VwGH vom 27.07.2016, 2013/13/0084

VwGH vom 27.07.2016, 2013/13/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Wirtschaftsprüfer in 1090 Wien, Berggasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2183-W/11, betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr von Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen für die Jahre 2004 bis 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.231,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde durch die gemäß § 270 Abs. 3 BAO i.d.F. vor dem FVwGG 2012 bestellte Referentin eine Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen Bescheide des Finanzamtes als unbegründet ab.

2 Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der u. a. geltend gemacht wird, in der Berufung sei gemäß § 282 Abs. 1 Z 1 BAO i.d.F. vor dem FVwGG 2012 die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt worden. Die beschwerdeführende Partei sei u.a. dadurch in ihren Rechten verletzt, dass ein Einzelorgan und nicht der zuständige Berufungssenat entschieden habe.

3 In der mit der Aktenvorlage erstatteten Gegenschrift der belangten Behörde wird dazu ausgeführt, die Referentin sei "davon ausgegangen, dass mit dem Antrag auf Zurückziehung der mündlichen Berufungsverhandlung die mündliche Senatsverhandlung - wie im Vorhalt angeführt - zurückgezogen wurde".

4 In der Replik der beschwerdeführenden Partei auf die Gegenschrift wird dazu u.a. angemerkt, dass zwischen den Antragsrechten nach § 282 Abs. 1 Z 1 BAO i.d.F. vor dem FVwGG 2012 (Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat) und § 284 Abs. 1 Z 1 BAO i.d.F. vor dem FVwGG 2012 (Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu unterscheiden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Der Berufungsschriftsatz der beschwerdeführenden Partei

endete mit folgenden Ausführungen:

"Es wird vorsorglich die Abhaltung einer mündlichen

Berufungsverhandlung gem. § 284(1) BAO beantragt.

Es wird vorsorglich die Entscheidung durch den gesamten

Berufungssenat gem. § 282(1) BAO beantragt."

6 Die Referentin der belangten Behörde richtete dazu

folgenden Vorhalt an die beschwerdeführende Partei:

"In der Berufung wurde vorsorglich der Antrag auf mündliche

Senatsverhandlung gestellt. Es wird ersucht bekannt zu geben, ob der Antrag auf mündliche Senatsverhandlung aufrecht bleibt."

7 Die beschwerdeführende Partei beantwortete dies wie folgt:

"Der Antrag auf eine mündliche Berufungsverhandlung wird zurückgezogen."

8 Bei dieser Sachlage ist der in der Gegenschrift formulierte Standpunkt nicht nachvollziehbar. Die beschwerdeführende Partei hatte deutlich getrennt von zwei im Gesetz vorgesehenen Antragsmöglichkeiten Gebrauch gemacht. Die daran anknüpfende Frage der belangten Behörde nach der Aufrechterhaltung des Antrages "auf mündliche Senatsverhandlung" konnte ihrem Wortlaut nach nur auf den ersten dieser Anträge und nicht darauf bezogen werden, in welcher Besetzung bei Unterbleiben einer "Senatsverhandlung" entschieden werden solle. Selbst ein die Formulierung der belangten Behörde aufgreifender Verzicht auf eine "mündliche Senatsverhandlung" hätte keine Zurücknahme des Antrages auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat bedeutet. Die beschwerdeführende Partei hat sich aber nicht dieser Formulierung bedient, sondern in Fortführung der schon im Berufungsschriftsatz befolgten Trennung der vom Gesetz eingeräumten Antragsmöglichkeiten den "Antrag auf eine mündliche Berufungsverhandlung" und somit eindeutig nur den ersten der beiden am Schluss des Berufungsschriftsatzes gestellten Anträge zurückgezogen.

9 Die Entscheidung oblag gemäß § 282 Abs. 1 Z 1 BAO i.d.F. vor dem FVwGG 2012 daher nicht der Referentin, sondern dem gesamten Berufungssenat, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben war (vgl. zum umgekehrten Fall einer Unzuständigkeit des gesamten Berufungssenates das Erkenntnis vom , 2005/13/0090, 0091).

10 Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Umfang des Begehrens (hinsichtlich der Barauslagen in der entrichteten Höhe) gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

11 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am