VwGH 24.03.2011, 2011/06/0012
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Unzutreffend ist die Auffassung, dass nichtige Bescheide keiner Rechtskraft fähig seien, falls nicht ein ausdrücklicher Heilungstatbestand vorliege. Es verhält sich vielmehr geradezu umgekehrt, ein solcher Nichtigkeitsgrund hindert nicht den Eintritt der Rechtskraft. Leiden nämlich Bescheide im Sinne des § 54 Tir. BauO 2001 an einem mit Nichtigkeit bedrohten Mangel, bedeutet dies, dass sie, ihre Rechtskraft vorausgesetzt, von der Oberbehörde (§ 68 AVG) oder von der Aufsichtsbehörde (§ 121 Tir. GdO) in Ausübung des Aufsichtsrechtes behoben werden können, also "vernichtbar" sind. Solange dies nicht erfolgt ist, gehören solche Bescheide dem Rechtsbestand an und sind für die vorzunehmende Beurteilung maßgeblich. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2008/06/0241 E RS 1 |
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RS 2 | Bei der Erteilung einer Baubewilligung ist die Sach- und Rechtslage (und damit auch die Flächenwidmung) im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblich, ebenso sind im Zuge des Berufungsverfahrens Änderungen der Sach- und Rechtslage (damit auch der Flächenwidmung) zu berücksichtigen, jeweils soweit im Gesetz nichts Abweichendes angeordnet ist (siehe dazu Hauer, der Nachbar im Baurecht, 6. Auflage, S. 149 und 175, mwN). Nichts anderes hat nach § 27 Abs. 3 Tir BauO 2001 bei der Beurteilung eines Gesuches um Verlängerung der Frist für den Baubeginn zu gelten, weil das Gesetz nicht anordnet, dass es auf den Zeitpunkt des Einbringens des Gesuches ankomme (oder auch allenfalls auf die Erlassung des Bescheides erster Instanz). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des R L in K, vertreten durch Mag. Hubertus P. Weben, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 5/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-8-1/354-24, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. C GmbH in L, 2. O GmbH in Y, beide vertreten durch Dr. Georg Petzer, Dr. Herbert Marschitz, Dr. Peter Petzer und Mag. Johannes Bodner, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24, 3. Gemeinde K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall geht es um ein Bauvorhaben auf einem Grundstück im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines unmittelbar angrenzenden Grundstückes.
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0241, zu entnehmen. Daraus ist folgendes festzuhalten: Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurde dem F. W. die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Baugrundstück erteilt. Dieser Bescheid, der auch dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, blieb unbekämpft.
Mit weiterem Bescheid des Bürgermeisters vom wurde über Antrag des F. W. vom die Gültigkeit der Baubewilligung um zwei Jahre verlängert (der Bescheid ist an F. W. gerichtet, in der Sachverhaltsdarstellung des Bescheides heißt es allerdings, dass die Baubewilligung vom dem A. W. erteilt worden sei).
Mit Eingabe vom (bei der Gemeinde eingelangt am ) kam A. W. um die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses auf dem Baugrundstück ein. Der Bürgermeister erteilte diese Baubewilligung mit Bescheid vom , die unter anderem auch dem Beschwerdeführer zugestellt wurde und unbekämpft blieb.
Mit Eingabe vom (bei der Gemeinde eingelangt am ) brachte die O. GmbH (die nunmehrige zweitmitbeteiligte Partei) vor, sie habe von A. W. das Baugrundstück erworben. Die dem A. W. mit Bescheid vom erteilte baubehördliche Bewilligung "läuft am aus". Es werde beantragt, die Baubewilligung um zwei Jahre zu verlängern.
Mit Bescheid vom verlängerte der Bürgermeister antragsgemäß die Baubewilligung vom um zwei Jahre. Dieser Bescheid wurde nur der Einschreiterin, der O. GmbH, zugestellt.
