VwGH vom 15.06.2010, 2008/22/0453
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Mag. Thomas Adocker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 148.426/2- III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung (für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG) gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am in das Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe, der mit rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Dieser sei vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom (gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG) zurückgewiesen worden. In der fristgerecht eingebrachten Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom rechtskräftig abgewiesen worden sei und er demnach über kein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz mehr verfüge. Daher sei das NAG nunmehr auf ihn anzuwenden.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden, dass die Bestimmung des § 21 NAG der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehe, und er sei zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. In der dazu ergangenen Stellungnahme habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen angegeben, seit mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet zu sein und am einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 FrG gestellt zu haben. Er sei daher gemäß § 21 Abs. 2 "Z. 2" NAG zur Inlandsantragsstellung und überdies durch die Antragstellung zum weiteren Verbleib im Bundesgebiet berechtigt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der gegenständliche Antrag entgegen den Bestimmungen des NAG gestellt worden sei. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei jedenfalls seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens nicht rechtmäßig. Da sich der Beschwerdeführer auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag nicht rechtmäßig im Inland aufgehalten habe, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung entgegen. Die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin allein stelle noch kein Aufenthaltsrecht nach dem NAG dar. Die belangte Behörde habe keine humanitären Gründe im Sinne des § 72 NAG erkennen können, zumal die Einreise des Beschwerdeführers illegal erfolgt und er allein wegen eines Asylantrages vorübergehend aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Die Inlandsantragstellung werde daher auch nicht gemäß den §§ 74 und 75 NAG vom Amts wegen zugelassen.
Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Kriterien der Freizügigkeitsrichtlinie.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Prozessgegenstand einer Berufungsentscheidung nach § 66 AVG ist jene Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Instanz vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, so darf die Berufungsbehörde keine Sachentscheidung treffen, weil damit der Partei in der Sachfrage eine Instanz genommen wäre (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 66 AVG, Seite 1273 ff, angeführte hg. Rechtsprechung, sowie das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0070, mwN).
Im gegenständlichen Fall wies die Behörde erster Instanz den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels lediglich aus Formalgründen, nämlich der von ihr konstatierten Unanwendbarkeit des NAG, zurück. Demnach lag ausschließlich ein verfahrensrechtlicher Bescheid vor, mit dem eine Entscheidung in der Sache, d.h. in der Angelegenheit, die den Inhalt des Antrages bildete, abgelehnt wurde (vgl. nochmals das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0070). Daher war die belangte Behörde als Berufungsbehörde lediglich zur Entscheidung befugt, ob die von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen war. Dies allein bildete den Gegenstand des Berufungsverfahrens. Da die belangte Behörde hingegen den von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen Zurückweisungstatbestand als nicht gegeben ansah und in weiterer Folge ungeachtet des Gegenstandes des Berufungsverfahrens eine inhaltliche Entscheidung traf, überschritt sie die ihr im Berufungsverfahren gesetzten Grenzen und belastete ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-84714