VwGH 28.06.2016, 2013/13/0056
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Beschwerde der A Ges.m.b.H. in W, vertreten durch die Wurst Ströck Weiß Rechtsanwälte Partnerschaft in 1010 Wien, Mahlerstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3249-W/09, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2005 bis 2008, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 An der beschwerdeführenden GmbH, einer Aufzugsfabrik, waren in den Streitjahren 2005 bis 2008 A zu 25% und H zu 75% beteiligt. A hatte die Geschäftsführung inne, H war als Prokurist der Beschwerdeführerin tätig.
2 Im Zuge einer den Streitzeitraum betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, dass unter dem Titel "Provisionen an Unbekannte" auf dem Konto 6574 im Jahr 2005 EUR 31.600,--, im Jahr 2006 EUR 45.900,--, im Jahr 2007 EUR 21.395,-- und im Jahr 2008 EUR 19.120,-- als Aufwendungen verbucht worden waren. Diese Beträge waren von der Beschwerdeführerin außerbilanzmäßig dem Gewinn wieder hinzugerechnet worden.
3 Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass diese Beträge dem Gesellschafter H zuzurechnen seien. Es bestehe der begründete Verdacht, dass dieser der tatsächliche Empfänger der Zahlungen sei. H habe die Provisionen im Nachhinein - nach vollständiger Bezahlung des jeweiligen Projekts - in einer Höhe zwischen 4% und 8% der Auftragssumme ermittelt, diese vom Bankkonto behoben und bar ausbezahlt. Es gebe keinen Nachweis, ob ein Vertrag ohne diese Zahlungen zu Stande gekommen wäre oder ob der Prozentsatz mit einem Empfänger vereinbart worden sei. Auch lägen weder Zahlungsbestätigungen noch Leistungsnachweise für die Provisionen vor. Die einzigen Belege für die Provisionszahlungen seien die von H durchgeführten Abbuchungen vom Bankkonto. Es lägen daher verdeckte Gewinnausschüttungen an H vor.
4 Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ am den Prüfungsfeststellungen Rechnung tragende "Haftungs- und Abgabenbescheide" für die Jahre 2005 bis 2008, mit denen die Beschwerdeführerin zur Haftung für die auf die verdeckten Ausschüttungen an H entfallende Kapitalertragsteuer herangezogen wurde.
5 In der dagegen erhobenen Berufung vom brachte die Beschwerdeführerin vor, das Finanzamt habe die Vorgangsweise der letzten Betriebsprüfung (im Jahr 1996) beibehalten, ohne die Entwicklung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigen. Danach rechtfertige eine fehlende Empfängerbenennung zwar nach § 162 BAO die Versagung der diesbezüglichen Betriebsausgaben, sie stelle aber keine Rechtsgrundlage zur Beurteilung der Frage dar, ob eine verdeckte Ausschüttung vorliege und ob den Gesellschaftern entsprechende Beträge zugeflossen seien. Auch dem Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom sei zu entnehmen, dass Aufwendungen von juristischen Personen, für die die Abzugsfähigkeit mangels Empfängerbenennung nach § 162 BAO nicht bestehe, auf Ebene der Körperschaft grundsätzlich keine verdeckte Ausschüttung seien. Sie könnten nur dann als verdeckte Ausschüttung behandelt werden, wenn der begründete Verdacht bestehe, dass der Eigentümer der juristischen Person der Empfänger der Zahlungen sei.
6 Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, das Finanzamt habe den behaupteten "begründeten Verdacht" nicht ausreichend dargelegt. Bei Zahlungen an nicht genannte Personen gebe es keine offiziellen Vereinbarungen oder Empfangsbestätigungen. Die Glaubhaftigkeit der Auszahlung von Provisionen zur Erlangung bzw. nach Abschluss von Aufträgen sei vom Finanzamt ohne weitere Auseinandersetzung verneint worden. Provisionszahlungen seien im Baugewerbe weit verbreitet. Außerdem sei die Plausibilität der Provisionszahlungen trotz Angabe der betroffenen Projekte nicht überprüft worden. So hätten zum Beispiel die Höhe der jeweiligen Provision im Verhältnis zum Projektumfang sowie der Zeitpunkt der Auszahlung überprüft werden können.
