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VwGH vom 24.09.2007, 2006/15/0024

VwGH vom 24.09.2007, 2006/15/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Dipl. Ing. W S in Wien, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger GesmbH, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Gabelsbergerstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , GZ. RV/0214-K/02, betreffend Einkommensteuer 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im Streitjahr 1998 Dienstnehmer der Ö-GmbH und als Milizoffizier mehrfach im Rahmen von Waffenübungen für das Österreichische Bundesheer tätig. Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1998 machte er u. a. Werbungskosten aus dem Titel einer doppelten Haushaltsführung sowie Fahrtkosten für die An- und Rückreise zu den militärischen Übungen in Höhe der amtlichen Kilometergelder (abzüglich der erhaltenen Ersätze) geltend.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1998 ließ die belangte Behörde die genannten Aufwendungen nicht zum Abzug als Werbungskosten zu. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens wird im angefochtenen Bescheid sachverhaltsbezogen ausgeführt, der ledige und alleinstehende Beschwerdeführer stehe seit in einem Dienstverhältnis zur Ö. GmbH. Als Dienstort sei der jeweilige Standort des Unternehmens vereinbart worden. Laut Bestätigung des Arbeitgebers habe der Beschwerdeführer von Mitte Jänner 1997 bis März 2001 auf einer Baustelle im niederösterreichischen V. gearbeitet, wobei er aber von der Firmenleitung kurzfristig auch an jede andere Baustelle versetzbar gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe am Ort seiner Beschäftigung in V. eine Wohnung, bestehend aus Vor-, Wohn-, Schlafzimmer, Bad und Küche (inkl. Küchenblock) gemietet. Der meldebehördliche Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers habe sich seit (bis ) in D. (Kärnten) im Wohnhaus seiner Eltern befunden. Der Beschwerdeführer habe im elterlichen Haushalt gegen monatliche Kostenbeteiligung und umfangreiche familienhafte Mitarbeit ein Zimmer bewohnt. Im Jahr 1999 sei der Beschwerdeführer durch einen "Erb- und Schenkungsvorgang seiner Eltern" Hälfteeigentümer des Hauses geworden.

Es sei unstrittig, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1997 am Beschäftigungsort auch aus beruflicher Veranlassung einen eigenen Hauhalt gegründet habe. Zu prüfen sei, ob dem Beschwerdeführer die Verlegung seines Wohnsitzes nach V. in die Nähe seines Dienstortes zumutbar gewesen sei. Die "abstrakte Möglichkeit" der Versetzung an eine andere Baustelle habe den Beschwerdeführer nicht daran gehindert, am einen Mietvertrag über eine in V. gelegene Wohnung abzuschließen und dort einen "eigenen Haushalt bzw. Ledigenwohnsitz" zu gründen. Die "Übersiedlung bzw. Verlegung des Wohnsitzes" an den Beschäftigungsort sei daher bereits im Jahr 1997 erfolgt. Evident sei auch, dass der Beschwerdeführer im Streitjahr 1998 keine pflegebedürftige Angehörigen zu versorgen gehabt habe. Vor diesem Hintergrund sei die Beibehaltung des Wohnsitzes im elterlichen Wohnhaus nicht beruflich veranlasst, sondern ausschließlich der privaten Sphäre des Beschwerdeführers zuzuordnen.

Weiters habe der Beschwerdeführer im Berufungsschriftsatz vom und in der Vorhaltsbeantwortung vom selbst ausgeführt, dass er (im Streitjahr) im Familienverband mit seinen Eltern gelebt habe. Dort sei ihm ein eigenes Zimmer zur Verfügung gestanden, während er die übrigen Räumlichkeiten (Küche, Sanitärräume, Wohnräume, etc.) gemeinsam mit seinen Eltern benutzt habe. Auch habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er die im Elternhaus erledigten Arbeiten zugleich im eigenen Interesse erbracht habe, weil ihm schon zu Lebzeiten des Vaters in einem mündlichen Vertrag ein Anteil am Haus der Eltern zugesichert worden sei.

Nach Ansicht der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer im Haus seiner Eltern keinen eigenen Haushalt geführt. Erst durch die Anmietung der Wohnung am Beschäftigungsort habe der Beschwerdeführer einen eigenen Hausstand begründet und dadurch erstmalig Kosten für eine eigene Haushaltsführung zu tragen gehabt, welche dem Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 unterlägen. Somit stellten auch die Kosten für das Aufsuchen seiner Unterkunft im elterlichen Wohnhaus Kosten der privaten Lebensführung dar.