Das Baugrundstück war damals als Bauland ausgewiesen (Wohngebiet gemäß § 38 Abs. 1 TROG), im neuen Flächenwidmungsplan hingegen, der am in Kraft trat, nicht mehr (sondern als Freiland).
Mit Baugesuch vom kam die erstmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) als "außerbücherliche Eigentümerin" des Baugrundstückes mit Zustimmung der O. GmbH um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung von baulichen Maßnahmen ein, bezeichnet als "2. Tekturplan" zum bestehenden Einreichplan (welcher der Baubewilligung vom zugrunde lag: "Errichtung eines Wohnhauses mit Doppelgarage").
In einer undatierten Erledigung in den Gemeindeakten erklärte der Bausachverständige H., die Pläne für die Abänderung des Bauvorhabens seien von ihm am geprüft worden, das Vorhaben entspreche aus seiner Sicht den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung.
Hierauf erteilte der Bürgermeister ohne weiteres Verfahren (ein solches ist den Verwaltungsakten jedenfalls nicht zu entnehmen, insbesondere keine Bauverhandlung) mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die baubehördliche Bewilligung "zur Abänderung der Baubewilligung laut Tekturplan".
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Berufung, die mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom "zurückgewiesen" wurde. Dieser Berufungsbescheid wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom behoben.
Mangels einer neuerlichen Entscheidung über die Berufung durch den Gemeindevorstand brachte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag an den Gemeinderat ein (vom , eingelangt am ). Nach verschiedenen Verfahrensschritten wurde die Berufung von dem (infolge des Devolutionsantrages zuständig gewordenen) Gemeinderat als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom ebenfalls als unbegründet abgewiesen.
Dieser Vorstellungsbescheid wurde mit dem eingangs genannten hg. Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.
Der Verwaltungsgerichtshof ging dabei davon aus, dass mit dem Bescheid vom ein neues, vom früheren unterschiedliches Vorhaben bewilligt wurde. Dieser Bescheid sei nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen, sei daher für die weitere Beurteilung maßgeblich. Weiters wurde ausgeführt:
"Richtig wurde erkannt, dass die weitere Baubewilligung vom notwendigerweise auf der Baubewilligung vom beruht, daher zu prüfen war, ob diese frühere Baubewilligung noch im Sinne des § 27 TBO 2001 aufrecht oder aber erloschen ist.
Zutreffend ist die Auffassung der belangten Behörde, dass eine rechtswirksame Erstreckung (Verlängerung) der Baubeginnfrist einen rechtskräftigen derartigen Bescheid der Behörde voraussetzt, ein noch nicht rechtskräftiger erstinstanzlicher Bescheid reicht nicht aus. Wie die belangte Behörde ebenfalls richtig erkannt hat, kommt dem Nachbarn im Verfahren zur Verlängerung der Baubewilligung Parteistellung zu, weil damit seine Rechtssphäre unmittelbar berührt wird (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0279, mwN); da dieser Bescheid mangels Zustellung an den Beschwerdeführer noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, liegt noch keine wirksame Verlängerung der Baubewilligung vor.
Der Beschwerdeführer als Nachbar war berechtigt, das (behauptete) Erlöschen dieser Baubewilligung (vom ) mangels wirksamer Verlängerung im Baubewilligungsverfahren betreffend die weitere Baubewilligung geltend zu machen, weil ihm (auch) im Verfahren zur Verlängerung der Baubewilligung Parteistellung zukommt (zum Einwand des Nachbarn in einem Bauverfahren, eine für dieses Bauverfahren notwendigerweise erforderliche frühere Baubewilligung bestehe nicht, vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/06/0127, und vom , Zl. 93/06/0115, jeweils zu Steiermärkischen Bauvorschriften).
Die belangte Behörde hat dazu aber (mit der Berufungsbehörde) die Auffassung vertreten, der Baubeginn im September 2006 sei rechtzeitig gewesen, weil er (gemeint: zwar nach Ablauf der - hier - Zwei-Jahres-Frist des § 27 Abs. 2 TBO 2001, aber) noch vor der rechtkräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag erfolgt sei; damit sei das Verlängerungsverfahren gegenstandslos geworden.
