VwGH vom 10.11.2010, 2008/22/0477
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der P, vertreten durch Mag. Oliver Ertl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 147.828/2- III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer thailändischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehemann gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 62 Abs. 1, § 21 Abs. 1 und 2, §§ 74 und 72 NAG im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am eine Aufenthaltsehe eingegangen, die letztendlich mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom für nichtig erklärt worden sei; mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei deshalb gegen sie ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden.
Am habe die Beschwerdeführerin in Bangkok/Thailand neuerlich einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Am sei sie mit einem Visum, gültig vom 10. Juni bis , in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am persönlich bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige eingebracht. Dieser sei mit Bescheid vom auf Grund des gegen die Beschwerdeführerin in erster Instanz erlassenen (nicht rechtskräftigen) Aufenthaltsverbotes abgewiesen worden.
Mit Bescheid vom sei das Aufenthaltsverbot durch die Bundespolizeidirektion Wien aufgehoben worden.
Die Beschwerdeführerin sei seit laufend aufrecht mit Hauptwohnsitz in Wien polizeilich gemeldet. Seit August 2005 gehe sie fallweise verschiedenen Beschäftigungen als Arbeiterin nach.
Seit dem Inkrafttreten des NAG am und somit auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz am habe sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Inland aufgehalten, daher stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegen.
Als besonders berücksichtigungswürdige Gründe habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung angegeben, sie sei seit mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Im vorliegenden Fall sei jedoch - so die belangte Behörde weiter - ein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt nicht gegeben. Vielmehr sei die gewählte Vorgangsweise eine Umgehung der Einwanderungsbestimmungen. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.
Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 1048/07-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Entgegen der Beschwerdeansicht hat die belangte Behörde zutreffend die Bestimmungen des NAG angewendet. Diesem ist nämlich weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen, der zufolge auf vor dessen Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte die Bestimmungen des mit Ablauf des außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 (FrG) anzuwenden wären. Der Gerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Übergangsbestimmungen des § 81 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 NAG verfassungsrechtlich unbedenklich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0457, mwN). Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin habe - noch im Anwendungsbereich des bis in Geltung gestandenen FrG - eine Bestätigung erhalten, wonach sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zum Aufenthalt in der Republik Österreich berechtigt sei, nichts zu ändern.
Bei dem Erfordernis der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG handelt es sich - entgegen der Beschwerdeansicht - nicht um ein bloßes Formalerfordernis, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0842, mwN).
Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass die Beschwerdeführerin noch nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat und die Entscheidung über den gegenständlichen Antrag im Inland abgewartet hat. Die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag handle und der Bewilligung die Bestimmung des § 21 Abs. 1 NAG entgegenstehe, begegnet somit keinen Bedenken.
Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist die im § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen.
§ 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , mwN).
Unter dem Blickwinkel eines aus Art. 8 EMRK abzuleitenden Anspruches macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde habe keine Interessenabwägung vorgenommen. Die Beschwerdeführerin sei 2005 (nur auf Dauer) legal in das Bundesgebiet eingereist, ihr Aufenthalt widerstreite in keiner Weise öffentlichen Interessen, sie sei mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und mittlerweile berufstätig, verfüge über eine Mietwohnung und eine gesetzliche Krankenversicherung.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist aus ihrem im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht einmal zwei Jahre währenden (ständigen) Aufenthalt im Inland, ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger und der im angefochtenen Bescheid festgestellten fallweisen Beschäftigung - dass die Beschwerdeführerin dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert sei, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet - keine derartige Verdichtung ihrer Interessen abzuleiten, dass es Art. 8 EMRK gebieten würde, ihr ohne Bedachtnahme auf den Grundsatz der Auslandsantragstellung den Familiennachzug einzuräumen.
Soweit die Beschwerde diesbezüglich geltend macht, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, zeigt sie damit keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Ein Begründungsmangel würde nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die belangte Behörde bei rechtmäßigem Vorgehen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dies ist anzunehmen, wenn der Begründungsmangel entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. die in Hengstschläger/Leeb , AVG § 60 Rz 35 zitierte hg. Judikatur). Während des Verwaltungsverfahrens wurde jedoch kein besonders berücksichtigungswürdiger Aspekt aufgezeigt, auf Grund dessen der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen zu erteilen gewesen wäre. Soweit die Beschwerdeführerin auf ihren am - und somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - geborenen Sohn hinweist, kann dieses Vorbringen mit Blick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) keine Berücksichtigung finden.
Der belangten Behörde kann sohin nicht erfolgreich entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, es liege gegenständlich kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 72 NAG vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am