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VwGH vom 24.02.2009, 2008/22/0410

VwGH vom 24.02.2009, 2008/22/0410

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20/1/6b, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 106.422/16-III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 2, 26 und 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, sowie §§ 2 Abs. 5 und 12 Abs. 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe vom bis über eine "Niederlassungsbewilligung für vom AuslBG ausgenommen unselbständig Erwerbstätige, § 19 Abs. 2 Z. 3 FrG" auf Grund seiner Tätigkeit als Seelsorger verfügt, die auf Antrag bis verlängert worden sei. Am habe der Beschwerdeführer einen "weiteren Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung" (richtig: Verlängerungsantrag ohne Angabe eines Aufenthaltszweckes) gestellt, der mit Bescheid vom abgewiesen worden sei.

Dagegen habe er am fristgerecht berufen und im Wesentlichen vorgebracht, dass er ordnungsgemäß beschäftigt und daher das "Assoziationsabkommen EU-Türkei" auf ihn anzuwenden sei. Nach ständiger Judikatur des EuGH stehe ihm nicht nur ein Beschäftigungsrecht, sondern auch ein Aufenthaltsrecht zu. Als "Assoziationstürke" stehe ihm Niederlassungsfreiheit zu, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung habe somit nur deklarativen Charakter. Weiters sei § 41 NAG auf ihn nicht anzuwenden, da er über eine aufrechte Beschäftigung im Sinn des Assoziationsabkommens verfüge und ihm auf Grund dieser Sonderstellung eine Niederlassungsbewilligung zur Erwerbstätigkeit zu erteilen sei.

Die belangte Behörde führte unter Hinweis auf die §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 2, 26 und 41 Abs. 1 NAG sowie §§ 2 Abs. 5, 12 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 4 AuslBG aus, dem Beschwerdeführer sei vom bis eine "Niederlassungsbewilligung für vom AuslBG ausgenommen unselbständig Erwerbstätige § 19 Abs. 2 Z. 3 FrG" erteilt bzw. diese verlängert worden.

Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass dem Beschwerdeführer mittlerweile vom AMS Wien eine Arbeitserlaubnis, gültig vom bis , ausgestellt worden sei. Zuvor sei der Beschwerdeführer im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung, erteilt vom Arbeitsmarktservice St. Pölten für den Zeitraum bis , gewesen. Er sei seit in einem Eissalon beschäftigt.

Der Bundesminister für Inneres habe am die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG mangels eines ausreichenden humanitären Grundes abgelehnt.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer den Zweck seines Aufenthalts in Österreich geändert habe und nunmehr einer quotenpflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehe, die von seinem ursprünglich erteilten Aufenthaltszweck nicht umfasst sei. Es liege somit eine quotenpflichtige Zweckänderung gemäß § 26 NAG vor und die belangte Behörde habe nunmehr - ungeachtet dessen, dass er dies unverzüglich der Behörde hätte mitteilen müssen, was er nicht getan habe, - jedenfalls zu prüfen, ob diese Zweckänderung zulässig sei und er die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfülle. Sein Antrag sei gemäß dem am in Kraft getretenen NAG als Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" zu werten.

Auf Aufforderung habe der Beschwerdeführer zum Nachweis, dass er die Kriterien einer "Schlüsselkraft" erfülle, eine Arbeitgebererklärung seines Arbeitgebers vorgelegt, in der als beabsichtigte berufliche Tätigkeit "Hühnerkeulen vom Knochen auslösen" angeführt sei. In der Arbeits- und Lohnbestätigung vom sei ein Monatsgehalt von EUR 2.281,88 brutto (netto EUR 1.550,--) bestätigt worden.