Richtig ist wohl, dass durch die rechtzeitige Einbringung des Ansuchens gemäß dem letzten Satz des § 27 Abs. 3 leg. cit. der Ablauf der Frist (hier: der Baubeginnfrist) bis zur Entscheidung der Behörde gehemmt wird. Dieser Bestimmung, die die belangte Behörde wohl vor Augen hat, kommt aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht der von ihr angenommene Inhalt zu. Damit wird verhindert, dass das in § 27 Abs. 1 TBO 2001 ansonsten ex-lege vorgesehene Erlöschen der Baubewilligung, wenn die Zweijahresfrist abgelaufen ist, eintritt. Es ist weiters nach dem Willen des Gesetzgebers allein dem Verlängerungsverfahren mit den dabei maßgeblichen Kriterien vorbehalten, ob die Baubewilligung verlängert wird. Dabei hat die Baubehörde zu prüfen, ob sich in der Zwischenzeit die baurechtlichen und raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht derart geändert haben, dass die Baubewilligung danach nicht mehr erteilt werden dürfte, widrigenfalls die angestrebte Verlängerung zu versagen ist; auch kommt dem Nachbarn im Verlängerungsverfahren, wie dargelegt, Parteistellung zu. Diese Prüfungspflicht der Behörde und das Mitspracherecht des Nachbarn können nicht dadurch gleichsam unterlaufen werden, dass (nach Ablauf der Frist des § 27 Abs. 2 TBO 2000, aber) im Zuge des Verlängerungsverfahrens mit dem Bau begonnen wird. Ein solcher Baubeginn ist vielmehr im gegebenen Zusammenhang (§ 27 Abs. 3 TBO 2001) rechtlich unbeachtlich. Verlängert die Behörde die Baubeginnfrist, ist dies maßgeblich; wird die Verlängerung hingegen rechtskräftig versagt, bedeutet dies, dass die Frist in aller Regel (faktisch auf Grund der Dauer des Verlängerungsverfahrens) mit dem Eintritt der Rechtskraft der abweislichen Entscheidung abgelaufen ist. Es geht hier nämlich (nach dem Sinn der Norm folgerichtig) um eine Ablauf- und nicht um eine Fortlaufhemmung, was bedeutet, dass der bei Antragstellung noch offene Teil der Frist nicht (wie im Fall einer Fortlaufhemmung) nach rechtskräftiger Abweisung des Verlängerungsantrages noch weiter liefe und so noch ausgenützt werden könnte. Der bei Antragstellung noch offene Teil der Frist kann zwar jedenfalls (unmittelbar im Anschluss an die Antragstellung) ausgenützt werden, ein späterer Baubeginn ist aber, wie gesagt, im gegebenen Zusammenhang rechtlich nicht erheblich, und erfolgt für den Fall der Abweisung des Verlängerungsantrages auf eigenes Risiko des Bauwerbers (weil dann der Bau konsenslos ist). Dem letzten Satz des § 27 TBO 2001 kommt daher aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles nur in dem Sinn Bedeutung zu, dass im Falle einer Verlängerung der Baubeginnfrist diese als nicht zwischenzeitig abgelaufen gilt. Das hat auch zur Folge, dass die Behörde bei Verlängerung der Frist gegebenenfalls die vollen zwei Jahre ausschöpfen kann, weil (wegen der Hemmung der Frist) die Dauer des Verlängerungsverfahrens im Ergebnis nicht zu Lasten der möglichen Dauer der Fristverlängerung geht (dh., die Dauer der höchstmöglichen Frist von zwei Jahren nicht um die Dauer des Verlängerungsverfahrens zu verkürzen ist). Ohne diese Fristhemmung, also dann, wenn die verlängerte Frist unmittelbar an die (ursprüngliche) Frist des § 27 Abs. 2 TBO 2001 anschlösse, wäre nämlich bei langen Verlängerungsverfahren die Frist deutlich verkürzt, und bei außergewöhnlich langen Verlängerungsverfahren, die (aus welchen Gründen auch immer) länger als die längstmögliche Verlängerung von zwei Jahre dauern (wie im Beschwerdefall), eine effektive Fristverlängerung allenfalls gar nicht möglich.
