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VwGH 28.06.2016, 2013/13/0072

VwGH 28.06.2016, 2013/13/0072

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Der bloße Hinweis auf den Zeitpunkt der "Einbuchung des Kaufpreises" in einem noch nicht abgeschlossenen Rechenwerk sowie darauf, dass anderes laufend verbucht worden sei, reicht - im Hinblick auf das Fehlen von konkreten Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen - für die Annahme einer verdeckten Ausschüttung nicht aus. (Hier: Eine GmbH hat ihrem Geschäftsführer im März 2010 ein im Jahr 2006 angeschafftes Geschäftslokal verkauft und dieser Verkauf wurde von der GmbH nicht vor dem Ende des Wirtschaftsjahres verbucht. Der Geschäftsführer wurde als Empfänger von Kapitalerträgen zur Entrichtung von Kapitalertragsteuer für das Jahr 2010 herangezogen.)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Mag. Ursula Zimmerl, Steuerberaterin in 1180 Wien, Sternwartestrasse 82, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2051-W/12, betreffend

u. a. Kapitalertragsteuer für das Jahr 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Kapitalertragsteuer für das Jahr 2010) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Beschwerdeführer ist geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH mit Liegenschaften in Wien. Im Zuge einer nach den Angaben in der Beschwerde "im Jahr 2011" bei der GmbH durchgeführten "Betriebsprüfung für die Jahre 2006-2009" sowie "Umsatzsteuernachschau für den Zeitraum 1/2010 bis 7/2011", über die der angefochtene Bescheid keine näheren Angaben enthält und zu der auch keine Aktenteile vorgelegt wurden, stellte sich u. a. heraus, dass die GmbH dem Beschwerdeführer im März 2010 ein im Jahr 2006 angeschafftes Geschäftslokal "verkauft" habe und dieser "Verkauf" nicht vor dem Ende des Wirtschaftsjahres verbucht worden sei.

2 Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer als Empfänger von Kapitalerträgen zur Entrichtung von Kapitalertragsteuer für das Jahr 2010 heran, was insoweit, als es den "Verkauf" des Geschäftslokals betraf, wie folgt begründet wurde:

"Das 119 m2 große Geschäftslokal wurde im Oktober 2006 um Euro 135.000,- netto angeschafft. Bis zum Verkauf wurden laut Anlageverzeichnis Euro 102.000,- investiert. Im März 2010 wurde das GL an den (Beschwerdeführer) um Euro 120.000,- netto zuzüglich 20 % USt verkauft. Von der (GmbH) wurde keine Ausgangsrechnung erstellt (nachvollziehbar aufgrund der Rechnungsnummern des Jahres 2011). In der Buchhaltung ist der Verkauf nicht erfasst. In den Umsatzsteuervoranmeldungen wurde der Verkauf nicht gemeldet. Es wurde weder eine Forderung an den Gesellschafter eingestellt, noch eine Buchung über das Verrechnungskonto getätigt. Ein schlüssiger und nachvollziehbarer Nachweis, wieso der Verkauf zu einem Preis von nur rd der Hälfte der eingesetzten Aufwendungen (Anschaffung und Investitionen) erfolgte, wurde nicht vorgelegt. In Anwendung des § 184 BAO wurde daher als Mindestverkaufswert mangels Nachweises von geringeren erzielbaren Werten der Einstandspreis angesetzt.

Die Höhe der verdeckten Ausschüttung ist daher mit dem Wert der Liegenschaft (Einsatz) anzusetzen. Die von der (GmbH) getragenen Aufwendungen nach dem Verkauf an den Gesellschafter sind gleichfalls, da sie nicht von ihm gefordert wurden, als verdeckte Ausschüttung zu berücksichtigen."

3 Begründet wurde darüber hinaus noch die Ermessensentscheidung zur unmittelbaren Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Empfänger der Kapitalerträge.

4 In der (auch andere Bescheide betreffenden) Berufung brachte die Vertreterin des Beschwerdeführers dagegen vor:

"Was die X-Gasse 41 betrifft, hat es sich nie um ein Investitionsobjekt gehandelt, sondern um ein Ersatzobjekt, das zur Ausmietung eines Mieters in der X-Gasse 4 gedacht war. Dieser Mieter wollte die Umbauten, die laut Klient nur 70.500 betrugen, als Bedingung für die Übersiedlung. Es handelte sich dabei ausschließlich um Spezialumbauten für eine Wäscherei. Für einen anderen Gewerbebetrieb waren diese Umbauten wertlos. Der Mieter hat es sich in letzter Sekunde anders überlegt. Der ganze Fall wurde dann bei Gericht entschieden. Darauf hin mussten alle Investitionen wieder rückgängig gemacht werden. Genau genommen wären diese Kosten auf die X-Gasse 4 zu aktivieren gewesen.

