Suchen Hilfe
VwGH vom 06.07.2010, 2008/22/0434

VwGH vom 06.07.2010, 2008/22/0434

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 146.629/2-III/4/06, betreffend Daueraufenthaltskarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der gegenständlichen Beschwerdesache hat die erstinstanzliche Behörde (der Landeshauptmann von Wien) den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" mit Bescheid vom gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 1 Abs. 2 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer nach seiner Einreise nach Österreich am einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe, der gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen worden sei; gemäß § 8 AsylG sei jedoch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nicht zulässig. Der Beschwerdeführer habe eine bis gültige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 2005 erhalten.

Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am persönlich den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 1 Abs. 2 Z. 1 und 81 Abs. 1 NAG - aus, dass das NAG auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar sei, weil er über eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfüge und daher zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Der Beschwerdeführer erfülle auch nicht die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) und könne daher kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen. Aus dem Akteninhalt sei nicht ersichtlich, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Recht auf die (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1875/06, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof mit gesondertem Beschluss vom zur Entscheidung abgetreten hat. Über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" abgesprochen. Ein derartiger Antrag sei jedoch nie gestellt worden; für eine eigenmächtige Umdeutung des Antrages habe keine Rechtsgrundlage bestanden. Gemäß § 23 Abs. 1 NAG müsse die Behörde die Beschwerdeführerin belehren, wenn sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren ergebe, dass sie für den beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen als den beabsichtigten Aufenthaltstitel benötige. Diese Belehrungspflicht hätte bereits die Behörde erster Instanz getroffen, weil sich nach Antragstellung mit die Rechtslage geändert habe und sowohl die Möglichkeit der Erlangung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 57 iVm § 54 iVm § 52 Z. 1 NAG als auch - bei Fehlen einer gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsberechtigung der österreichischen Ehefrau - die Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels gemäß § 47 Abs. 2 NAG bestanden habe. Zum Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Niederlassungsantrages habe eine derartige Differenzierung noch nicht bestanden. In der Berufung sei jedoch klargestellt worden, dass nur die Erteilung einer Daueraufenthaltskarte beantragt worden sei. Der gegenständliche Antrag sei von der belangten Behörde eigenmächtig umgedeutet worden.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

Bereits die Behörde erster Instanz hat den noch im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997 gestellten Antrag der Beschwerdeführerin nach dem In-Kraft-Treten des NAG am (§ 82 Abs. 1 NAG) als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gerichtet gewertet. In der Berufung betonte der Beschwerdeführer demgegenüber jedoch, dass ihm auf Grund der Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin grundsätzlich das Recht zur Niederlassung in Österreich, das nur zu dokumentieren sei, zukomme. Er beantrage, "gem. § 54 NAG eine Daueraufenthaltskarte auszustellen".

Dessen ungeachtet ging die belangte Behörde davon aus, es liege kein Antrag auf Erteilung einer Daueraufenthaltskarte, sondern ein solcher auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" vor.

Zum Verfahrensgegenstand eines Antrages im Anwendungsbereich des NAG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass nach dessen Bestimmungen eine amtswegige Umdeutung eines Antrages grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird diesbezüglich auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , 2010/22/0004, verwiesen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-84665