VwGH vom 10.11.2010, 2008/22/0473
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2008/22/0686 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 26, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 317.869/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom wurde ein (noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG) am gestellter Antrag der Beschwerdeführerin, einer mazedonischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehemann gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei im Juni 2003 illegal nach Österreich eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom erstinstanzlich rechtskräftig "negativ entschieden" worden sei. Seit diesem Zeitpunkt halte sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Am habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Mittlerweile lebe sie von ihrem Ehemann getrennt, was auch im Berufungsschreiben bestätigt worden sei.
Da die Beschwerdeführerin noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels der Republik Österreich gewesen sei und sich seit Ablauf ihres Asylverfahrens und somit auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den gegenständlichen Antrag nicht rechtmäßig im Inland aufgehalten habe, sei der gegenständliche Antrag als Erstantrag zu werten, dessen Bewilligung § 21 Abs. 1 NAG entgegenstehe.
Bei einer Überprüfung im Sinn des § 72 NAG hätten seitens der belangten Behörde keine humanitären Gründe im Sinn dieser Bestimmung erkannt werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Unbestritten ist davon auszugehen, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag handelt, auf den § 21 Abs. 1 NAG, wonach Erstanträge vor der Einreise in das Bundesland bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland gestellt werde müssen und die Entscheidung darüber im Ausland abzuwarten ist, Anwendung findet, und sich die Beschwerdeführerin während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten hat.
Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf § 81 NAG vorbringt, die Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Antrages als Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers jedenfalls zur Inlandsantragstellung berechtigt gewesen und eine rückwirkende Gesetzesanwendung stehe in eklatantem Widerspruch zu dem Prinzip der Rechtssicherheit und dem "dieses absichernden Art. 7 Abs. 1 MRK", so ist dem entgegenzuhalten, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dem NAG weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen ist, der zu Folge auf vor dessen Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte Bestimmungen des - mit Ablauf des außer Kraft getretenen - FrG anzuwenden wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0192, mwN). Art. 7 EMRK ist im Übrigen in sachlicher Hinsicht auf Verurteilungen und die Verhängung von Strafen beschränkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/18/0469, mwN). Die belangte Behörde hat somit den vorliegenden Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu Recht nach den Bestimmungen des NAG beurteilt.
Auch das weitere Beschwerdevorbringen, die "belangte Behörde" habe durch die Annahme des gegenständlichen Antrages einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der auch nicht durch den auf Deutsch formulierten Beisatz auf der Bestätigung über die erfolgte Antragstellung ("diese Bestätigung gilt nicht als Aufenthaltstitel") relativiert oder entkräftet werden könne, ist nicht zielführend.
Das Recht, den Antrag auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung im Inland stellen und die Entscheidung darüber hier abwarten zu dürfen, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, so ist die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0654, mwN).
Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge hält sich die Beschwerdeführerin seit etwa viereinhalb Jahren im Bundesgebiet auf, hat bis über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen verfügt und am einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, mit dem sie jedoch kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK mehr führt. In der Berufung hat die Beschwerdeführerin selbst bestätigt, dass sie sich von ihrem Ehemann getrennt hat.
Wenn die Beschwerde nunmehr vorbringt, die belangte Behörde sei auf die familiären, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen der Beschwerdeführerin im Inland nicht eingegangen, die Beschwerdeführerin sei seit verheiratet, zum Zeitpunkt der Eheschließung habe eine Lebens-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft bestanden und sie gehe außerdem seit mehr als vier Jahren in Österreich einer geregelten Beschäftigung nach, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die Ehe der Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger ohnehin berücksichtigt hat; sie hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass die eheliche Gemeinschaft aufgehoben ist, was auch in der Beschwerde nicht bestritten wird. Das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Beschäftigung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet widerspricht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) und kann daher keine Berücksichtigung finden. Dass die Beschwerdeführerin darüber hinausgehende, nicht näher konkretisierte "eminent familiäre, soziale und wirtschaftliche Interessen, nämlich ihre Bindungen und ihre langjährige Integration in Österreich" habe, wurde während des Verwaltungsverfahrens ebenfalls nicht vorgebracht.
Da weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Beschwerde ersichtlich ist, dass ausreichende Gründe vorhanden gewesen wären, auf Grund derer gemäß §§ 72 und 74 NAG die Inlandsantragstellung aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen hätte zugelassen werden müssen, ging die belangte Behörde zutreffend davon aus, dass einer Bewilligung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages § 21 Abs. 1 NAG entgegensteht.
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
VAAAE-84806