Den vorgelegten Lohnzetteln des Arbeitgebers zufolge habe der Beschwerdeführer im Jahr 2005 durchschnittlich EUR 875,-- brutto im Monat, zuzüglich diverser Sonderzahlungen (Jahresbruttogehalt: EUR 13.445,42), und für das Jahr 2006 (bis einschließlich Mai 2006) ein monatliches Bruttogehalt in der Höhe von EUR 1.469,53 verdient. Ab Juni 2006, zeitgleich mit der schriftlichen Aufforderung der belangten Behörde zum Einkommensnachweis zwecks Beurteilung des Vorliegens der Kriterien einer Schlüsselkraft, scheine ein monatliches Gehalt von EUR 2.300,-- brutto auf.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich habe auf Ersuchen der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer keine Schlüsselkraft im Sinn der Bestimmungen des § 2 Abs. 5 AuslBG sei und habe dies im Wesentlichen damit begründet, dass die geltenden Entlohnungsgrenzen für Schlüsselkräfte deutlich unterschritten wären und nach Ansicht des AMS Niederösterreich auch keines der überdies erforderlichen Kriterien des § 2 Abs. 5 AuslBG als erfüllt angesehen werden könne. Das AMS Niederösterreich habe auch die Anwendbarkeit des Assoziationsabkommens EU-Türkei verneint, da sich der Beschwerdeführer offenbar unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (der Ausübung "seelsorgerischer Tätigkeiten") den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erschlichen und darüber hinaus nie über ein Aufenthaltsrecht verfügt habe, welches ihm die Ausübung der seit 2004 eingegangenen Beschäftigung als Expeditarbeiter erlaubt hätte. Die erforderliche Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt liege daher nicht vor.

Im Rahmen des dem Beschwerdeführer zu der Stellungnahme des AMS Niederösterreich eingeräumten Parteiengehörs habe dieser in seiner Stellungnahme vom im Wesentlichen ausgeführt, dass er auf Grund eines rechtmäßigen Vorganges in den Besitz einer Arbeitserlaubnis gekommen sei, zumal er eine Ausbildung als Seelsorger habe und auch insgesamt 13 Monate als solcher gearbeitet, sich also keine Berechtigung erschlichen habe. Seit mehr als vier Jahren gehöre er dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt an, wobei der Beschluss 1/80 des Assoziationsabkommens EWG-Türkei auf ihn anzuwenden sei, zumal er legal nach Österreich eingereist sei und über eine beschäftigungsrechtliche Bewilligung sowie ein Aufenthaltsrecht verfüge. Es komme nicht darauf an, ob er im Inland als Schlüsselkraft zu behandeln sei, sondern allein darauf, ob dieses Abkommen auf ihn anwendbar sei. Er habe zudem nie behauptet, Schlüsselkraft zu sein, und komme dies auf Grund der derzeitigen Einkommensverhältnisse auch nicht in Betracht.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in keiner Weise die Kriterien einer Schlüsselkraft im Sinn des § 2 Abs. 5 AuslBG erfülle und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer - entgegen den vorgelegten "Lohnbestätigungen" seines Arbeitgebers -

für das Jahr 2006 lediglich auf ein beitragspflichtiges Einkommen von EUR 1.031,30 im Monat komme. Angesichts seiner Ausbildung (türkische Pflichtschule) und seiner bisherigen Tätigkeiten als Hilfs- bzw. angelernte Kraft könne auch nicht von einer besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung oder von speziellen Kenntnissen und Fertigkeiten ausgegangen werden. Ebenso wenig lägen die anderen in § 2 Abs. 5 AuslBG dezidiert angeführten Kriterien einer Schlüsselkraft vor.

Gemäß § 41 Abs. 1 NAG könne dem Beschwerdeführer daher der Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" nicht erteilt werden.

Soweit der Beschwerdeführer die Anwendbarkeit des Assoziationsabkommens EU-Türkei für sich beanspruche, auf Grund dessen ihm seiner Meinung nach ein Aufenthaltsrecht erwachse, führte die belangte Behörde aus, dass dieses Abkommen nur dann Anwendung finde, wenn die Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaates gestanden habe. Dem Beschwerdeführer möge zwar eine arbeitsrechtliche Bewilligung erteilt worden sein, er gehe jedoch einer quotenpflichtigen Erwerbstätigkeit nach, ohne dass diese von seinem ursprünglich erteilten Aufenthaltszweck (vom AuslBG ausgenommen unselbständig erwerbstätig, § 19 Abs. 2 Z. 3 FrG, seit :

"Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit") umfasst sei.

