VwGH vom 15.04.2010, 2008/22/0424
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 316.828/2-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG 1997" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am gemeinsam mit ihrem Sohn P, geboren 2000, mit einem Visum C, gültig vom 5. Juni bis , nach Österreich eingereist und habe am , somit nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums, einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und für sich und ihren Sohn einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Die Beschwerdeführerin sei seit durchgehend bei ihrem Ehemann aufrecht gemeldet und wohnhaft.
Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien jedoch Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet im Ausland einzubringen und die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Für die belangte Behörde stehe auf Grund des vorliegenden Akteninhaltes fest, dass die Beschwerdeführerin seit Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Reisevisums am ununterbrochen und unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, was auch im Berufungsschreiben bekräftigt werde. Darüber hinaus sei sie am vom Bezirksgericht Salzburg gemäß der "§§ 223/1 und 149/1" StGB rechtskräftig verurteilt worden. Von der Bundespolizeidirektion Salzburg seien auf Grund des "begründeten Verdachts" des Vorliegens einer Scheinehe zum Zweck der Erlangung aufenthaltsrechtlicher Berechtigungen Erhebungen geführt worden. Auf Grund dieser Erhebungen stehe für die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin ihre Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger nur zu dem Zweck geschlossen habe, um aufenthaltsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen. Daher widerstreite der Aufenthalt der Beschwerdeführerin den (öffentlichen) Interessen im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG.
Der Antrag sei jedoch bereits gemäß § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen. Gemäß § 74 NAG könne die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen (§ 72 NAG) zulassen. Die Beschwerdeführerin berufe sich darauf, dass ihr Ehemann auf Grund seiner Behinderung ihre Pflege benötige.
Dazu führte die belangte Behörde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2005/18/0565, aus, dass die vorgebrachte Pflegebedürftigkeit des Ehemannes keinen Anspruch auf Familiennachzug zu begründen vermöge, weil es sich dabei nicht um Lebensumstände handle, "die für den Betroffenen mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen für ihn selbst verbunden wären".
Im vorliegenden Fall seien keine ausreichenden besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Aspekte festgestellt worden. Der Beschwerdeführerin könne der Zuzug nach Österreich unter Einhaltung der üblichen gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der Quotensituation zugemutet werden. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher nicht zugelassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid angesichts des Zeitpunktes seiner Erlassung nach dem NAG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 99/2006 zu überprüfen ist.
Soweit sich die Beschwerde in ihren - weitgehend mit der Berufung inhaltsgleichen - Ausführungen gegen die vermeintlichen Feststellungen über fehlende Unterhaltsmittel und einen fehlenden Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft bezieht, ist sie darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung dem Spruch des angefochtenen Bescheides zufolge ausschließlich auf § 21 Abs. 1 NAG stützt. Auch die Ausführungen bezüglich des Nicht-Vorliegens einer Scheinehe und hinsichtlich der strafgerichtlichen Verurteilung gehen somit ins Leere, weil auch diese Sachverhalte für den angefochtenen Bescheid nicht entscheidungsrelevant waren.
Bezüglich des Vorwurfs der unrechtmäßigen Inlandsantragstellung bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe ihren Antrag am , also noch vor der "Änderung des Fremdenrechts", zum damaligen Zeitpunkt rechtmäßig eingebracht. Die Verzögerung des Verfahrens sei nicht der Beschwerdeführerin anzulasten.
Dem ist allerdings mit der ständigen hg. Rechtsprechung zu entgegnen, dass gemäß § 81 Abs. 1 NAG - wovon die belangte Behörde zutreffend ausgegangen ist - Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind. Dem NAG ist weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regel zu entnehmen, der zufolge auf vor dessen Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte die Bestimmungen des mit Ablauf des außer Kraft getretenen Fremdengesetz 1997 anzuwenden wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0202, mwN).
Die belangte Behörde hat daher den gegenständlichen Antrag zutreffend anhand des NAG beurteilt.
Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise im Juni 2005 im Bundesgebiet aufhalte und es sich bei dem gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag handle, auf den § 21 Abs. 1 NAG Anwendung finde. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin dem Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland abwarten hätte müssen, ist daher unbedenklich.
Das Recht, den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Inland stellen und die Entscheidung darüber hier abwarten zu können, kommt im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht.
Die Beschwerde führt als humanitäre Gründe in diesem Sinn ins Treffen, dass der Ehemann auf Grund seiner Behinderung die Pflege durch die Beschwerdeführerin benötige.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - bereits darauf hingewiesen, dass es auch dann einen Eingriff in das Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK bewirken kann, wenn nicht der pflegebedürftige Fremde selbst außer Landes geschafft wird, sondern durch die Verhinderung des Verbleibs eines Fremden in Österreich die weitere Pflege eines hier aufhältigen Angehörigen unmöglich gemacht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0022, mwN).
Im vorliegenden Fall ist jedoch weder den Verwaltungsakten noch der Beschwerde zu entnehmen, dass ein vermeintlicher Pflegebedarf des Ehemannes der Beschwerdeführerin nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht worden wäre.
Demzufolge ist mit der Versagung einer Niederlassungsbewilligung für die Beschwerdeführerin kein unzulässiger Eingriff in ihre durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte verbunden und es ist nicht als rechtswidrig anzusehen, wenn die belangte Behörde das Vorliegen von "besonders berücksichtigungswürdigen Gründen" im Sinn des § 72 NAG verneint und die Abweisung des gegenständlichen Antrages unter Berufung auf § 21 Abs. 1 NAG vorgenommen hat.
Da sich der angefochtene Bescheid somit nicht als rechtswidrig erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Eine Kostenentscheidung zu Gunsten der belangten Behörde hatte zu unterbleiben, weil keine Kosten verzeichnet wurden.
Wien, am
Fundstelle(n):
HAAAE-84640