Die 120.000 Euro entsprachen beim Verkauf dem Zeitwert der Liegenschaft. Die Liegenschaft wurde um 135.000 Euro gekauft. Der Grund warum der Verkauf um 10 % niedriger war, war, dass zu diesem Zeitpunkt der gesamte Immobilienmarkt zusammengebrochen war und es überhaupt keine Nachfrage gab. Das Objekt stand auch ein ganzes Jahr leer.

Abschließend möchte ich noch begründen, wieso in jedem Fall die Absicht auf eine Vorteilsgewährung gefehlt hat:

In allen oben genannten Fällen hat sich (der Beschwerdeführer) selber geschadet: (Der Beschwerdeführer) hat in allen Fällen bei seiner eigenen Steuererklärung die Möglichkeit sich die Vorsteuern zu holen, er hat also keinen Vorteil, wenn die Vorsteuer in der (GmbH) bleibt. Des weiteren schreibt die (GmbH) sehr hohe Verluste (in der Bescheidbegründung auch ausgeführt), womit Erlösminderungen ohne Wirkung bleiben, während dessen (der Beschwerdeführer) bei seiner eigenen Steuererklärung Gewinne erwirtschaftet. Er hätte diese Ausgaben durchaus brauchen können. Und zu guter letzt hat (der Beschwerdeführer) sehr hohe Forderungen an die (GmbH), die im Falle eines Konkurses als Eigenmittelersatz verloren wären. Da wäre es doch viel klüger gewesen sich die Immobilien zu einem höheren Preis zu verkaufen, weil zahlen hätte er sie aufgrund der hohen Gesellschafterleistungen ohnehin nicht müssen und die höheren Aufwendungen hätte er steuerwirksam in der eigenen Steuererklärung gehabt."

5 Das Finanzamt verwies in seiner Stellungnahme dazu auf die (nicht vorliegende) Niederschrift über die Schlussbesprechung und den (nicht vorliegenden) Bericht betreffend die Prüfung der GmbH, äußerte sich zum Verkehrswert des Geschäftslokals "bei Verkauf an den Gesellschafter" und wies für den Fall, dass der "Kaufpreis laut Kaufvertrag" als angemessen angesehen werde, darauf hin, "dass auch dieser Betrag keinen Eingang in die Buchhaltung (und auch nicht in die UVA) des Unternehmens gefunden hat".

6 Einen Vorhalt der belangten Behörde zu den Kosten und der Rückgängigmachung der Umbauten beantwortete der Beschwerdeführer mit einer Schilderung des Verlaufs der Verhandlungen mit dem Mieter des Geschäftslokals in der X-Gasse 4 und mit der Vorlage von Unterlagen betreffend die Arbeiten am Lokal in der X-Gasse 41. Zum Vorwurf des Finanzamts, auch der vereinbarte Kaufpreis habe keinen Eingang in die Buchhaltung gefunden, äußerte sich die Vertreterin des Beschwerdeführers wie folgt:

"Ich habe nochmals nachgesehen, die Betriebsprüfung war bis zum Jahr 2009 und die fehlende Rechnung der X-Gasse 41 war im Jahr 2010 und im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau bemängelt worden. Zu dem Zeitpunkt war noch kein Jahresabschluss erstellt."

7 Der Referent der belangten Behörde beantwortete dies mit dem Hinweis auf eine Kommentarstelle, wonach "eine bereits verwirklichte verdeckte Ausschüttung nach Ablauf des betreffenden Wirtschaftsjahres nicht mehr rückgängig gemacht werden" könne:

"Da der Kaufpreis für die X-Gasse 41 bis zum Ablauf des betreffenden Wirtschaftsjahres nicht eingebucht worden ist, liegt mE in Höhe des Kaufpreises jedenfalls eine verdeckte Ausschüttung vor."

8 Hierauf replizierte die Vertreterin des Beschwerdeführers:

"(D)er Kommentar nimmt Bezug auf eine bereits verwirklichte Ausschüttung, die rückgängig gemacht werden sollte. Aber ich gehe davon aus, dass der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung noch gar nicht verwirklicht werden konnte. In Wirklichkeit war es ja so, dass die Belege für eine Umsatzsteuernachschau zur Verfügung gestellt wurden. Vor diesem Hintergrund wurden die Belege von der Buchhalterin - ohne Prüfung von der Geschäftsführung und mir - im ‚Rohzustand' übergeben. Hätten wir gewusst, dass die Umsatzsteuernachschau eigentlich eine Vollprüfung ist, hätten wir die Belege vorher genau kontrolliert.

Die Tatsache, dass die Buchhalterin die Einbuchung der besagten Rechnung vergessen hat, hatte ohnehin die Konsequenz, dass die Umsatzsteuer (zu Recht) mit allen Strafzuschlägen nachverrechnet wurde. Aber man kann aus der Fehlleistung der Buchhalterin nicht den Willen einer verdeckten Gewinnausschüttung ableiten. M.E. kann man den Willen des Gesellschafters frühestens mit der Einreichung der Steuererklärungen bzw. Unterschrift auf der Bilanz ableiten. Außerdem möchte ich nochmals zu bedenken geben, dass eine kostenlose Entnahme des Grundstückes für den Gesellschafter ein Negativgeschäft gewesen wäre. Die (GmbH) hat so hohe Verluste, dass der Verkaufsgewinn sich steuerlich gar nicht ausgewirkt hätte, während dessen der Gesellschafter sehr wohl Steuern zahlt und die Abschreibung des Gebäudes sehr wohl brauchen kann. Die Umsatzsteuer wäre so und so ein Durchläufer gewesen."

