstellflächen für Kraftfahrzeuge, Garagen und Nebenanlagen; |
4. | Einfriedungen gegen Nachbargrundstücke oder öffentliche Verkehrsflächen sowie Stützmauern, jeweils ab einer Höhe von mehr als 1,5 m; |
5. | Veränderungen des natürlichen Geländes von nach dem Flächenwidmungsplan im Bauland gelegenen Grundflächen sowie von im Freiland gelegenen Grundflächen, die an das Bauland angrenzen; |
6. | die länger als drei Tage dauernde Aufstellung von Fahrzeugen und anderen transportablen Einrichtungen, die zum Aufenthalt oder Nächtigen von Personen geeignet sind, wie insbesondere Wohnwagen, Mobilheime und Wohncontainer, außerhalb von öffentlichen Verkehrsflächen, Abstellflächen oder Garagen; |
7. | der Abbruch von Gebäuden, ausgenommen Nebengebäude. |
§ 21 | |
Baubewilligungsfreie Vorhaben |
(1) Zu den bewilligungsfreien Vorhaben gehört die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von:
1. Nebengebäuden (mit Ausnahme von Garagen), landesüblichen Zäunen, Folientunnel, Hagelnetzanlagen, Flachsilos, Beregnungsanlagen u.dgl., jeweils nur im Rahmen der Land und Forstwirtschaft, sofern keine Nachbarrechte im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 1 und 2 berührt werden;
2. kleineren baulichen Anlagen, wie insbesondere a) für die Verwertung (Kompostierung) von biogenem Abfall im Sinne des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes; wie insbesondere Kleinkompostieranlagen für Gebäude mit nicht mehr als sechs Wohnungen; b) Abstellflächen für höchstens fünf Kraftfahrräder oder höchstens zwei Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3500 kg einschließlich der erforderlichen Zu und Abfahrten, Fahrradabstellanlagen sowie Schutzdächer (Flugdächer) mit einer überdeckten Fläche von insgesamt höchstens 40 m2, auch wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden; c) Skulpturen und Zierbrunnenanlagen bis zu einer Höhe von 3,0 m inklusive Sockel, kleineren sakralen Bauten sowie Gipfelkreuzen; d) Wasserbecken bis zu insgesamt 100 m3 Rauminhalt, Saisonspeichern für solare Raumheizung und Brunnenanlagen; e) luftgetragenen Überdachungen bis zu insgesamt 100 m2 Grundfläche; f) Pergolen bis zu einer bebauten Fläche von 40 m2, Klapotetzen, Maibäumen, Fahnen und Teppichstangen, Jagdsitzen sowie Kinderspielgeräten; g) Gerätehütten im Bauland bis zu einer Gesamtfläche von insgesamt 40 m2; h) Gewächshäusern bis zu 3,0 m Firsthöhe und bis zu einer Gesamtfläche von insgesamt 40 m2; i) Solar und Parabolanlagen sowie Hausantennenempfangsanlagen im Privatbereich; Mikrozellen zur Versorgung von Geländeflächen mit einem Durchmesser von 100 m bis 1 km und Picozellen für Mobilfunkanlagen zur Versorgung von Geländeflächen mit einem Durchmesser bis 100 m, samt Trag und Befestigungseinrichtungen; j) Telefonzellen und Wartehäuschen für öffentliche Verkehrsmittel; k) Stützmauern bis zu einer Höhe von 50 cm über dem angrenzenden natürlichen Gelände; l) Loggiaverglasungen einschließlich der erforderlichen Rahmenkonstruktion;
3. kleineren baulichen Anlagen und kleineren Zubauten, jeweils im Bauland, soweit sie mit den in Z. 2 angeführten Anlagen und Einrichtungen hinsichtlich Größe und Auswirkungen auf die Nachbarn vergleichbar sind;
4. Baustelleneinrichtungen, einschließlich der zum vorübergehenden Aufenthalt dienenden Unterstände;
5. Feuerungsanlagen für feste und flüssige Brennstoffe bis zu einer Nennheizleistung von 8,0 kW, sofern Nachweise über das ordnungsgemäße Inverkehrbringen im Sinne des Steiermärkischen Feuerungsanlagengesetzes, LGBl. Nr. 73/2001, vorliegen;
5a. Gasanlagen, die keiner Bewilligungspflicht nach dem Steiermärkischen Gasgesetz unterliegen, Feuerungsanlagen jedoch nur dann, wenn Nachweise über das ordnungsgemäße Inverkehrbringen im Sinne des Steiermärkischen Feuerungsanlagengesetzes, LGBl. Nr. 73/2001 und der Gasgeräte Sicherheitsverordnung, BGBl. Nr. 430/1994, vorliegen, sonstige Gasgeräte, die keine Feuerungsanlagen sind, jedoch nur dann, wenn Nachweise über das ordnungsgemäße Inverkehrbringen im Sinne der Gasgeräte Sicherheitsverordnung, BGBl. Nr. 430/1994, vorliegen;
6. Werbe und Ankündigungsreinrichtungen von Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung für die Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper oder zu den satzungsgebenden Organen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung, für die Wahl des Bundespräsidenten oder für Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen auf Grund landes oder bundesgesetzlicher Vorschriften beteiligen, innerhalb von sechs Wochen vor dem Wahltag oder dem Tag der Volksabstimmung, der Volksbefragung oder des Volksbegehrens bis spätestens zwei Wochen danach.
