VwGH vom 15.06.2010, 2008/22/0436
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 316.164/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des im Jahr 1977 geborenen Beschwerdeführers, eines "jugoslawischen" Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG 1997" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier entscheidungsrelevant - aus, der Beschwerdeführer strebe mit seinem Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung die Familienzusammenführung mit seiner in Österreich lebenden Adoptivmutter, einer österreichischen Staatsbürgerin, an. Dieser Antrag sei nach der geltenden Rechtslage des NAG als Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" zu werten. Als Zusammenführende im Sinn des nach dem ab anzuwendenden NAG könne die Adoptivmutter herangezogen werden; aus der Aktenlage sei jedoch nicht ersichtlich, dass diese - wie unter Z. 3 lit. a und b des § 47 Abs. 3 NAG verlangt - dem Beschwerdeführer bereits im Herkunftsstaat Unterhalt gewährt oder mit diesem bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihm Unterhalt gewährt hätte. Somit seien die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG nicht gegeben. Auch eine Haftungserklärung sei von der Adoptivmutter nicht abgegeben worden. Die dem Antrag beiliegende "Unterhaltserklärung" vom entspreche nicht den Formalerfordernissen für eine Haftungserklärung.
In der Berufung habe der Beschwerdeführer u.a. vorgebracht, seit bei einem näher genannten Unternehmen in ungekündigter Stellung tätig zu sein und im Rahmen dieser Teilzeitbeschäftigung ein monatliches Gehalt von EUR 656,-- netto zu beziehen. Dabei handle es sich jedoch - so die belangte Behörde - um eine illegale Beschäftigung, weil der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels für die Republik Österreich sei. Sein Einkommen könne daher nicht zur Absicherung des Lebensunterhaltes angerechnet werden.
In weiterer Folge prüfte die belangte Behörde das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen für eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit".
Mit Schreiben vom habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Kopie eines Sparbuches mit einem Guthabensstand in der Höhe von EUR 13.550,01 per vorgelegt. Es sei nicht ersichtlich, in welchem Bezug dieses Sparbuch zum Beschwerdeführer stehe bzw. auf wen dieses identifiziert sei und ob der Beschwerdeführer überhaupt darüber verfügungsberechtigt sei. Es gebe keine Hinweise dafür, dass der angeführte Geldbetrag tatsächlich dem Beschwerdeführer zur Bestreitung seines Unterhaltes zur Verfügung stehe. Auch bei dem Kontoauszug betreffend das Konto des Beschwerdeführers mit einem Guthabensstand von EUR 2.006,54 handle es sich nicht um feste und regelmäßige Einkünfte. Selbst wenn man das Sparguthaben in der Höhe von EUR 13.550,01 und den Guthabensstand des Kontos von EUR 2.006,54 berücksichtigte, wären die finanziellen Mittel für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" nicht ausreichend.
Weiters legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach die Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG nicht zur Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels führe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zu Recht das NAG auf den gegenständlichen Fall angewendet hat, auch wenn der Antrag vor Inkrafttreten des NAG () gestellt wurde. Im Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war die Rechtslage des NAG idF BGBl. I Nr. 99/2006 maßgeblich.
Die Beschwerde bringt vor, die Adoptivmutter des Beschwerdeführers beziehe eine monatliche Pension von rund EUR 930,--, der Beschwerdeführer erziele selbst ein Einkommen von rund EUR 660,--. Die belangte Behörde habe das Sparguthaben der Adoptivmutter in der Höhe von EUR 13.550,01 und den Guthabensstand von über EUR 2.000,-- auf dem Konto des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt. Dies führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht dagegen gewendet hat, dass bereits die Erstbehörde den gegenständlichen Antrag als auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 NAG gerichtet beurteilt hat. Dafür, dass der Beschwerdeführer (nunmehr) eine Niederlassungsbewilligung nach § 42 Abs. 1 NAG beantragt hätte, gibt es keinen Hinweis. Da ein durch den Antrag des Beschwerdeführers bestimmter Verfahrensgegenstand von der Behörde grundsätzlich nicht eigenmächtig geändert werden kann, sind die Ausführungen und Berechnungen der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 NAG schon vom Ansatz her verfehlt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0071, mwN).
Gemäß § 8 Abs. 2 Z. 5 NAG berechtigt jedoch eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Da somit die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erwerbstätigkeit nach Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels nicht rechtmäßig wäre, ist die Ansicht der belangten Behörde, dass dieses Einkommen nicht zur Absicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers herangezogen werden könne, nicht zu beanstanden.
Die Adoptivmutter des Beschwerdeführers als Zusammenführende verfügt unbestritten über eine monatliche Pension in der Höhe von EUR 927,87. Dass sie damit nicht in der Lage ist, für sich und den Beschwerdeführer die für den beantragten Aufenthaltstitel erforderlichen Unterhaltsmittel im Ausmaß von jeweils EUR 726,-- (vgl. zum Ausmaß der zu verschaffenden Unterhaltsmittel für solche Konstellationen das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0632) zur Verfügung zu stellen, steht außer Zweifel. Entscheidend ist somit die Frage, ob das Sparguthaben der Adoptivmutter und der Guthabensstand am Konto des Beschwerdeführers bei der Eruierung der für die Unterhaltsleistung zur Verfügung stehenden Mittel zu berücksichtigen sind.
Hinsichtlich der Frage, ob Sparguthaben des Zusammenführenden zu berücksichtigen sind, gleicht der vorliegende Fall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0348 und 0349, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Da der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 1 NAG für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen wäre, ist die Differenz zwischen der Pension der Adoptivmutter und dem Bedarf von EUR 1.452,-- monatlich hochgerechnet auf ein Jahr durch das vorhandene Sparbuch mit einem Guthaben von insgesamt EUR 13.550,01 jedenfalls gedeckt. Somit hätte die belangte Behörde schon deshalb das Vorliegen ausreichender Unterhaltsmittel nicht verneinen dürfen.
Da somit die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Sparguthaben der Adoptivmutter unberücksichtigt ließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das über den in der genannten Verordnung enthaltenen Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand hinausreichende Mehrbegehren war abzuweisen, weil Umsatzsteuer im Pauschalsatz bereits enthalten ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
WAAAE-84674