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VwGH vom 26.06.2013, 2013/13/0020

VwGH vom 26.06.2013, 2013/13/0020

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2013/13/0021 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der C GmbH Co KG in W, vertreten durch Schwartz Huber-Medek Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1292-W/08, miterledigt RV/1290- W/08, RV/1291-W/08, betreffend Erklärung von Berufungen als durch Zurücknahme gegenstandslos, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als die Berufungen der beschwerdeführenden Partei betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1999 bis 2001 sowie betreffend Umsatzsteuer 2003 und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2003 als gegenstandslos erklärt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am langte beim Finanzamt das mit datierte und zur Post gegebene Schreiben der durch eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft vertretenen Beschwerdeführerin ein, das mit "Berufung (Berufungen) und Fristerstreckungsansuchen sowie Aussetzungsantrag gem. § 212a BAO" überschrieben war und zum Inhalt hatte, die Beschwerdeführerin erhebe gegen Wiederaufnahms- und Feststellungsbescheide (§ 188 BAO) für die Jahre 1999 bis 2001, gegen Feststellungsbescheide (§ 188 BAO) für die Jahre 2002 bis 2004 und gegen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004, alle vom , sowie gegen einen Bescheid vom über die Festsetzung erster Säumniszuschläge "Berufung (Berufungen)" und beantrage, "die Frist zur Ausführung der Berufung (Berufungen) wegen der besonderen rechnerischen und rechtlichen Schwierigkeiten der Prüfbarkeit der Bescheide und des Umfanges der zu bekämpfenden Sachverhaltsteilbereiche bis zu erstrecken". Weiters beantrage sie die "Aussetzung der gesamten nachgeforderten Beträge (...) bis zur rechtskräftigen Erledigung unserer Berufung (Berufungen)".

Mit Bescheid vom trug das Finanzamt der Beschwerdeführerin auf, die Mängel des Berufungsschriftsatzes - Fehlen einer Begründung sowie der Angaben darüber, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen beantragt würden - bis zum zu beheben.

Mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt eingelangt am , überschrieben mit "Berufung (Berufungen) sowie Aussetzungsantrag gem. § 212a BAO", erklärte die Beschwerdeführerin neuerlich, Berufung zu erheben, wobei die Feststellungs- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2004 (im Gegensatz zu denjenigen für das Jahr 2003) nun nicht mehr in der im Übrigen gleich gebliebenen Aufzählung der angefochtenen Bescheide vorkamen. In Bezug auf die Feststellungsbescheide für die Jahre 2002 und 2004 enthielt der Ergänzungsschriftsatz die ausdrückliche Erklärung der Zurückziehung der dagegen gerichteten "Berufungen".

Die nachgetragene Berufungsbegründung wandte sich in Punkt A.1. gegen die Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren betreffend die Jahre 1999 bis 2001, wozu im Wesentlichen nur ausgeführt wurde, bei der Ermessensübung sei nicht begründet worden, warum eine verhältnismäßig geringfügige, zeitlich weit zurückliegende Änderung der Einkommensteuergrundlagen Auswirkungen auf 18 Kommanditisten mit allem damit verbundenen Verwaltungsaufwand haben solle. In Punkt B.1. wurde den neuen Feststellungsbescheiden für diese Jahre auf insgesamt 9 Zeilen entgegengehalten, bei den Änderungen handle es sich um die Reduktion von AfA-Sätzen für sehr alte Gebäude, und die Beschwerdeführerin übermittle nochmals das dem Betriebsprüfer zu einem der Gebäude vorgelegte Gutachten aus dem Jahr 1991.

Der Rest der mehr als 80 Seiten langen Berufungsbegründung betraf die Umsatzsteuer 2003 unter dem Gesichtspunkt der von der Beschwerdeführerin bestrittenen Involvierung in Umsatzsteuermachinationen eines ihrer direkten oder indirekten Geschäftspartner, der damit zusammenhängenden Besteuerung bisher als innergemeinschaftlich behandelter Lieferungen und einer sich daraus ebenfalls ergebenden Reduktion von Vorsteuern. Der Feststellungsbescheid für das Jahr 2003 wurde nur insofern bekämpft, als sich in ihm das umsatzsteuerliche Ergebnis niederschlug.

Das Finanzamt gab dem Betriebsprüfer mit Schreiben vom Gelegenheit, zur "Berufung vom (Begründung vom )" Stellung zu nehmen, übermittelte die Stellungnahme des Betriebsprüfers vom mit dem Ersuchen um Gegenäußerung bis zum der Beschwerdeführerin und legte die Berufung nach Einlangen der ausführlichen Gegenäußerung der Beschwerdeführerin am der belangten Behörde vor. Die Gegenäußerung der Beschwerdeführerin enthielt zur strittigen Wiederaufnahme der die Jahre 1999 bis 2001 betreffenden Feststellungsverfahren das Vorbringen, die AfA-Kürzung bewirke nur eine zeitliche Verschiebung, aber kein steuerliches Mehraufkommen und sei bei minimaler Auswirkung mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden.

Mit Schreiben vom räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine vierwöchige Frist dafür ein, zu den AfA-Sätzen im Hinblick darauf Stellung zu nehmen, dass ein in Bezug auf eines der Gebäude inzwischen vorgelegtes Gutachten vom Mai 2008 in näher bezeichneter Weise mangelhaft sei, "und die Mängel des Gutachtens zu beheben, andernfalls die Berufung in diesem Punkt abzuweisen ist". Das Schreiben nannte als "Betreff" die "Berufung vom gegen die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO 1999 bis 2001 sowie die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1999 bis 2001 und 2003 und Umsatzsteuer 2003". Als "Bezug" war das nach Ansicht der belangten Behörde mangelhafte Gutachten angeführt.

