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VwGH vom 18.03.2010, 2008/22/0418

VwGH vom 18.03.2010, 2008/22/0418

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 148.209/2-III- /4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - aus, der Beschwerdeführer sei am illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe unter Angabe mehrerer Aliasidentitäten bei der Stellung eines Asylantrages versucht, die Behörden zu täuschen und seinen illegalen Aufenthalt zu legalisieren. Der Asylantrag sei 1997 u.a. auf Grund unglaubwürdiger Identitätsangaben abgewiesen worden.

Mit rechtskräftigem Urteil vom sei der Beschwerdeführer gemäß den §§ 27 Abs. 1 und 28 Abs. 2, 3 und 4 Suchtmittelgesetz sowie den §§ 12, 15, 223 und 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Am sei er aus der Freiheitsstrafe entlassen worden.

Mit Bescheid vom sei gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, das "derzeit im Stande der Berufung" sei. (Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich jedoch, dass das unbefristete Aufenthaltsverbot zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits rechtskräftig war; die Beschwerde bringt dazu vor, ein Verfahren zu dessen Aufhebung sei anhängig.)

Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt, der nach der Rechtslage nach dem als Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" zu werten sei.

Für die belangte Behörde stehe in Anbetracht des massiven Fehlverhaltens des Beschwerdeführers in Bezug auf die Übertretungen und Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz und dem StGB fest, dass er nicht gewillt sei, sich an die in Österreich geltende Rechtsordnung zu halten, und sein Verhalten jedenfalls eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle. Bei der Verwendung von Aliasdaten handle es sich um schwer wiegende Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Normen, die wesentliche Elemente eines geordneten Fremdenwesens und der internationalen Schutznormen für tatsächlich verfolgte Menschen darstellten. Der Suchtgiftkriminalität wohne erfahrungsgemäß eine Wiederholungsgefahr inne. Wegen der Missachtung dieser Normen müsse davon ausgegangen werden, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung führe.

Die Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK habe ergeben, dass auf Grund der Ehe des Beschwerdeführers mit einer Österreicherin durchaus private Interessen an einem Aufenthalt im Bundesgebiet bestünden, den öffentlichen Interessen sei jedoch gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers der Vorrang einzuräumen, weil das Verhalten des Beschwerdeführers eine eklatante Missachtung der Rechtsordnung darstelle.

Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargetan, dass seine Ehefrau ihr Recht auf die (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Vorerst ist anzumerken, dass im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dieser nach der Rechtslage des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006 zu überprüfen ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das gegen ihn verhängte Aufenthaltsverbot, bringt jedoch vor, dass ein Verfahren zu dessen Aufhebung anhängig sei. Bei einem Recht auf Freizügigkeit im Sinne der Freizügigkeit des Personenverkehrs handle es sich um eine Grundfreiheit in der Europäischen Union, sodass dessen potenzielle Existenz genüge. Der Beschwerdeführer sei daher ein begünstigter Drittstaatsangehöriger, weshalb ein Gericht oder eine tribunalähnliche Institution und nicht das "Bundesministerium für Inneres" zuständig sei.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass auch die Beschwerde nicht behauptet, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers einen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht hätte. In Ermangelung eines grenzüberschreitenden Elementes kommen die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen auf den vorliegenden Sachverhalt von vornherein nicht zur Anwendung (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rs C-127/08 Rz 77, Metock). Dem oben angeführten Beschwerdevorbringen, aus sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Gründen sei die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung unzuständig gewesen, ist somit schon deswegen der Boden entzogen.

Die belangte Behörde stützt die von ihr ausgesprochene Abweisung des Antrages vom ausschließlich auf § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm Abs. 4 Z. 1 NAG.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Gemäß § 11 Abs. 4 Z. 1 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Gemäß § 11 Abs. 3 leg. cit. kann ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z. 1 bis Z. 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist.

Die Beschwerde bringt in diesem Zusammenhang vor, der Beschwerdeführer habe seine Straftat abgebüßt. Der alleinige Umstand, dass jemand eine Straftat begangen habe, bedeute nicht, dass eine Wiederholungsgefahr gegeben oder jedenfalls von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen sei. Insofern sei das Verfahren mangelhaft. Die nunmehrige familiäre Integration des Beschwerdeführers lege nahe, dass eine Gefährdung der Öffentlichkeit und eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben seien.

Die belangte Behörde ist in der Bescheidbegründung davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer Ehemann einer Österreicherin ist. Sie hat die Versagung des beantragten Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" mit der durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wegen der Verwendung von "Aliasdaten" bei der Asylantragstellung sowie einer Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren begründet und daraus geschlossen, dass die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 1 (iVm Abs. 4 Z. 1) NAG nicht vorliege.

Diese Ansicht der belangten Behörde begegnet keinen Bedenken. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interessen - ein hoher Stellenwert zu. Die Asylantragstellung unter Verwendung von unrichtigen Personalien mit dem Ziel der Erlangung eines (vorläufigen) Aufenthaltsrechts in Österreich stellt eine schwere Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, insbesondere an einer geregelten Zuwanderung, dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/21/0371, mwN). Da Haftzeiten im Rahmen der Gefährdungsprognose unberücksichtigt bleiben und der Beschwerdeführer erst zwei Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides aus der Haft entlassen wurde, ist dieser Zeitraum noch bei weitem zu kurz, um von einem Wegfall oder auch nur einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr sprechen zu können. Weiters geht aus dem Verwaltungsakt hervor, dass der Beschwerdeführer als Mittäter eines großen Drogenringes ausgeforscht und in weiterer Folge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde. Sowohl dieser Umstand als auch die Rechtskraft des daraufhin erlassenen Aufenthaltsverbotes wurden in der Beschwerde nicht bestritten. Soweit der belangten Behörde diesbezüglich vorgeworfen wird, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Im vorliegenden Fall ist daher aus der Dauer des - überwiegend unrechtmäßigen - Aufenthaltes des Beschwerdeführers von etwa neuneinhalb Jahren, wovon er einen erheblichen Teil in Haft verbracht hat, und seinen familiären Bindungen zu seiner Ehefrau, die zu einem Zeitpunkt entstanden sind, als sich der Beschwerdeführer - u.a. auf Grund des aufrechten Aufenthaltsverbotes - nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und daher auch nicht mit einem Fortbestand des Familienlebens in Österreich rechnen durfte, keine derartige Verdichtung seiner Interessen abzuleiten, dass es Art. 8 EMRK gebieten würde, ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

Die belangte Behörde ist somit fallbezogen zutreffend davon ausgegangen, dass das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG vorliegt, und hat den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-84615