Zu den Einkünften als Milizoffizier führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe im Streitjahr sowohl steuerfreie Bezugsteile gemäß § 3 Abs. 1 Z. 22 lit. a EStG 1988, als auch steuerpflichtige Bezüge erhalten. Den vom Beschwerdeführer u.a. geltend gemachten Fahrtkosten stünde ein Betrag in Höhe von 2.668 S gegenüber, welcher im Streitjahr als Fahrtkostenvergütung steuerfrei ausbezahlt worden sei. Diesen Betrag habe der Beschwerdeführer bereits von den geltend gemachten tatsächlichen Fahrtaufwendungen in Abzug gebracht. Beruflich veranlasste Fahrtaufwendungen seien grundsätzlich in ihrer tatsächlich erwachsenen Höhe gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 als Werbungskosten abzugsfähig. Eine Ausnahme bestünde lediglich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Derartige Fahrtaufwendungen würden aus Vereinfachungsgründen gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 in pauschaler Form mit dem Verkehrsabsetzbetrag und gegebenenfalls dem Pendlerpauschale abgegolten.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass es sich bei seinen Präsenzdienstleistungen um "Waffenübungen" und folglich steuerrechtlich um Fortbildungsmaßnahmen gehandelt habe. Aktenkundig sei jedoch, dass die jeweiligen Arbeitsstätten (Kasernen bzw. Orte der Präsenzdienstleistung) mit dem jeweiligen Ort der Fortbildung zusammenfielen. Auch mit Hinweisen auf Aussagen in den Lohnsteuerrichtlinien 2002 sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Nach Ansicht der belangten Behörde sei unter dem Begriff der "Arbeitsstätte" ein Ort zu verstehen, an dem der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber tätig werde. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer an den Orten nicht regelmäßig tätig geworden sei, ändere nichts am Vorliegen einer "Arbeitsstätte". Dies gelte auch für seine Einwendungen, wonach es für Milizoffiziere keinen "Dienstort" gebe und auch die Wohnung eines Milizoffiziers als Dienstort gewertet werden müsse.

Nach den Bestimmungen des Wehrgesetzes 1990 fänden Kaderübungen eines Milizoffiziers im Rahmen seiner Tätigkeit als Organ des Bundes in Vollziehung militärischer Angelegenheiten statt. Demnach versehe auch ein Angehöriger des Milizstandes seine Tätigkeit an jenem Ort (z.B. Kaserne), an welchem er seinen militärischen Dienst für die Dauer seiner Präsenzdienstleistung auf Grund der jeweiligen Einberufung versehen müsse. Gegenständlich seien daher die jeweiligen Kasernen (Ort entsprechend der Einberufung) als "Arbeitsstätten" iSd § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 anzusehen. Die Wohnung des Beschwerdeführers sei hingegen nicht als weiterer Dienstort oder Arbeitsstätte zu werten. An dieser Beurteilung könne auch der Umstand nichts ändern, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines Bereitstellungsscheines einer militärischen Dienststelle zugeordnet sei. Fahrten zwischen mehreren Arbeitsorten lägen daher nicht vor.

Somit fielen die geltend gemachten Wegstrecken

V. - Wien, Wilhelmskaserne (Anfahrt am 3. und Rückfahrt am )

V. - Klagenfurt, Khevenhüllerkaserne (Anfahrt am 3. und Rückfahrt am 5. September, Anfahrt am 24. und Rückfahrt am 26. September sowie Anfahrt am 29. und Rückfahrt am )

unter den Begriff der "Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte", welche gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen abgegolten seien. Lediglich Aufwendungen für eine am unternommene Fahrt zur Besorgung von Plankopien könnten als zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 39,20 S anerkannt werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Doppelte Haushaltsführung:

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 Aufwendungen bzw. Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten im Sinn des § 16 Abs. 1 EStG 1988. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit eigenem Hausstand können daher "für eine gewisse Übergangszeit" Aufwendungen für ein möbliertes Zimmer am Beschäftigungsort als Werbungskosten anerkannt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0259). Für diese Übergangszeit können bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung im Heimatort auch Aufwendungen für Heimfahrten Berücksichtigung finden, weil diesem Arbeitnehmer zuzubilligen ist, in gewissen Zeitabständen, etwa monatlich in seiner Wohnung nach dem Rechten zu sehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 88/14/0081). Anderes gilt allerdings, wenn es bereits zu einer Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Arbeitsort gekommen ist (vgl. nochmals das hg Erkenntnis 96/15/0259).

Im Erkenntnis 88/14/0081 hat der Verwaltungsgerichtshof für den Fall eines Wirtschaftstreuhänder-Berufsanwärters, der in einem Untermietzimmer am Tätigkeitsort wohnte, zu Recht erkannt, die zunächst für vier Jahre geplante, aber doch nur vorübergehende Berufsausübung außerhalb des bisherigen Wohnsitzes und die beabsichtigte ständige Berufsausübung nach Beendigung der Ausbildungszeit am Ort des Familienwohnsitzes, für welche bereits Vorbereitungen getroffen worden seien, sprächen gegen die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung.

