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VwGH vom 03.10.2013, 2011/06/0007

VwGH vom 03.10.2013, 2011/06/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des JR und 2. der ER, beide in S, beide vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B- 12.10-W191/2010-3, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. FW in S 2. Marktgemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit (getrennten) Ansuchen vom beantragte der Erstmitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerber) beim Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer neuen Güllegrube auf seinem im Dorfgebiet liegenden Grundstück 1001, EZ 73, KG S., (dieses Ansuchen ist Gegenstand der vorliegenden Beschwerde), des Weiteren die Erteilung einer Baubewilligung für die Erweiterung des bestehenden Rinderstalles und die Errichtung von sechs Silos sowie die Nutzungsänderung vom Wirtschaftsgebäude zur Traktorgarage und den Neubau einer landwirtschaftlichen Gerätehütte mit Maistrocknungsanlage, gleichfalls auf diesem Baugrundstück (dieses Ansuchen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde).

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des nordöstlich der Hofstelle des Bauwerbers liegenden Grundstückes 980, zwischen dem Bauplatz und dem Grundstück der Beschwerdeführer liegt die öffentliche Straße.

Dem Bauansuchen war (u. a.) die agrartechnische Stellungnahme des Dipl. Ing. S. vom zu den Bauvorhaben, erstellt nach der Richtlinie zum Schutz vor Immissionen aus der Nutztierhaltung in Stallungen, angeschlossen. Dipl. Ing. S. stellte in seinem Befund zunächst den auf der Hofstelle des Bauwerbers vorhandenen rechtmäßigen Ist-Bestand an Stallgebäuden fest und gelangte zusammengefasst zur Beurteilung, dass es durch die geplante Erweiterung des Rinderstalles mit Errichtung einer offenen Güllegrube im Vergleich "zum rechtmäßigen bestehenden Gebäudestand" zu einer wesentlichen Verringerung der Geruchszahlen komme und somit die Ortsüblichkeit jedenfalls gegeben sei, auch an dem nordöstlich der Hofstelle des Bauwerbers gelegenen Grundstück 980 komme es zu keiner Ausweitung der Belästigungsgrenze, sondern zu einer Verringerung. Bei Errichtung einer geschlossenen Güllegrube würde sich eine weitere wesentliche Verringerung der Belästigungsgrenze ergeben.

In der Bauverhandlung vom erhoben die Beschwerdeführer Einwendungen: Die Einleitung von Meteorwässern in die Güllegrube sei nicht oberflächlich, sondern in Bodennähe vorzunehmen; es bestehe eine Vereinbarung mit dem Bauwerber über die Errichtung einer geschlossenen Güllegrube, falls die Geruchsbelästigungen zu massiv würden, und das Pflanzen einer Fichtenhecke; bei Bewirtschaftung der Güllegrube solle die Entnahmeluke sofort nach Entnahme geschlossen werden.

In der Verhandlung wurde auf die agrartechnische Stellungnahme des Dipl. Ing. S. hingewiesen, der bautechnische Sachverständige Dipl. Ing. L. erachtete in seinem Gutachten das Bauvorhaben unter Vorschreibung von Auflagen als bewilligungsfähig.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde übermittelte in weiterer Folge die agrartechnische Stellungnahme des Dipl. Ing. S. der zuständigen Fachabteilung beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung zur "Plausibilitätsprüfung".

In ihrer Stellungnahme vom , ergänzt am , bewertete die Fachabteilung 17A des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung die agrartechnische Stellungnahme des Dipl. Ing. S. mit der Variantenermittlung "offene Güllegrube" als plausibel.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde erteilte mit Bescheid vom die Baubewilligung für die Errichtung einer Güllegrube unter Vorschreibung von Auflagen. In der Begründung verwies er auf das agrartechnische Gutachten des Dipl. Ing. S., das einer Plausibilitätsprüfung durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung unterzogen worden sei. Soweit die Beschwerdeführer gefordert hätten, in der Bewirtschaftung der Güllegrube sei die Entnahmeluke sofort nach dem Entnahmevorgang wieder zu schließen, sei eine entsprechende Auflage in dem Baubewilligungsbescheid aufgenommen worden. Soweit sie eine Vereinbarung mit dem Bauwerber über das Setzen einer Fichtenhecke bis zu ihrem Grundstück und die Befürchtung, dass diese wieder entfernt werden könnte, geltend machten, sei festzustellen, dass dies nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei. Diesbezüglich seien die Beschwerdeführer auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Zu ihrem Vorbringen, es sei mit Handschlag die Errichtung einer geschlossenen Güllegrube vereinbart worden, falls die Geruchsbelästigung aus der offenen Güllegrube zu massiv würde, sei auf das agrartechnische Gutachten des Dipl. Ing. S. zu verweisen, demzufolge es bei einer offenen Güllegrube zu keiner Ausweitung der Belästigungsgrenze bis zum Grundstück der Beschwerdeführer komme. Zwischenzeitlich seien auch schon Maßnahmen getroffen worden, um eine oberflächige Einleitung von Meteorwässern hintanzuhalten.

(Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde die Baubewilligung für die Erweiterung des bestehenden Rinderstalles und die Errichtung von sechs Silos sowie die Nutzungsänderungen vom Wirtschaftsgebäude zur Traktorgarage auf dem Grundstück 1001, EZ. 73, KG. S, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.)

In ihrer Berufung (vom ) gegen den Bescheid vom brachten die Beschwerdeführer vor, die Güllegrube befinde sich weniger als 25 m vor ihrem Küchenfenster bzw. dem Schlafzimmerfenster der Enkelkinder. Je nach Witterungsströmung komme es zu einer unzumutbaren Geruchsbelästigung und dadurch zu einer gesundheitlichen Gefährdung der Enkelkinder. Außerdem sei ein permanenter Anstieg von Insekten zu beobachten. Eine geschlossene Güllegrube könnte diesen Zustand weitgehend verhindern. Das Gutachten des Dipl. Ing. S. sei ihnen nicht bekannt. Die Baubehörde wäre verpflichtet gewesen, von Amts wegen ein Gutachten einzuholen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde wies mit Bescheid vom die Berufung der Beschwerdeführer ab. Er verwies in der Begründung insbesondere darauf, dass das Gutachten des Dipl. Ing. S. in der Bauverhandlung erörtert und im Übrigen durch die Steiermärkische Landesregierung einer Plausibilitätsprüfung unterzogen worden sei.

In ihrer Vorstellung vom (eingelangt am ) wiederholten die Beschwerdeführer im Wesentlichen ihr Vorbringen in der Berufung und wiesen darauf hin, dass Dipl. Ing. S. sein Gutachten in der mündlichen Bauverhandlung am nicht erörtert habe, der beigezogene bautechnische Amtssachverständige Dipl. Ing. L. habe lediglich darauf hingewiesen. Es wäre die amtswegige Bestellung eines Sachverständigen nötig gewesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer abgewiesen. Die Beschwerdeführer hätten in Hinblick auf die zu erwartenden Geruchsbelästigungen rechtzeitig Einwendungen erhoben, die als solche im Sinne des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG zu werten seien. Der Bauwerber habe ein immissionstechnisches Gutachten des Dipl. Ing. S. vom vorgelegt. Dieses Privatgutachten habe die Baubehörde einer Überprüfung durch einen Sachverständigen im Sinne des § 52 AVG unterzogen. Diese Überprüfung durch einen Amtssachverständigen der Fachabteilung 17A des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung habe ergeben, dass die agrartechnische Stellungnahme des Dipl. Ing. S. als plausibel zu bewerten sei. Diese agrartechnische Stellungnahme sei sowohl dem gegenständlichen Baubewilligungsverfahren hinsichtlich der Errichtung einer Güllegrube als auch dem Baubewilligungsverfahren hinsichtlich der Erweiterung des bestehenden Rinderstalles und der Errichtung von sechs Silos sowie der Nutzungsänderung vom Wirtschaftsgebäude zur Traktorgarage auf demselben Bauplatz zugrunde gelegt worden, um die Geruchsimmissionen bzw. die Immissionsbelastung, hervorgerufen durch die beantragten Projekte, genau zu beurteilen. Aus dieser Beurteilung ergebe sich, dass es durch die geplanten Projekte im Vergleich zum rechtmäßig bestehenden Gebäudebestand zu einer wesentlichen Verringerung der Geruchszahlen komme und die Ortsüblichkeit jedenfalls gegeben sei. Weiters werde es im Vergleich zum Gebäudebestand auch Richtung der nordöstlich der Hofstelle gelegenen Nachbarliegenschaft (der Beschwerdeführer) zu keiner Ausweitung der Belästigungsgrenze, sondern zu einer Verringerung kommen. Dieses Gutachten sei schlüssig und geeignet, dem Verfahren zugrunde gelegt zu werden. Die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Behauptungen könnten dieses schlüssige Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. S. nicht entkräften. Es wäre an den Beschwerdeführern gelegen gewesen, ein Gutachten auf gleichem fachlichem Niveau vorzulegen. Das agrartechnische Gutachten komme zum Ergebnis, dass es bei Realisierung des Projektes zu einer Verbesserung der Emissions- bzw. Immissionssituation komme. Unter diesen Voraussetzungen sei die Einholung eines medizinischen Gutachtens nicht erforderlich gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Bauwerber und die mitbeteiligte Marktgemeinde haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen geltend, der Sachverständige Dipl. Ing. S. gehe in seinem agrartechnischen Gutachten von einem rechtmäßigen Bestand aus. Der Errichtungszeitpunkt der Gebäude sei allerdings nicht eruiert und die bescheidmäßige Bewilligung nicht überprüft worden. Es gebe keine Baubewilligung und es liege kein rechtmäßiger Bestand vor. Die Geruchszahlen für den nicht rechtmäßigen Bestand wären demnach abzuziehen gewesen, wodurch sich eine wesentliche Verschlechterung der örtlichen Verhältnisse ergeben hätte. Die Sachverständigengutachten basierten auf falschen Prämissen und kämen demnach zu unzutreffenden Ergebnissen. Die Beschwerdeführer lägen zur Gänze im Geruchsschwellenbereich und im Belästigungsbereich. Im Übrigen sei das Verfahren nicht entsprechend geführt worden, es sei nur ein Abspruch über die Güllegrube getroffen worden.

