VwGH vom 25.09.2019, Ra 2019/19/0391

VwGH vom 25.09.2019, Ra 2019/19/0391

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W124 1437085- 2/22E, W124 1437086-3/26E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Parteien: 1. A M F alias F M M, und 2. M F, beide in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Beschlüsse werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.

Begründung

1 Die erstmitbeteiligte Partei ist der Vater der zweitmitbeteiligten Partei. Beide Mitbeteiligten sind Staatsangehörige Afghanistans und stellten am Anträge auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheiden jeweils vom wies das (damals zuständige) Bundesasylamt (BAA) die Anträge der Mitbeteiligten sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab und sprach deren Ausweisung nach Afghanistan aus.

3 In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerden vom behob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschlüssen vom die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG und verwies die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.

4 Mit Schriftsatz vom erhoben die Mitbeteiligten Säumnisbeschwerden. Mit "Beschlüssen" des BVwG vom wurde das BFA gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG beauftragt, die versäumten Bescheide unter Zugrundelegung der in den Beschlüssen vom festgelegten Rechtsanschauung des BVwG binnen acht Wochen zu erlassen. Mit Schreiben vom teilte das BFA mit, dass nach individueller Prüfung des Aktes eine Erledigung im vorliegenden Fall nicht fristgemäß erfolgen könne. In der Folge führte das BVwG mündliche Verhandlungen durch.

5 Am langte ein als "Mitteilung" bezeichnetes Schreiben der durch einen näher bezeichneten Verein vertretenen Mitbeteiligten mit folgendem Wortlaut beim BVwG ein: "Mitgeteilt wird, dass die Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz und subsidiären Schutz entsprechend Spruchpunkt I und Spruchpunkt II der Bescheide vom (13 00.746-BAL und 13 00.750-BAL) zurückgezogen werden." 6 Mit Beschlüssen des BVwG vom wurden daraufhin die Verfahren betreffend die Mitbeteiligten wegen Zurückziehung der Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesasylamts vom hinsichtlich Spruchpunkt I (Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten) und Spruchpunkt II (Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten) eingestellt. Das BVwG sprach auch aus, dass eine Revision nicht zulässig sei. Beweiswürdigend führte es aus, dass sich aus dem Wortlaut und dem Inhalt der schriftlichen Erklärung des rechtsfreundlichen Vertreters der Mitbeteiligten vom unzweifelhaft ergebe, dass der Wille der Mitbeteiligten auf die Zurückziehung der Beschwerden vom gerichtet sei.

7 Die vorliegende Amtsrevision führt in ihrer Zulässigkeitsbegründung auf das Wesentliche zusammengefasst ins Treffen, Anbringen - wie es auch Zurückziehungen von Anbringen einschließlich Beschwerden sind - seien grundsätzlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Das BVwG habe ausdrücklich die Bescheidbeschwerdeverfahren gegen die Spruchpunkte I. und II. der Bescheide des BAA vom eingestellt. Bei einem Rechtsmittelverzicht oder einer Rechtsmittelzurückziehung sei grundsätzlich nur die Erklärung des Willens maßgeblich. Die Zurückziehung eines Anbringens sei wirkungslos, wenn über dieses bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Hierbei verkenne das BVwG, dass es die Bescheidbeschwerden bereits mit Beschluss vom rechtskräftig entschieden habe. Die Beschwerden seien daher nicht Sache der beim BVwG anhängigen Säumnisbeschwerdeverfahren gewesen. Das Zurückziehungsschreiben der mitbeteiligten Parteien sei daher wirkungslos gewesen. Durch das Einstellen eines nicht anhängigen Bescheidbeschwerdeverfahrens weiche das BVwG von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wirkung von Rechtsmittelzurückziehunge n nach Rechtskraft und zur Sache des Säumnisbeschwerdeverfahrens ab.

8 Die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie beantragten, die Revision nicht zuzulassen, allenfalls abzuweisen.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Amtsrevision erwogen:

10 Die Amtsrevision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 11 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits - zum gemäß § 17 VwGVG auch vom Verwaltungsgericht anzuwendenden § 13 AVG - ausgesprochen hat, kommt es bei der Auslegung von Parteianbringen auf das aus diesen erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dem Geist des AVG ist ein übertriebener Formalismus fremd, weswegen auch bei der Auslegung von Parteianbringen im Sinn des § 13 AVG kein streng formalistischer Maßstab anzulegen ist. Wenn sich der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens als unklar erweist, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 iVm § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (vgl. etwa , mwN; siehe zur Auslegung nach dem objektiven Erklärungswert auch , mwN). 12 Es ist der Amtsrevision dahingehend zuzustimmen, dass dem als "Mitteilung" titulierten Schreiben der durch einen näher bezeichneten Verein vertretenen Mitbeteiligten vom ein eindeutiger Erklärungswert zukam, der keine weiteren Interpretationsvorgänge erforderlich machte (vgl. dazu etwa ). Daran ändert auch nichts, dass das Datum der Bescheide in der Mitteilung statt mit mit angegeben wurde, da nach dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens die Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz und subsidiären Schutz entsprechend Spruchpunkt I. und Spruchpunkt II. der Bescheide zurückgezogen und zudem die Aktenzahlen der Bescheide vom angeführt wurden.

13 Auch das BVwG ging in seinen Beschlüssen vom davon aus, dass sich aus dem Wortlaut und dem Inhalt der schriftlichen Erklärung des rechtsfreundlichen Vertreters der Mitbeteiligten unzweifelhaft ergebe, dass der Wille von diesen auf die Zurückziehung der (Bescheid)Beschwerden vom gerichtet sei. Dabei übersah das BVwG aber - wie die Amtsrevision richtig ausführt -, dass die Beschwerden vom bereits durch den Beschluss des BVwG vom rechtskräftig erledigt wurden. Eine Zurückziehung der Beschwerden war daher mit dem im Oktober 2018 beim BVwG eingelangten Schreiben gar nicht mehr möglich (vgl. etwa , mwN, zwar im Hinblick auf die Zurückziehung eines Antrages nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides; dies ist aber auf den vorliegenden Fall der Zurückziehung einer bereits erledigten Beschwerde übertragbar). Da zum Zeitpunkt des Beschlusses kein die Beschwerden vom betreffendes Verfahren vor dem BVwG mehr anhängig war, war der angefochtene Beschluss somit mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes belastet. Auf die vom BFA eventualiter aufgeworfenen Rechtsfragen muss folglich nicht mehr eingegangen werden.

14 Die angefochtenen Beschlüsse waren aufgrund der vorstehenden Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190391.L00
Schlagworte:
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens

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