Auch im gegenständlichen Fall beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass die "auswärtige" Tätigkeit in V. längstens rund vier Jahre dauern sollte und zudem auch die Möglichkeit einer früheren Versetzung bestanden habe. Davon abgesehen sei der Beschwerdeführer schon aus sittlichen Gründen gehalten gewesen, seine Eltern bei deren Haushaltsführung zu unterstützen, zumal er auf Grund einer Vereinbarung mit seinen Eltern in der Folge Hälfteeigentümer der Liegenschaft werden sollte. Dass es sich beim "Familienwohnsitz" nicht um einen eigenen Hausstand des Beschwerdeführers gehandelt habe, könne für die Frage der Zumutbarkeit der Aufgabe des Familienwohnsitzes nicht von vorrangiger Bedeutung sein.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer nach Aufnahme seiner unselbständigen Tätigkeit in V. im Jänner 1997 am eine Wohnung am Beschäftigungsort angemietet und darin erstmalig einen eigenen Hausstand gegründet. Diesen Sachverhaltsfeststellungen tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, dass diese Wohnung nicht seinen Wohnbedürfnissen entsprochen hätte. Vor diesem Hintergrund ist aber nicht zu erkennen, warum es im Streitjahr für den Beschwerdeführer unzumutbar gewesen sein sollte, seinen (weiteren) Wohnsitz im Haus der Eltern aufzugeben. Aus der Möglichkeit der vorzeitigen Abberufung des Beschwerdeführers aus V. ergibt sich eine solche Unzumutbarkeit schon deshalb nicht, weil im Beschwerdefall jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner vorzeitigen Abberufung (gerade) mit einem Einsatz im Einzugsbereich der elterlichen Wohnung hätte rechnen können. Davon abgesehen ist auch nicht zu erkennen, warum es dem Beschwerdeführer im Falle seiner vorzeitigen Abberufung oder der plangemäßen Beendigung der Tätigkeit auf der in V. gelegenen Baustelle nicht möglich gewesen sein sollte, (allenfalls) erneut im Haus seiner Eltern Wohnung zu nehmen, zumal der Beschwerdeführer selbst vorbringt, dass ihm die Übertragung von Eigentumsrechten am Elternhaus in Aussicht gestellt worden war. Vom Bestehen besonders gelagerter Pflegenotwendigkeiten war im Beschwerdefall gleichfalls nicht auszugehen.

Bei dieser Sachlage hat die belangte Behörde zu Recht die Berücksichtigung der in Rede stehenden Aufwendungen für Familienheimfahrten nach D. und doppelte Haushaltsführung in V. als Werbungskosten verweigert (vgl. zu ähnlichen Sachverhaltskonstellationen auch die hg. Erkenntnisse vom , 90/13/0030, und vom , 2002/15/0119).

2. Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Milizoffizier:

Beruflich veranlasste Fahrtaufwendungen sind - unabhängig vom Vorliegen einer Reise - stets in ihrer tatsächlichen Höhe gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 als Werbungskosten anzusetzen, wobei eine Schätzung mit dem amtlichen Kilometergeld in vielen Fällen zu einem zutreffenden Ergebnis führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/15/0073).

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Fahrtkosten in ihrer tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen sind, enthält § 16 Abs. 1 Z. 6 leg.cit. für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Derartige Fahrtaufwendungen werden aus Vereinfachungsgründen in pauschaler Form mit dem Verkehrsabsetzbetrag bzw. gegebenenfalls dem Pendlerpauschale abgegolten. Kennzeichnend für diese Fahrten ist, dass sie mit dem Ziel unternommen werden, die Arbeitsstätte aufzusuchen bzw. von dieser in die Wohnung zurückzukehren.

Arbeitsstätte ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/13/0104). Eine "Wohnung" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist jener Ort, von dem aus sich der Arbeitnehmer regelmäßig zu seiner Arbeitsstätte begibt (vgl. das zur insofern vergleichbaren Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1972 ergangene hg. Erkenntnis vom , 87/14/0024).

Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde wäre daher im Beschwerdefall eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten gewesen, ob und inwieweit die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fahrten als "regelmäßiger Arbeitsweg" des Beschwerdeführers anzusehen sind. So fällt im Beschwerdefall insbesondere auf, dass es sich bei der Fahrt des Beschwerdeführers nach Wien offenbar um die Teilnahme an einer einmaligen Waffenübung gehandelt hat.

Aus den unter Punkt 2 angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.

Wien, am