9 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als sie den zum Anschaffungspreis von EUR 135.000,-- hinzugezählten Zeitwert der Investitionen mit nur mehr EUR 40.000,-- schätzte und den Wert des Objektes "zum Zeitpunkt des Verkaufs an den Bw." somit niedriger ansetzte als das Finanzamt. Die Einbuchung des Kaufpreises sei "unstrittig aber erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres vorgenommen" worden, "weshalb auch der vereinbarte Kaufpreis von 120.000 EUR Teil der verdeckten Ausschüttung darstellt. Zu der angeblich irrtümlich unterbliebenen Verbuchung wird auf Punkt 3 verwiesen. Was schließlich das Vorbringen anlangt, eine kostenlose Entnahme des Grundstückes wäre für den Gesellschafter ein Negativgeschäft gewesen, so ist darauf hinzuweisen, dass es nicht auf einen fiktiven Sachverhalt ankommt, mag dieser auch wirtschaftlich sinnvoller sein als der tatsächlich verwirklichte."

10 Punkt 3) der Bescheidbegründung lautet:

"3) Übrige Kostentragungen durch die (GmbH)

Der Bw. argumentiert damit, dass sämtliche Beträge auf irrtümliche Verbuchungen durch die ehemaligen Steuerberater zurückzuführen sind.

Es mag sein, dass im Einzelfall Irrtümer unterlaufen können. Dass dies bei der hier vorliegenden Fülle von Einzelbuchungen der Fall war, ist allerdings im höchsten Maße unwahrscheinlich. Überdies ist in Rechnung zu stellen, dass die tatsächlich verbuchten Belege den Steuerberatern offensichtlich regelmäßig von der (GmbH) zur Verbuchung übergeben worden sein müssen, was die Vorteilszuwendungsabsicht dokumentiert. Der Berufung konnte daher in diesem Punkt keine Folge gegeben werden."

Dagegen richtet sich die vorliegenden Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage von Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Abgabenbescheids in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist. Auch ist auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren sachverhaltsbezogen im Einzelnen einzugehen (vgl. zuletzt etwa die Erkenntnisse vom , 2011/13/0096, und vom , 2013/13/0012).

12 Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid in Bezug auf die angenommene Absicht einer Vorteilszuwendung schon deshalb nicht gerecht, weil er - wie die Beschwerde mit Recht geltend macht - auf die im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente nicht eingeht. Die kostenlose Entnahme des Geschäftslokals, deren geltend gemachte Sinnlosigkeit die belangte Behörde als Behauptung über einen "fiktiven Sachverhalt" abtut, ist der zwar nirgends ausdrücklich festgestellte, mit dem Hinweis auf die verspätete Einbuchung der Kaufpreisforderung und die Unmöglichkeit, eine "bereits verwirklichte" Ausschüttung nach Ablauf des Wirtschaftsjahres rückgängig zu machen, dem angefochtenen Bescheid aber implizit zugrunde gelegte Sachverhalt. Damit wäre die belangte Behörde aber auch gehalten gewesen, sich mit Argumenten gegen dessen Vorliegen auf nachvollziehbare Weise auseinander zu setzen.

13 Zwischen dem Beschwerdeführer und der GmbH wurde - aktenkundig, aber im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt - am ein anwaltlicher und der Eintragung des Beschwerdeführers im Grundbuch zugrunde gelegter Kaufvertrag errichtet, der in § 2 eine detaillierte Regelung der Bezahlung der auf den Kaufpreis entfallenden Umsatzsteuer durch Umbuchung vom Finanzamtskonto des Beschwerdeführers auf das Steuerkonto der GmbH enthält und in dessen § 2 es über die Entrichtung des Kaufpreises im Übrigen heißt, er sei "bereits mit vom Käufer erbrachten Leistungen gegenüber der Verkäuferin intern gegenverrechnet" worden. Gab es diese Leistungen nicht oder wäre feststellbar, dass die daraus resultierenden Forderungen durch die im Vertrag demnach nur zum Schein behauptete Gegenverrechnung nicht verringert werden sollten, so könnte dies den Standpunkt der belangten Behörde tragen. Der bloße Hinweis auf den Zeitpunkt der "Einbuchung des Kaufpreises" in einem noch nicht abgeschlossenen Rechenwerk sowie darauf, dass anderes laufend verbucht worden sei, reicht dafür - im Hinblick auf das Fehlen von konkreten Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen einer verdeckten Ausschüttung - nicht aus.

14 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

16 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am

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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:2013130072.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAE-84729