(2) …..
§ 41
Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
(1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn
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1. | bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung, |
2. | anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder |
3. | baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes ausgeführt werden. |
(2) …..
(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.
(4) …."
Der Beschwerde ist zunächst zuzustimmen, dass es sich bei dem gegenständlichen, größer ausgeführten Teil des bewilligten Balkons nicht um einen Umbau im Sinn des § 4 Z 56 Stmk. BauG, sondern um einen Zubau im Sinn der Z 61 leg. cit. handelt, weil dadurch die Höhe, Länge oder Breite der baulichen Anlage vergrößert wird (vgl. dazu Hauer/Trippl , Steiermärkisches Baurecht4, § 4 Anmerkung 79).
Soweit die Beschwerde jedoch davon ausgeht, bei der zur Beseitigung beauftragten baulichen Anlage handle es sich um ein bewilligungsfreies Vorhaben im Sinn des § 21 Abs. 1 Z 3 Stmk. BauG, kann ihr nicht gefolgt werden. Es ist nämlich nicht ersichtlich - und wurde in der Beschwerde auch nicht ausgeführt - mit welcher der in § 21 Abs. 1 Z 2 Stmk. BauG angeführten kleineren Anlage oder welchem kleineren Zubau der gegenständliche Teil des Balkons vergleichbar sein soll. Dieser befindet sich auf Höhe des Obergeschosses des Hauses und kann von diesem - im Unterschied zu beispielsweise Anlagen der lit. a), c), d), e), f), i), oder 1) der in Z 2 genannten Anlagen - betreten werden, ist mit dem Haus unmittelbar verbunden (anders üblicherweise die in lit. g), h) oder j) angeführten Anlagen) und beeinflusst somit die Statik desselben. Selbst die Beschwerdeführerin ging zunächst - zutreffend - von einer Bewilligungspflicht auch des nunmehr zur Beseitigung aufgetragenen Teils des Balkons aus, brachte sie doch noch in der Berufung vor, sie habe sich um die "nachträgliche Genehmigung der Balkonanlage" bemüht.
Da die größere Ausführung eines Balkons somit mit keinem der in § 21 Abs. 1 Z 2 Stmk. BauG angeführten kleineren Anlage oder kleineren Zubau vergleichbar ist, liegt eine Bewilligungsfreiheit im Sinn des § 21 Abs. 1 Z 3 Stmk. BauG jedenfalls nicht vor. Die belangte Behörde ging daher zutreffend von einer Bewilligungspflicht gemäß § 19 Z 1 Stmk. BauG für den zur Beseitigung beauftragten Bauteil aus.
Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, der Beseitigungsauftrag sei nicht umsetzbar, der "Rest des Balkons würde gleichsam kippen", ist ihr zu entgegnen, dass die Errichtung des Balkons im beantragten Ausmaß mit Bescheid vom genehmigt wurde. Es ist somit nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Balkon bei genehmigungskonformer Ausführung nunmehr "kippen" oder das Wannen- und Abdichtungssystem zu Schaden kommen sollte. Der Beschwerde gelingt es somit nicht, eine mangelnde Umsetzbarkeit des Beseitigungsauftrages aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am