Für die Dauer des Verlängerungsverfahrens besteht somit eine Art Schwebezustand (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/07/0043). Ob nun die Baubewilligung vom aus dem Gesichtspunkt des Bestehens der früheren Baubewilligung vom rechtens ist, kann daher (Schwebezustand) erst abschließend beurteilt werden, wenn das Verlängerungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang ist aber zum Beschwerdevorbringen zu bemerken, dass Inhaltsmängel des Verlängerungsgesuches behebbar wären (siehe § 13 Abs. 3 AVG), es trifft (daher) die Ansicht des Beschwerdeführers nicht zu, dass dieses Gesuch 'ex lege unwirksam' gewesen wäre. Diese wirksame Antragstellung wirkt auch für die Bauwerberin."
In Umsetzung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom gab die belangte Behörde mit dem Bescheid vom der Vorstellung (gegen den Berufungsbescheid vom ) Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurück.
Hierauf brachten die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei (von sich aus, also ohne Aufforderung) bei der mitbeteiligten Gemeinde (zu Handen des Bürgermeisters) mit Eingabe vom (eingelangt am ) eine mit "Antrag auf Verlängerung der Baubewilligung, Behebung von Mängeln gemäß § 13 Abs. 3 AVG" überschriebene Eingabe ein. Unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom wurde darin ausgeführt, dass das Verlängerungsansuchen vom Inhaltsmängel aufweise, und dass diese Inhaltsmängel gemäß § 13 Abs. 3 AVG behebbar seien.
Diese Inhaltsmängel würden nunmehr behoben wie folgt: Die zweitmitbeteiligte Partei suche um Verlängerung für die Frist für den Baubeginn um zwei Jahre an, ausgehend vom Baubewilligungsbescheid vom . Sie habe im Zeitraum November 2005 bis Jänner 2006 ein großes Bauprojekt in X. vorzubereiten gehabt und sei zu 100 % mit diesen Arbeiten ausgelastet gewesen. Im Jänner 2006 sei der beabsichtigte Käufer für dieses Projekt abgesprungen, sodass ohne Verschulden der zweitmitbeteiligten Partei eine Umfinanzierung bei der Hausbank notwendig gewesen sei, die mehrere Monate in Anspruch genommen habe. Dies sei der Grund gewesen, weshalb die zweitmitbeteiligte Partei nicht rechtzeitig mit dem Bau (gemeint: auf Grund der Baubewilligung vom ) habe beginnen können. Raumordnungsrechtliche oder baurechtliche Vorschriften hätten sich seit der Erlassung des Bewilligungsbescheides vom bis zur gegenständlichen Antragstellung am nicht geändert. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verlängerung der Baubewilligung gemäß § 27 Abs. 3 TBO 2001 seien somit glaubhaft gemacht und erfüllt.
Die erstmitbeteiligte Partei schließe sich den Ausführungen der zweitmitbeteiligten Partei als nunmehrige Eigentümerin der Liegenschaft ausdrücklich an und beide Parteien stellten den Antrag auf Verlängerung der Baubewilligung vom um zwei Jahre. Es werde ersucht, den Nachbarn in das Verlängerungsverfahren miteinzubeziehen und ihm den Verlängerungsbescheid zuzustellen.
Über Aufforderung des Bürgermeisters wurden hiezu fristgerecht ergänzende Unterlagen vorgelegt. Der Bürgermeister gewährte hierauf dem Beschwerdeführer Parteiengehör. Dieser äußerte sich in einer Stellungnahme vom ablehnend.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom wurde die Baubewilligung vom gemäß § 27 Abs. 3 TBO "unter der Voraussetzung der Einhaltung der Bedingungen und Auflagen des Erstbescheides" um zwei Jahre verlängert, was näher begründet wurde.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die vom Gemeindevorstand mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung.
