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VwGH vom 30.03.2016, 2013/13/0027

VwGH vom 30.03.2016, 2013/13/0027

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. S in W, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, St. Veit-Gasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2839- W/12, betreffend u.a. Einkommensteuer für das Jahr 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr österreichische Pensionseinkünfte und eine deutsche Sozialversicherungsrente, die gemäß Art. 18 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland, BGBl. III Nr. 182/2002, nur in Deutschland besteuert werden durfte. Nach Art. 23 Abs. 2 lit. d des Abkommens durfte sie in Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einbezogen werden (Progressionsvorbehalt; zur innerstaatlichen Rechtsgrundlage für den Progressionsvorbehalt siehe das Erkenntnis vom , 2010/15/0021, VwSlg 8574/F).

2 Streitpunkt des Verfahrens ist die Berücksichtigung der deutschen Rente auch bei der Berechnung des dem Beschwerdeführer zustehenden Pensionistenabsetzbetrages gemäß § 33 Abs. 6 EStG 1988. Die inländischen Pensionsbezüge überstiegen EUR 17.000,-

- nicht, weshalb der Beschwerdeführer den ungekürzten Absetzbetrag in der Höhe von EUR 400,-- beanspruchte. Das Finanzamt und die belangte Behörde zählten zur inländischen Pension die deutsche Rente hinzu, was gemäß der Einschleifregelung des § 33 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 (in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011) eine Reduktion des Absetzbetrages auf EUR 28,63 zur Folge hatte.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

4 § 33 EStG 1988 in der für das Streitjahr 2010 maßgebenden Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, lautet auszugsweise:

"§ 33. (1) Die Einkommensteuer beträgt jährlich bis zu einem Einkommen von 11 000 Euro 0 Euro. Für Einkommensteile über 60 000 Euro beträgt der Steuersatz 50%.

Bei einem Einkommen von mehr als 11 000 Euro ist die Einkommensteuer wie folgt zu berechnen:

(...)

(2) Von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag sind die Absetzbeträge nach den Abs. 4 bis 6 abzuziehen. Absetzbeträge im Sinne des Abs. 5 oder Abs. 6 sind insoweit nicht abzuziehen, als sie jene Steuer übersteigen, die auf die zum laufenden Tarif zu versteuernden nichtselbständigen Einkünfte entfällt. (...)

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. (...)

(4) Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu: (...)

(5) Bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis stehen folgende Absetzbeträge zu:


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1.
Ein Verkehrsabsetzbetrag von 291 Euro jährlich.
2.
Ein Arbeitnehmerabsetzbetrag von 54 Euro jährlich, wenn die Einkünfte dem Lohnsteuerabzug unterliegen.
3.
Ein Grenzgängerabsetzbetrag von 54 Euro jährlich, wenn der Arbeitnehmer Grenzgänger (§ 16 Abs. 1 Z 4) ist. Dieser Absetzbetrag vermindert sich um den im Kalenderjahr zu berücksichtigenden Arbeitnehmerabsetzbetrag.

(6) Stehen einem Steuerpflichtigen die Absetzbeträge nach Abs. 5 nicht zu, hat er Anspruch auf einen Pensionistenabsetzbetrag bis zu 400 Euro jährlich, wenn er Bezüge oder Vorteile im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 oder 2 für frühere Dienstverhältnisse, Pensionen und gleichartige Bezüge im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 oder Abs. 1 Z 4 bis 5 bezieht. Bei Einkünften, die den Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag begründen, steht der Werbungskostenpauschbetrag nach § 16 Abs. 3 nicht zu. Der Pensionistenabsetzbetrag vermindert sich gleichmäßig einschleifend zwischen zu versteuernden Pensionsbezügen von 17.000 Euro und 25.000 Euro auf Null."

5 In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu der erst durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, eingeführten Einschleifregelung in § 33 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988, 311 BlgNR XXI. GP 161 und 169, wurde bei schon gleichem Wortlaut ("einschleifend zwischen zu versteuernden Pensionsbezügen von") die Höhe der "Monatsbruttopensionen" und des "Einkommens" des Pensionisten als die maßgebliche Größe beschrieben. Auf grenzüberschreitende Sachverhalte wurde nicht Bezug genommen.