§ 26 Abs. 1 Stmk. BauG idF vor der Novelle LGBl. Nr. 49/2010

lautet:

"§ 26

Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;


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2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z 5);
4.
die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
5.
die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
6.
die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."
Gemäß § 23 Abs. 5 lit. f Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 sind Dorfgebiete Flächen, die vornehmlich für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in verdichteter Anordnung bestimmt sind, wodurch auch Wohngebäude und Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner dienen, errichtet werden können.
Die Baulandkategorie Dorfgebiet gewährt keinen Immissionsschutz, sodass ein Nachbarrecht gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG nicht besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0159).
Die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen betreffend Geruchsbelästigungen sind aber als Einwendungen im Sinne des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG zu sehen (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis vom ).
§ 13 Abs. 12 Stmk. BauG idF LGBl. Nr. 27/2008 lautet:

"(12) Lässt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten oder ist dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich, hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben."

Dem Beschwerdevorbringen, dass im Zusammenhang mit der bestehenden Immissionsbelastung zu Unrecht von einem rechtmäßigen Bestand ausgegangen worden sei, weil nicht feststehe, wann die einzelnen Stallungen errichtet worden seien, steht das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot entgegen.

Wenn auch die Flächenwidmung Dorfgebiet keinen Immissionsschutz vorsieht, kommt einem Nachbarn allerdings im Ergebnis gemäß § 13 Abs. 12 Stmk. BauG ein gewisser Immissionsschutz zu, der unabhängig von der Flächenwidmung gegeben ist.

Festzuhalten ist zunächst, dass - entgegen dem Beschwerdevorbringen - über beide eingangs dargestellten Bauansuchen des Bauwerbers vom abgesprochen wurde. Das Ansuchen für die Erweiterung des bestehenden Rinderstalles und die Errichtung von sechs Silos sowie die Nutzungsänderung vom Wirtschaftsgebäude zur Traktorgarage wurde nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom bewilligt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Die Baubehörden haben sich bei ihrer Beurteilung, ob von dem geplanten Bauvorhaben eine das ortsübliche Ausmaß überteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei, auf das von einem Amtssachverständigen auf seine Plausibilität überprüfte immissionstechnische Gutachten des Dipl. Ing. S. gestützt. Nach dieser Beurteilung komme es durch die Bauvorhaben im Vergleich zum rechtmäßig bestehenden Gebäudebestand zu einer wesentlichen Verringerung der Geruchszahlen. Diesen schlüssigen und nachvollziehbaren Aussagen sind die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die Ansicht der belangten Behörde, dass mit dem gegenständlichen Bauvorhaben keine das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen für die Beschwerdeführer verbunden sind, kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am