Die belangte Behörde gab mit Bescheid vom der Vorstellung Folge, behob den Berufungsbescheid vom und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurück. Zusammengefasst führte die belangte Behörde aus, der Bescheid des Bürgermeisters vom (mit dem die Baubewilligung verlängert worden sei) sei rechtlich existent geworden. Damit sei es dem Bürgermeister als Behörde erster Instanz verwehrt gewesen, eine neue Entscheidung in derselben Sache zu treffen. In Verkennung der vom Verwaltungsgerichtshof bzw. von der belangten Behörde aufgetragenen nachzuholenden Verfahrensschritte habe der Bürgermeister mit Bescheid vom dennoch neuerlich einen Verlängerungsbescheid erlassen. Dafür sei er unzuständig gewesen (weshalb der Berufungsbescheid aufzuheben gewesen sei, weil die Berufungsbehörde diesen Mangel nicht erkannt habe).
Als Hinweis für das weitere Verfahren heißt es: Im fortgesetzten Verfahren werde (daher) der Gemeindevorstand den Bescheid des Bürgermeisters vom zu beheben und sodann in der Sache selbst, allenfalls nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens, über das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung vom hinsichtlich des Fristverlängerungsbescheides des Bürgermeisters vom in der Sache selbst zu entscheiden haben.
Auf die Vorbringen des Beschwerdeführers sei daher nur insoweit einzugehen gewesen, als es lediglich hinsichtlich des Bewilligungsverfahrens betreffend das geänderte Bauansuchen zu einer Devolution an den Gemeinderat gekommen sei, weshalb in der Folge sämtliche Vorstellungsbescheide für dieses Verfahren (gemeint: das Bewilligungsverfahren), wie auch die an die tragenden Gründe des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes "zu bindende hiesige Vorstellungsentscheidung" wieder an den Gemeinderat zu richten gewesen seien. Hinsichtlich des Fristverlängerungsverfahrens sei jedoch für die Erledigung der in der seinerzeitigen Berufung vom auf das Verlängerungsverfahren Bezug nehmende Vorbringen weiterhin der Gemeindevorstand zuständig.
Hierauf erging der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom . Damit wurde
einerseits der Berufung vom Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters vom ersatzlos behoben,
andererseits die Berufung vom als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters vom bestätigt.
Zur Begründung heißt es, der Antrag vom sei mit Schreiben der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei vom erläutert worden (es folgt eine Darstellung des Schreibens). Die von den Antragstellern genannten Gründe seien mit einer Bestätigung des Steuerberaters sowie einem Schreiben der Bank und einem Grundbuchsauszug bestätigt worden. Der Beschwerdeführer habe sich zwar ablehnend geäußert und unter anderem vorgebracht, eine behauptete Finanzierungsproblematik sei kein ausreichender Grund für eine Fristverlängerung. Demgegenüber seien für den Gemeindevorstand betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten eines Unternehmens und auch eine vorübergehende Nichtfinanzierbarkeit eines Bauvorhabens sehr wohl ausreichende Gründe, ohne Verschulden am Baubeginn verhindert zu sein.
Bau- oder raumordnungsrechtliche Versagungsgründe zur Verlängerung der Baubewilligung seien nicht zu erkennen, weil sich diese Vorschriften zwischen der Erlassung des Baubewilligungsbescheides vom bis zum Einbringen des Verlängerungsantrages (vom ) am nicht geändert hätten. Auch sei das Baugrundstück zum Zeitpunkt des Antrages auf Bauverlängerung als Wohngebiet gewidmet gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den zweiten Teil des Spruches des Berufungsbescheides (Abweisung der Berufung vom und Bestätigung des Bescheides vom ) Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.