Angesichts dieser unrechtmäßigen Vorgangsweise trete überdies Strafbarkeit nach § 77 Abs. 1 Z. 1 NAG hinzu. Die belangte Behörde habe den festgestellten Tatbestand der zuständigen Strafbehörde zur Anzeige gebracht und diese habe gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung des NAG eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von EUR 80,-- verhängt.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z. 1 bis 6 leg.cit. erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Hiezu stellte die belangte Behörde fest, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers "absolute Priorität" eingeräumt werden müsse, da die vom Beschwerdeführer beabsichtigte unselbständige Tätigkeit im Bundesgebiet keinesfalls der einer Schlüsselkraft entspreche, wobei zudem zu berücksichtigen sei, dass er diese quotenpflichtige Erwerbstätigkeit bereits seit 2004 ausübe, ohne im Besitz der entsprechenden, diesen Zweck umfassenden aufenthaltsrechtlichen Bewilligung zu sein. Auf Grund dieses Umstandes habe die belangte Behörde keine Erstniederlassungsbewilligung erteilen können (richtig: den Verlängerungsantrag mit Zweckänderung nicht bewilligen können).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Feststellungen der belangten Behörde, wonach dem Beschwerdeführer mit Gültigkeit bis Niederlassungsbewilligungen "für vom AuslBG ausgenommen unselbständig Erwerbstätige, § 19 Abs. 2 Z. 3 FrG" erteilt worden seien, der am gestellte Verlängerungsantrag gemäß dem seit in Kraft getretenen NAG als Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" zu werten und der Beschwerdeführer die Kriterien gemäß § 2 Abs. 5 AuslBG nicht erfülle und somit nicht als Schlüsselkraft zu behandeln sei, blieben unbestritten.

Der Beschwerdeführer bringt vor, ihm sei eine Beschäftigungsbewilligung als Arbeiter für den Eissalon erteilt worden, obwohl dem zuständigen Arbeitsmarktservice die Art seines Aufenthaltsrechts bekannt gewesen sei, da ohne Aufenthaltsrecht keine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden könne. Die Erteilung sei völlig gesetzeskonform erfolgt, da gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden könne, wenn der Fremde über eine Niederlassungsbewilligung (mit Ausnahme einer solchen gemäß § 19 Abs. 5 FrG - was allerdings auf den Beschwerdeführer nicht zutreffe) verfüge. Am sei ihm - ebenfalls in Kenntnis seines Aufenthaltsrechts - eine Arbeitserlaubnis erteilt worden.

Gemäß § 19 Abs. 2 Z. 3 FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 in der vor der Aufhebung durch BGBl. I Nr. 100/2005 geltenden Fassung, unterlag die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, die zwar unselbständig erwerbstätig aber "vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen sind (§ 1 Abs. 2 und 4 AuslBG)" keiner Quotenpflicht. Im Zusammenhang mit dem Gesetzeswortlaut ist klar, dass die in der Erteilung der Niederlassungsbewilligung verwendete Abkürzung bedeutet, dass dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung eingeschränkt auf unselbständige Erwerbstätigkeiten, die vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen sind, erteilt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2006/09/0177, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, dass eine Beschäftigungsbewilligung schon mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG nicht zu erteilen gewesen wäre.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die dem Beschwerdeführer erteilte Niederlassungsbewilligung für "vom AuslBG ausgenommen unselbständig Erwerbstätige" keine geeignete Grundlage für die Ausübung einer quotenpflichtigen, dem AuslBG unterliegenden Erwerbstätigkeit biete, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Auf Grund des Gesagten führt auch das weitere Beschwerdevorbringen, das Assoziationsabkommen EU-Türkei sei auf den Beschwerdeführer anwendbar, nicht zum Erfolg. Eine Berechtigung nach Art. 6 Abs. 1 ARB kommt nur solchen türkischen Arbeitnehmern zu, die während bestimmter Zeiträume eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt innehaben. Während dieser Zeiträume muss sowohl die Beschäftigung des betroffenen türkischen Arbeitnehmers im Einklang mit den arbeitsrechtlichen, als auch sein Aufenthalt mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates gestanden sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2006/18/0134, mwN).

Wie oben dargelegt, stand die Beschäftigung des Beschwerdeführers im Eissalon nicht im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften. Daran vermag auch die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer - obwohl er die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG nicht erfüllte - eine Beschäftigungsbewilligung und eine Arbeitserlaubnis erteilt wurden, nichts zu ändern.

Die belangte Behörde hat somit zutreffend festgestellt, dass die Bestimmungen des Assoziationsabkommens EU-Türkei auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden sind.

Mit dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer halte sich seit nunmehr fünf Jahren in Österreich auf, seine Frau und seine drei Kinder lebten ebenfalls hier und ihnen seien Niederlassungsbewilligungen erteilt worden, er sei seit Dezember 2002 nahezu ohne Unterbrechung arbeitstätig und stehe in einem aufrechten Dienstverhältnis, werden familiäre und private Interessen geltend gemacht. Auf solche ist aber bei Fehlen besonderer Erteilungsvoraussetzungen nicht Bedacht zu nehmen (§ 11 Abs. 3 NAG).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am