Die die Beschwerdeführerin vertretende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft reagierte auf dieses Schreiben zunächst mit einem Fristerstreckungsersuchen vom , worin es hieß, "das vom Herrn Sachverständigen ergänzte Gutachten" könne infolge Arbeitsüberlastung und des vorweihnachtlichen Trubels noch nicht vorgelegt werden. Es werde daher ersucht, "die in dieser Angelegenheit eingeräumte Frist" bis zum zu erstrecken.

Am richtete die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin folgendes Schreiben an die belangte Behörde:

"Berufungsrückziehung

Sehr geehrte Frau Hofrat,

nach Diskussion und nach Information über die durch die Gutachtensergänzung anfallenden zusätzlichen Kosten ziehen wir hiemit unsere Berufung vom zurück."

Daraufhin erklärte die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung vom gegen alle im Betreff des Schreibens vom genannten Bescheide gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen geltend gemacht wird, der Vorhalt der belangten Behörde habe nur einen "winzigen Nebenaspekt" des Verfahrens betroffen und die Berufung sei "richtigerweise" nur in Bezug auf diesen Punkt und nicht "vollumfänglich" zurückgezogen worden. Es liege eine nach Meinung der Beschwerdeführerin bewusste Fehlinterpretation der Zurückziehungserklärung vor, die, wenn sie "halte", zur Insolvenz der Beschwerdeführerin führen werde.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 256 Abs. 1 BAO können Berufungen bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die Berufung zurückgenommen werden. Wurde eine Berufung zurückgenommen, so hat die Abgabenbehörde die Berufung gemäß § 256 Abs. 3 BAO mit Bescheid als gegenstandslos zu erklären.

Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass für die Annahme der Zurückziehung einer Berufung, die einen nachträglichen Verzicht auf das Berufungsrecht bedeutet, die gleichen strengen Maßstäbe gelten müssen wie für den Verzicht auf die Einbringung einer Berufung gemäß § 255 Abs. 1 BAO (vgl. zum AVG, das die Zurückziehung der Berufung nicht besonders regelt, etwa Hengstschläger/Leeb , AVG § 63 Rz 73; zur BAO Ryda/Langheinrich , FJ 1997, 201 f und 240 f; Ritz , BAO4, § 256 Tz 6). Das erfordert u.a. eine "zweifelsfreie" Erklärung der Zurücknahme der Berufung (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb , a.a.O., Rz 75).

Im vorliegenden Fall lag ein Berufungsschriftsatz vom vor, der schon in der Überschrift und in weiteren Bezugnahmen auf die erhobene(n) "Berufung (Berufungen)" dem Umstand Rechnung trug, dass er in einem gemeinsamen Berufungsschriftsatz mehrere Berufungen enthielt. In Bezug auf die Feststellungsbescheide für die Jahre 2002 und 2004 enthielt der Ergänzungsschriftsatz vom die ausdrückliche Erklärung, die Beschwerdeführerin ziehe die "Berufungen" dagegen zurück. Verbessert wurde der ursprüngliche Berufungsschriftsatz mit dem Ergänzungsschriftsatz in Bezug auf zwei klar voneinander unterscheidbare Streitpunkte, die jeweils auch unterschiedliche erstinstanzliche Bescheide betrafen, nämlich einerseits die relativ bedeutungslose Reduktion der AfA-Sätze in Bezug auf alte Gebäude der Beschwerdeführerin und die damit verbundene Ermessensübung (Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren und neue Feststellungsbescheide für die Jahre 1999 bis 2001) und andererseits den Vorwurf der Involvierung in ein Umsatzsteuerkarussell (Umsatzsteuer 2003 mit Auswirkung auf den Feststellungsbescheid für dieses Jahr). Der Schriftsatz ergänzte mit den Ausführungen über diese Streitpunkte Berufungen gegen acht erstinstanzliche Bescheide.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde "die Berufung" gegen diese acht Bescheide als gegenstandslos erklärt, ohne sich damit auseinander zu setzen, dass die Beschwerdeführerin, die wiederholt auf die Mehrzahl der in ihren Schriftsätzen zusammengefassten bzw. ergänzten Berufungen Bezug genommen hatte, dem Wortlaut nach nur eine "Berufung" vom zurückgenommen hatte. Die Zurücknahmeerklärung bedurfte schon deshalb einer Interpretation, in die auch der angegebene Grund für die Zurücknahme der "Berufung" einzubeziehen gewesen wäre. Im Kontext des damit - am letzten Tag der dafür erstreckten Frist - beantworteten Vorhalts ließ sich die Erklärung zwar "zweifelsfrei" auf drei der jetzt strittigen Berufungen, nämlich diejenigen gegen die drei neuen Sachbescheide betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1999 bis 2001, in ihrer der belangten Behörde vorliegenden Form aber nicht mit ausreichender Deutlichkeit auch auf die fünf weiteren Berufungen betreffend die strittige Ermessensübung bei den Wiederaufnahmen und den im Vorhalt der belangten Behörde nicht angesprochenen Streitpunkt des Vorwurfs einer Involvierung in ein Umsatzsteuerkarussel beziehen.

Der angefochtene Bescheid war daher in Bezug auf die zuletzt erwähnten fünf Berufungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am