Zusammengefasst heißt es nach Darstellung des Verfahrensganges, die Eingabe der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei vom stelle "einen Verlängerungsantrag nunmehr unter Behebung von inhaltlichen Mängeln gemäß § 13 Abs. 3 AVG dar".
§ 27 Abs. 3 TBO 2001 verlange nicht den Beweis, sondern bloß die Glaubhaftmachung der Gründe für die Hinderung. Es sei dabei die Behörde von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der bescheinigten Tatsache zu überzeugen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sei gerade bei einer juristischen Person (wie der zweitmitbeteiligten Partei) ein allfälliger Liquiditätsengpass als tauglicher Grund für eine Verlängerung der Baubewilligung geeignet. Dem sei der Gemeindevorstand gefolgt. Allein der Umstand, dass der Gemeindevorstand als Berufungsbehörde aus den vorliegenden Ermittlungsergebnissen auch andere Schlüsse hätte ziehen können, mache die Beweiswürdigung der Berufungsbehörde nicht unschlüssig. Dies habe die Berufungsbehörde ausreichend begründet, sie habe dargelegt, weshalb sie von einer nicht verschuldeten Verzögerung des Baubeginnes ausgegangen sei.
In einem offensichtlichen Rechtsirrtum befangen, seien alle befassten Behörden bis zum dazu ergangenen anders lautenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen, dass auf Grund des rechtzeitigen und rechtmäßigen Baubeginnes dem Verfahren über die Verlängerung die Rechtsgrundlage entzogen und dieses Verfahren somit gegenstandslos sei. Weiters sei es verabsäumt worden, dem Beschwerdeführer die erstinstanzliche Entscheidung über den Verlängerungsantrag zuzustellen (gemeint: den Bescheid vom ). Es hätten jedoch in der Berufung alle Einwendungen erhoben werden können, die bei ordentlicher Beiziehung zum Verfahren hätten vorgebracht werden können, und es erweise sich aus diesem Grund das durchgeführte Verfahren nicht als rechtswidrig.
In weiterer Folge würden die beantragten Änderungen vom auf der Grundlage der früheren Baubewilligung vom seitens der zuständigen Gemeindebehörden zu beurteilen "und zu entscheiden sein".
Zusammenfassend sei das sich auf die Baubewilligung vom beziehende Verlängerungsansuchen zu Recht bewilligt worden und es sei sohin spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die erstmitbeteiligte und die zweitmitbeteiligte Partei, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorangegangenen Beschwerdeverfahren, das mit dem hg. Erkenntnis vom abgeschlossen wurde, war die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 60/2005 anzuwenden. Zum Zeitpunkt der nunmehrigen Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes vom galt sie in der Fassung LGBl. Nr. 40/2009, wobei sich hinsichtlich der in diesem Beschwerdeverfahren relevanten Bestimmungen keine Änderungen ergeben haben.
Von Bedeutung ist weiterhin insbesondere § 27 Abs. 3 TBO 2001 betreffend der Frist (hier) für den Baubeginn. Diese Bestimmung lautet:
"(3) Auf Antrag des Inhabers der Baubewilligung kann die Frist für den Baubeginn und die Frist für die Bauvollendung jeweils einmal um höchstens zwei Jahre erstreckt werden, wenn er glaubhaft macht, dass er am rechtzeitigen Baubeginn bzw. an der rechtzeitigen Bauvollendung ohne sein Verschulden gehindert gewesen ist, und wenn sich in der Zwischenzeit die baurechtlichen und raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht derart geändert haben, dass die Baubewilligung danach nicht mehr erteilt werden dürfte. Um die Erstreckung der Frist ist vor ihrem Ablauf bei der Behörde schriftlich anzusuchen. Durch die rechtzeitige Einbringung des Ansuchens wird der Ablauf der Frist bis zur Entscheidung der Behörde gehemmt."
Der Verwaltungsgerichtshof hat im mehrfach genannten Vorerkenntnis dargelegt, dass von der Baubewilligung vom auszugehen sei. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, davon abzugehen.