6 Zum Zweck des Pensionistenabsetzbetrages und damit verbunden zur Rechtfertigung der neuen Einschleifregelung führte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , B 1302/02, VfSlg 16.818, aus, es könne dahinstehen, ob es sich, wie in den Materialien zum EStG 1972 dargelegt und in einem früheren Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes angenommen, bei diesem Absetzbetrag um eine allgemeinen sozialen Erwägungen entspringende Begünstigung für eine bestimmte Gruppe von Einkommensbeziehern handle (vgl. insoweit das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 79/75, VfSlg 8003), oder ob eine pauschalierende Berücksichtigung alters- oder krankheitsbedingt erhöhter Aufwendungen und somit von Aufwendungen vorliege, die vom EStG 1988 ansonsten als außergewöhnliche Belastungen eingestuft würden. Im ersten Fall spreche nichts dagegen, "bei entsprechend hohem Einkommen eine sozial orientierte Tarifmaßnahme abzubauen". Im zweiten Fall sei auf den bei individueller Geltendmachung im Allgemeinen vorgesehenen Abzug eines Selbstbehaltes hinzuweisen. "Nichts anderes als ein solcher einkommensabhängiger Selbstbehalt" werde letztlich bewirkt, wenn angenommene durchschnittliche alters- oder krankheitsbedingte Mehraufwendungen mit Hilfe eines Absetzbetrages berücksichtigt würden und dieser Absetzbetrag mit höherem Einkommen verschleifend abgebaut werde.

7 Sachliche Gründe für eine Ausklammerung von Bezügen, die nur durch ein Doppelbesteuerungsabkommen der Besteuerung in Österreich entzogen und der alleinigen Besteuerung durch den anderen Vertragsstaat vorbehalten wurden, sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für keine der beiden Varianten erkennbar. Die Einbeziehung solcher Bezüge wird mit Hinweis u.a. auf das Sonderausgaben betreffende und seinerseits auf Vorjudikatur zum Selbstbehalt bei außergewöhnlichen Belastungen verweisende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2004/15/0051, VwSlg 8236/F, auch im Schrifttum aus teleologischen Gründen befürwortet (vgl. Kanduth-Kristen in taxlex 2009, 128, und in Jakom, EStG, 2015, § 33 Rz 66; auf sie verweisend Doralt/Herzog , EStG14, § 33 Tz 60; aM ohne Auseinandersetzung mit dem Zweck der Regelung Hilber , SWK 2003, S 837). Der Gesetzeswortlaut ("einschleifend zwischen zu versteuernden Pensionsbezügen von 17.000 Euro und 25.000 Euro") mag das Gegenteil zunächst als näherliegend erscheinen lassen, steht dem nach dem Zweck der Regelung gebotenen Verständnis aber nicht zwingend entgegen.

8 Die Beschwerde führt dagegen in teleologischer Hinsicht ins Treffen, die angestrebte Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Pensionsbezüge könne durch die Einbeziehung der ausländischen Pensionsbezüge nicht erreicht werden, und verweist dazu anhand eines Rechenbeispiels auf die Auswirkungen unterschiedlicher Steuersätze. Ein solches Argument vermag vermeidbare Ungleichbehandlungen nicht zu rechtfertigen, zumal es auch nicht ungewöhnlich ist, dass die Verwirklichung anerkannter Abkommensziele und Gesetzeszwecke an Grenzen stößt (vgl. im Zusammenhang mit der Besteuerung grenzüberschreitender und rein innerstaatlicher Sachverhalte unter dem Gesichtspunkt unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen und Steuersätze das Erkenntnis vom , 2007/13/0105, 0151, VwSlg 8624/F).

9 Als Argument zur "grammatikalischen Interpretation" macht die Beschwerde geltend, die Einbeziehung der in Deutschland zu versteuernden Rente lasse das Attribut "zu versteuernde" in der auszulegenden Regelung bedeutungslos werden und eine solche Auslegung liege "außerhalb des äußerst möglichen Wortsinns, der freilich die Grenze jeglicher Auslegung absteckt". Diesem in Wahrheit bloß systematischen und nicht "die Grenze jeglicher Auslegung" betreffenden Argument fügt die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt systematischer Interpretation noch hinzu, das Verständnis der belangten Behörde müsse - übertragen auf § 33 Abs. 2 EStG 1988 - zu dem "skurrilen" Ergebnis führen, dass ein Pensionistenabsetzbetrag auch ohne eine in Österreich zu versteuernde Pension zustehen könnte. Ob dies der Fall sein kann, ist Gegenstand der zu Ro 2015/15/0010 anhängigen Amtsrevision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/6100495/2014, und muss hier nicht erörtert werden, weil zwar die Bejahung dieser Frage wohl voraussetzen würde, dass die ausländische Rente auch im Sinne des § 33 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 "zu versteuern" ist, umgekehrt aber letzteres noch nicht ausreicht, um in Bezug auf § 33 Abs. 2 EStG 1988 zu dem vom Beschwerdeführer als "skurril" bezeichneten Ergebnis zu gelangen.

10 Argumente, deren Gewicht es rechtfertigen würde, bei der Anwendung einer nicht auf die Regelung von Fragen grenzüberschreitender Sachverhalte abzielenden Bestimmung auf solche - unter den Anwendungsbereich eines Doppelbesteuerungsabkommens fallende - Sachverhalte ein mit dem Zweck der Bestimmung nicht in Einklang stehendes Ergebnis hinzunehmen, liegen somit insgesamt nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

11 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

12 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am