VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0472
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des L, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 317.861/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehefrau gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei - eigenen Angaben zufolge - am illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am darauffolgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der am rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei mit Beschluss vom abgelehnt worden.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom sei gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen worden, die im Instanzenzug bestätigt worden sei. Mit Bescheid vom sei neuerlich eine Ausweisung gegen den Beschwerdeführer erlassen worden.
Am habe der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag eingebracht, "welcher mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom gemäß § 68 AVG rechtskräftig zurückgewiesen wurde".
Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - auf diese Ehe gestützt - per Post den gegenständlichen Antrag eingebracht.
Laut Festnahmeauftrag der Bezirkshauptmannschaft Baden vom habe der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht Folge geleistet. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von acht Jahren auf Grund einer Aufenthaltsehe erlassen worden; gegen diesen Bescheid sei Berufung erhoben worden. (Jenem, durch die Berufungsbehörde bestätigten, auf § 60 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 9 FPG gestützten Aufenthaltsverbot lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Eine gegen den Berufungsbescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom , 2009/18/0153, als unbegründet abgewiesen.)
Die belangte Behörde führte weiter aus, der Beschwerdeführer sei seit durchgehend im österreichischen Bundesgebiet gemeldet, seit jedoch auch an einer anderen Adresse als seine Ehefrau. Seit sei er laufend als Arbeiter bei einem näher genannten Unternehmen beschäftigt, obwohl er über keinen Aufenthaltstitel verfüge. Da er sich sowohl zum Zeitpunkt der Antragstellung als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den gegenständlichen Antrag nicht rechtmäßig im Inland aufgehalten habe, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung entgegen.
Weiters hätten seitens der belangten Behörde keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG erkannt werden können. Dem Beschwerdeführer könne der Zuzug nach Österreich unter Einhaltung der üblichen gesetzlichen Bestimmungen zugemutet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
In der Beschwerde wird nicht in Abrede gestellt, dass es sich beim gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag handelt und die Entscheidung über diesen Antrag - entgegen der Bestimmung des § 21 Abs. 1 NAG - im Inland abgewartet wurde. Anhand der vorgelegten Akten begegnet diese Ansicht der belangten Behörde auch keinen Bedenken.
Das Recht, den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels im Inland stellen und die Entscheidung darüber hier abwarten zu dürfen, kommt daher fallbezogen nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (in der Stammfassung) vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0125, mwN).
Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 EMRK führt die Beschwerde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit durchgehend im Bundesgebiet auf, sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit selbsterhaltungsfähig und gut integriert.
Das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung kann aber nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer hält sich zwar im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über fünf Jahre im Bundesgebiet auf und ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, seit besteht jedoch zwischen ihm und seiner Ehefrau unbestrittenermaßen kein gemeinsamer Haushalt mehr. Abgesehen von der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers lässt die Beschwerde dessen behauptete "zweifellos vollständige Integration" ohne jede Konkretisierung. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer eine Wiedereingliederung in seinem Heimatland nicht möglich wäre. Seinen persönlichen Interessen kommt somit kein solches Gewicht zu, dass das öffentliche Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens, dem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein großer Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten müsste.
Soweit die Beschwerde der belangten Behörde vorwirft, sie hätte "viel zu wenig ermittelt", zeigt sie allerdings nicht auf, zu welchen für den Ausgang des Verfahrens relevanten Ergebnissen ergänzende Erhebungen konkret führen hätte können.
Die belangte Behörde hat daher den gegenständlichen Antrag zutreffend gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-84801