Wie schon im vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer geltend, die früher ergangenen Baubewilligungsbescheide seien nichtig, daher keiner Rechtskraft fähig, oder auch "absolut nichtig", weshalb auch der Verlängerungsbescheid vom nichtig sei. Dazu ist ihm zunächst das entgegenzuhalten, was ihm bereits im früheren Erkenntnis erwidert wurde:
"Der Beschwerdeführer argumentiert mehrfach damit, verschiedene baubehördliche Bewilligungen seien nichtig (§ 54 TBO 2001). Unzutreffend ist seine Auffassung, dass nichtige Bescheide keiner Rechtskraft fähig seien, falls nicht ein ausdrücklicher Heilungstatbestand vorliege. Es verhält sich vielmehr geradezu umgekehrt, ein solcher Nichtigkeitsgrund hindert nicht den Eintritt der Rechtskraft. Leiden nämlich Bescheide im Sinne des § 54 TBO 2001 an einem mit Nichtigkeit bedrohten Mangel, bedeutet dies, dass sie, ihre Rechtskraft vorausgesetzt, von der Oberbehörde (§ 68 AVG) oder von der Aufsichtsbehörde (§ 121 TGO) in Ausübung des Aufsichtsrechtes behoben werden können, also 'vernichtbar' sind. Solange dies nicht erfolgt ist, gehören solche Bescheide dem Rechtsbestand an und sind für die vorzunehmende Beurteilung maßgeblich. Die Frage einer allfälligen Nichtigkeit ist in diesem Verfahren nicht zu erörtern, weil dies Gegenstand eines anderen Verfahrens wäre.
Der Beschwerdeführer meint weiters, der Bescheid vom sei wegen Verletzung des Parteiengehörs 'absolut nichtig', es liege in Wahrheit ein Verwaltungsakt im Sinne des AVG überhaupt nicht vor. Dies ist unrichtig (zur Rechtsfigur des 'absolut nichtigen Bescheides' siehe Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 436 ff, mwN - solche Mängel sind hier nicht gegeben)."
"Absolut nichtig" soll der Baubewilligungsbescheid vom nun deshalb sein, weil dem zugrundeliegenden Bauverfahren kein hochbautechnischer Sachverständiger beigezogen worden sei. Richtig ist zwar, dass gemäß § 24 lit. a TBO 2001 Bescheide, mit denen die Baubewilligung erteilt wird, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leiden, wenn dem Bauverfahren entgegen dem § 24 Abs. 4 leg. cit. kein hochbautechnischer oder brandschutztechnischer Sachverständiger oder kein Sachverständiger zur Beurteilung der jeweiligen Gefahrensituation beigezogen wurde. Soweit der Beschwerdeführer aber daraus abzuleiten sucht, der Baubewilligungsbescheid vom sei "absolut nichtig", verkennt er (ungeachtet der hiezu bereits ergangenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes) weiterhin das Wesen einer "absoluten Nichtigkeit". Ein solcher Mangel ist nicht erkennbar.
Zutreffend haben daher die Behörden des Verwaltungsverfahrens den rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid vom der Beurteilung zugrundegelegt.
Allerdings ist weiters zu klären, worüber im gemeindebehördlichen Verfahren zu entscheiden war und worüber entschieden wurde.
Soweit hier erheblich, gibt es den "Verlängerungsbescheid" vom , der - unbestritten - dem Beschwerdeführer bislang nicht zugestellt wurde, dann den Baubewilligungsbescheid vom und die Berufung des Beschwerdeführers vom . Dazu gibt es weiters den Devolutionsantrag vom .
Der Gemeindevorstand hat mit dem letzten Berufungsbescheid vom , soweit im Beschwerdeverfahren noch erheblich, die Berufung vom als unbegründet abgewiesen und den Bescheid des Bürgermeisters vom bestätigt. Die belangte Behörde hat der dagegen erhobenen Vorstellung zur Gänze nicht Folge gegeben.
