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VwGH vom 15.06.2010, 2008/22/0451

VwGH vom 15.06.2010, 2008/22/0451

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 34, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 146.911/2/III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines tunesischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass der (im Februar 2005 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereiste) Beschwerdeführer am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe. Nach dem am in Kraft getretenen NAG sei der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gerichtet zu werten. Da der Beschwerdeführer den Antrag im Inland gestellt und sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten habe, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung entgegen.

Gemäß § 74 NAG könne die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt würden. Besonders berücksichtungswürdige Gründe habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung jedoch nicht angegeben; auch aus dem Verwaltungsakt seien keine solchen zu ersehen. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.

Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargetan, dass seine Ehefrau das Recht auf die (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Weder der Berufung noch dem sonstigen Akteninhalt sei ein Anhaltspunkt für die Inanspruchnahme dieses Rechts zu entnehmen. Der Beschwerdeführer könne daher auch kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006 anzuwenden ist, auch wenn der Antrag vor Inkrafttreten des NAG () gestellt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0007, mwN).

Die Beschwerde behauptet nicht, dass die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Recht auf Freizügigkeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat als Österreich ausgeübt hätte. Die in diesem Zusammenhang mit Blick auf den Gleichheitssatz in der Beschwerde geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Bestimmungen des NAG werden vom Verfassungsgerichtshof nicht geteilt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G 244/09 u.a.). Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit liege vor, bleibt dies ohne jegliche Konkretisierung. Wenn der Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, es reiche dafür die österreichische Staatsbürgerschaft seiner Ehefrau aus, so kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2009/22/0347, mwN, verwiesen werden.

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag - ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel für Österreich verfügt hat - um einen Erstantrag, der nach dem am in Kraft getretenen NAG als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu qualifizieren ist, handelt und der Beschwerdeführer die Entscheidung über diesen Antrag entgegen § 21 Abs. 1 NAG auch nach dem Inkrafttreten des NAG nicht im Ausland abgewartet hat. Dazu wäre der Beschwerdeführer allerdings dem Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend verpflichtet gewesen, zumal kein Anhaltspunkt für die Erfüllung eines Ausnahmetatbestandes des § 21 Abs. 2 NAG vorliegt. Entgegen der Beschwerdeansicht vermochte die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin dem Beschwerdeführer nämlich auch nach dem damals geltenden Fremdengesetz 1997 nicht automatisch ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0007, mwN).

Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht.

In der Beschwerde wird der belangten Behörde vorgeworfen, sie habe keine Abwägung zwischen den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und den öffentlichen Interessen an der Nichterteilung des Aufenthaltstitels durchgeführt. Ohne nähere Ausführungen vertritt die Beschwerde die Ansicht, die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK lägen nicht vor.

Es kann allerdings nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde die Inlandsantragstellung nicht gemäß § 74 NAG zugelassen hat. Sie durfte die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu Lasten des Beschwerdeführers vornehmen. Dieser kann zwar auf eine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin verweisen, hielt sich jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides lediglich zwei Jahre und vier Monate - unrechtmäßig - im Bundesgebiet auf. Eine berufliche Integration des Beschwerdeführers wurde im Bescheid nicht festgestellt, dem Verwaltungsakt ist jedoch zu entnehmen, dass er - zumindest zeitweise - beschäftigt war. Die belangte Behörde hat jedoch fallbezogen im Ergebnis zutreffend das Vorliegen eines besonders berücksichtungswürdigen Falls verneint, die Inlandsantragstellung nicht zugelassen und den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-84709