7 In seiner Stellungnahme vom führte der Betriebsprüfer u.a. aus, die Beschwerdeführerin habe angegeben, an Hausverwaltungen und Hausvertrauensleute von Wohnungseigentumsgemeinschaften für die Beauftragung mit dem Einbau von Aufzügen Provisionen zu bezahlen. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei eine Plausibilitätsprüfung der Provisionszahlungen sehr wohl stichprobenartig erfolgt. Diese Prüfung habe ergeben, dass die Provisionszahlungen zeitlich erheblich nach dem jeweiligen Auftragseingang erfolgt seien. Dies sei ungewöhnlich, könne der Empfänger doch nicht sicher sein, die Provision später tatsächlich zu erhalten. Auch sei bedenklich, dass außer den Eigenbelegen keine objektiven Belege zum Nachweis der Höhe, der Empfänger und des Grundes der Provisionszahlungen existierten. Auch sei die Berechnung und Auszahlung der Provisionen nur aufgrund der Angaben des H erfolgt und es sei für alle bzw. eine Mehrheit der Projekte eine Provision ausbezahlt worden. Zuzugestehen sei allerdings auch, dass Provisionszahlungen in der Bauwirtschaft nichts Außergewöhnliches seien und H für seine Tätigkeit entsprechende Einkünfte erklärt habe.
8 In der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Betriebsprüfers vom führte die Beschwerdeführerin aus, die Provisionen würden bewusst erst nach Eingang einer Anzahlung ausbezahlt, weil nach Auftragserteilung noch eine Stornierung oder eine Abänderung des Auftrags möglich sei. Den Haussprechern und Hausverwaltungen komme eine Schlüsselrolle zu, weil diese die Kostenvoranschläge für den Aufzugseinbau einholten und später Wartungsverträge abschließen würden. Um Aufträge zu erhalten, seien Provisionen versprochen und ausbezahlt worden, weil die Beschwerdeführerin auf Folgeaufträge gehofft habe. Die Provisionsvereinbarungen seien nur mündlich getroffen worden, weil die Zahlungsempfänger erwartet hätten, dass keine Offenlegung erfolge. Die Vereinbarung über die Auszahlung einer Provision sei von der Geschäftsführung getroffen worden. A und H seien die einzigen Zeichnungsberechtigten für das Konto gewesen. Es sei daher logisch, dass die Provisionsbeträge immer von H behoben worden seien. Auch habe der Prüfer in seiner Stellungnahme bestätigt, dass Provisionszahlungen in der Bauwirtschaft nichts Außergewöhnliches seien und H in den Streitjahren Einkünfte in substantieller Höhe versteuert habe.
9 In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, dass auf Grund des Wiener Aufzugsgesetzes eine Sanierung zahlreicher Aufzüge notwendig gewesen sei. Vor allem Wohnungseigentumsgemeinschaften hätten die Beschwerdeführerin zur Angebotslegung aufgefordert. Seitens der Haussprecher sei ein Ersatz des für ihre Mühewaltung entstandenen Aufwands verlangt worden. Im Verhandlungsweg habe man sich stets auf 3,5% bis 5% der Auftragssumme geeinigt. Die Beschwerdeführerin habe sich verpflichtet gefühlt, diese Vereinbarungen einzuhalten, auch um Wartungsverträge zu erlangen.