Angesichts des Beschwerdevorbringens ist zu klären, was Gegenstand der Berufung vom war. Damit wurde der Baubewilligungsbescheid vom bekämpft. Die belangte Behörde und der Gemeindevorstand haben allerdings erkennbar angenommen, dass sich diese Berufung auch gegen den Verlängerungsbescheid vom richtete. Das ist aber dieser Berufung nicht zu entnehmen, zumal der Verlängerungsbescheid dem Beschwerdeführer unbestritten bislang nicht zugestellt wurde. Dass der Beschwerdeführer in der Begründung seines Rechtsmittels auch auf den Verlängerungsbescheid vom Bezug nahm (was im Übrigen aus rechtlichen Erwägungen erforderlich war), bedeutet nicht, dass sich dieser rechtsanwaltlich verfasste Schriftsatz entgegen der klaren Anfechtungserklärung (die sich nur gegen den Baubewilligungsbescheid vom richtete) auch gegen den Verlängerungsbescheid vom gerichtet hätte. Das ist vielmehr nicht der Fall. Die abweichenden Überlegungen im Bescheid der belangten Behörde vom (sofern ihnen zu unterlegen sein sollte, dass die Berufung vom auch gegen den Verlängerungsbescheid gerichtet sein sollte), beruhten daher auf einer Verkennung des Inhaltes der Berufung vom , und vermochten daran nichts zu ändern, dass die Berufung nicht auch gegen den Bescheid vom gerichtet war, zumal diesen Überlegungen als bloße Hinweise für das fortgesetzte Verfahren keine Bindungswirkung zukommt.
Jedenfalls hat die belangte Behörde verkannt, dass die Berufungsbehörde über den Verlängerungsantrag entschieden hat, obwohl dieser nicht Gegenstand der Berufung war.
Der angefochtene Bescheid ist überdies aus einem weiteren Grund rechtswidrig:
Nach § 27 Abs. 3 TBO 2001 darf eine Verlängerung der Frist für den Baubeginn unter anderem nur dann bewilligt werden, "wenn sich in der Zwischenzeit die baurechtlichen und raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht derart geändert haben, dass die Baubewilligung danach nicht mehr erteilt werden dürfte".
Die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei sowie der Gemeindevorstand gingen dabei davon aus, dass es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Einbringens des Verlängerungsantrages ankomme. Das trifft aber nicht. Bei der Erteilung einer Baubewilligung ist die Sach- und Rechtslage (und damit auch die Flächenwidmung) im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblich, ebenso sind im Zuge des Berufungsverfahrens Änderungen der Sach- und Rechtslage (damit auch der Flächenwidmung) zu berücksichtigen, jeweils soweit im Gesetz nichts Abweichendes angeordnet ist (siehe dazu Hauer, der Nachbar im Baurecht6, S. 149 und 175, mwN). Nichts anderes hat nach § 27 Abs. 3 TBO 2001 bei der Beurteilung eines Gesuches um Verlängerung der Frist für den Baubeginn zu gelten, weil das Gesetz nicht anordnet, dass es auf den Zeitpunkt des Einbringens des Gesuches ankomme (oder auch allenfalls auf die Erlassung des Bescheides erster Instanz).
Auch das wurde von der belangten Behörde verkannt, die sich mit dieser Frage vielmehr nicht befasst hat.
Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Im fortzusetzenden gemeindebehördlichen Verfahren wird die bislang unterbliebene Zustellung des Verlängerungsbescheides vom an den Beschwerdeführer nachzuholen sein. Erhebt er dagegen eine Berufung, wird von der Berufungsbehörde auf Grundlage der sodann im Berufungsverfahren maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu entscheiden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §56; AVG §66 Abs4; AVG §68; BauO Tir 2001 §27 Abs3; BauO Tir 2001 §54; BauRallg; GdO Tir 2001 §121; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Baubewilligung BauRallg6 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2011060012.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAE-84766