10 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin habe im gesamten Verfahren keine Nachweise für die behauptete Weitergabe der von H behobenen Beträge beibringen können. Der Zahlungsfluss ende somit bei ihm. Die Behauptung, dass die Beträge tatsächlich an Dritte weitergegeben worden seien, sei nicht glaubwürdig. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung werde die Entscheidung, welche Firma mit der Durchführung von Sanierungsarbeiten beauftragt werde, nach Einholung mehrerer Kostenvoranschläge getroffen. Bei inhaltlich vergleichbaren Kostenvoranschlägen sei die Höhe der voraussichtlichen Kosten das entscheidende Kriterium. Dass Aufträge unabhängig von einem Kostenvergleich vergeben würden, widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens. Es sei daher auch nicht einsichtig, dass es einer Hausvertrauensperson trotz eines höheren Angebots möglich sein solle, die Willensbildung der Wohnungseigentümer zugunsten der Beschwerdeführerin zu beeinflussen. Der in einigen Fällen handschriftlich angebrachte Vermerk der jeweiligen Objektadresse auf den Kontoauszügen sei kein ausreichender Nachweis für die Weitergabe der Beträge, lägen diese Vermerke doch nicht lückenlos vor. Auch sei die Höhe der angeblich gezahlten Provisionen prozentuell verschieden. Eine nachvollziehbare Begründung sei dafür nicht vorgebracht worden. Auch sei es nicht glaubwürdig, dass jede Hausvertrauensperson zu ihrem eigenen Vorteil Entscheidungen der Wohnungseigentümer beeinflusse.
11 Selbst wenn man von einer Weitergabe der Beträge ausgehe, habe dazu keine rechtliche Verpflichtung bestanden. Auch seien die Provisionsempfänger rechtlich nicht verpflichtet gewesen, sich für die Erteilung weiterer Aufträge an die Beschwerdeführerin einzusetzen. Aufwendungen, die ganz allgemein dazu dienten, geschäftliche Kontakte zu pflegen, um in weiterer Folge als potentielle Auftragnehmer in Betracht gezogen zu werden, seien als Repräsentationsaufwendungen weder einkünftemindernd zu berücksichtigen, noch könnten sie die Höhe der dem Gesellschafter zugeflossenen Vorteile mindern.
12 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Abgabenbescheides in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist. Auch ist auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren sachverhaltsbezogen im Einzelnen einzugehen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 2012/13/0044 und 2012/13/0037).
14 Die Beschwerde übt substantiierte Kritik an der Beweiswürdigung der belangten Behörde und zeigt jedenfalls mit einem Teil dieser Ausführungen wesentliche Begründungsmängel auf. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Streitpunkt des Verfahrens zwar zunächst ausführlich wiedergegeben, sich damit in ihren anschließenden Erwägungen aber nicht auf nachvollziehbare Weise auseinandergesetzt.
15 So hat die belangte Behörde die unterschiedliche Provisionshöhe als Argument für die mangelnde Glaubwürdigkeit ins Treffen geführt, ohne auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen, wonach die Haussprecher gefordert hätten, dass ihnen der durch ihre Mühewaltung entstehende Aufwand ersetzt werde und man sich im Verhandlungsweg auf 3,5% bis 5% der Auftragssumme geeinigt habe. Auch hat die belangte Behörde die Beteuerungen der Beschwerdeführerin, wonach die - vom Prüfer ausdrücklich als in der Baubranche "nicht außergewöhnlich" bezeichneten - Provisionszahlungen zur Vermeidung der Offenlegung mündlich vereinbart worden seien, und die Auszahlung der Beträge bewusst erst nach Leistung einer Anzahlung erfolgt sei, weil nach Auftragserteilung noch die Möglichkeit einer Stornierung oder Änderung des Vertrages bestanden habe, unerörtert gelassen.
16 Weiters weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass dem Argument der belangten Behörde, wonach es nicht einsichtig sei, dass eine Hausvertrauensperson trotz eines höheren Angebots die Willensbildung der Wohnungseigentümer zugunsten der Beschwerdeführerin beeinflussen könne, die Nachvollziehbarkeit fehle, wurde im gesamten Verfahren doch weder behauptet noch festgestellt, dass die Angebote der Beschwerdeführerin höher gewesen wären als jene anderer Unternehmer. Dass bei Schmiergeldzahlungen eine Bekanntgabe, für welche rechtmäßigen Leistungen die angeblich weitergegebenen Beträge bezahlt worden seien, nicht ohne weiters möglich sei, wird im Übrigen auch in der Gegenschrift eingeräumt.
17 Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
18 Von der beantragen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
19 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
20 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:2013130056.X00 |
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Fundstelle(n):
TAAAE-84688