VwGH vom 13.12.2011, 2011/05/0136

VwGH vom 13.12.2011, 2011/05/0136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des RB in Wien, vertreten durch Dr. Otto Schubert und Mag. Holger Hensel, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 15, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-241/11, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: GS in Wien, vertreten durch Doschek Rechtsanwalts GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben zur Abänderung der Fensteraufteilung in sämtlichen Geschoßen, der Raumeinteilung im Kellergeschoß und der Dachform sowie zur Vergrößerung der Terrasse und zu einer anderen Situierung des Schwimmbeckens auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien; weiters wurde um Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaus auf derselben Liegenschaft durch Vergrößerung der Fronthöhe um 15 cm und Aufschüttung des Geländes um dieses Ausmaß ersucht.

Anlässlich der am durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der als Eigentümer der Nachbarliegenschaft geladene Beschwerdeführer folgende Stellungnahme ab:

"Ich stimme dem Bauvorhaben nicht zu, da es eine Umgehung der Bestimmungen darstellt."

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung erteilt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass die zulässige Gebäudehöhe von 6,5 m auf dem Papier zwar eingehalten werde, beachtlich sei jedoch, dass der Bauführung bereits massive Aufschüttungen vorangegangen seien. Damit sei die Gebäudehöhe gegenüber den betroffenen Nachbarn höher als die festgesetzten 6,5 m. Von der Behörde sei zudem auf die gemäß § 60 Abs. 1 lit. g Bauordnung für Wien (BO) bestehende Bewilligungspflicht nicht Bezug genommen worden. Tatsächlich sei die widmungsgemäße Verwendung der benachbarten Grundflächen, insbesondere jener des Beschwerdeführers, durch die am Nachbargrundstück vorgenommene Aufschüttung beeinträchtigt. Das errichtete Gebäude sei durch die Aufschüttung tatsächlich viel höher, als die gesetzlich vorgesehenen 6,5 m. Die Bestimmungen über die Gebäudehöhe zählten jedoch zu den zwingenden subjektiv öffentlichen Nachbarrechten gemäß § 134a BO. Außerdem sei durch die Aufschüttung die Sicht des Beschwerdeführers beeinträchtigt.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mangels Parteistellung des Beschwerdeführers zurück. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, das im Zuge der mündlichen Verhandlung vom erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers lasse in keiner Weise erkennen, in welchen subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten iSd § 134a BO er sich als verletzt erachte. Der Beschwerdeführer habe daher im vorliegenden Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung iSd § 134 Abs. 3 BO erlangt. Da der Nachbar - bei sonstiger Präklusion - nur im Rahmen und im Umfang der rechtzeitig erhobenen rechtserheblichen Einwendungen Parteistellung erwerbe, seien die vom Beschwerdeführer erstmals in der Berufung erhobenen Einwendungen iSd § 134a BO als unzulässig anzusehen, weshalb darauf nicht weiter einzugehen gewesen sei. Weiters merkte die belangte Behörde an, dass sie auch nicht zu erkennen vermöge, inwiefern der Beschwerdeführer durch das projektierte Bauvorhaben in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten iSd § 134a BO beeinträchtigt werden solle, zumal er in der Berufung selbst dargelegt habe, dass die zulässige Gebäudehöhe von 6,5 m bemessen vom anschließenden Gelände eingehalten werde. Da der Beschwerdeführer bis zur und in der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen iSd § 134a Abs. 1 BO gegen das vorliegende Projekt erhoben habe, habe er im gegenständlichen Verfahren Parteistellung nicht erlangt, weshalb seine Berufung mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei einen Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren die Frage, ob die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen hat, weil dieser mangels Erhebung von Einwendungen gemäß § 134 Abs. 3 BO keine Parteistellung erlangt hat.

Dazu wird in der Beschwerde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der belangten Behörde rechtzeitig qualifizierte Einwendungen erhoben habe. Gemäß § 134a BO seien die Einwendungen spätestens in der mündlichen Verhandlung zu erheben. Der Beschwerdeführer habe sowohl in seiner elektronischen Nachricht vom , als auch mit anwaltlichem Schreiben vom seine Einwände gegen die ausgeführte Gebäudehöhe des Bauvorhabens kundgetan. Davon abgesehen hätte die Behörde den Beschwerdeführer im Rahmen ihrer Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG dahingehend anleiten müssen, seine Einwände entsprechend zu konkretisieren bzw. ihn zumindest darauf hinweisen müssen, dass der getätigte Einwand nicht hinreichend konkret sei. Da der Beschwerdeführer sohin rechtzeitig, nämlich bereits vor der mündlichen Verhandlung konkrete Einwände gegen die geplante Gebäudehöhe im Zusammenhang mit den durchgeführten Aufschüttungen erhoben habe, sei seine Parteistellung nicht präkludiert.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der §§ 134 und 134a BO lauten (auszugsweise) wie folgt:

"§ 134. (1) Partei im Sinne des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes ist in allen Fällen, in denen dieses Gesetz ein Ansuchen oder eine Einreichung vorsieht, der Antragsteller oder Einreicher.

...

(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen.

§ 134a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Bauwerkes zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;


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b)
Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
c)
Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;
d)
Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;
e)
Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Bauwerkes können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Bauwerkes zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;
f)
Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen. … "
Nach § 134 Abs. 3 dritter Satz BO erlangt ein Nachbar im Baubewilligungsverfahren Nachbar- und damit Parteistellung nur im Rahmen und im Umfang der rechtzeitig erhobenen rechtserheblichen Einwendungen und kann daher nur insoweit in seinen Rechten verletzt sein. Der Nachbar kann somit nur im Rahmen der von ihm erhobenen Einwendungen Parteistellung erlangen und auch nur insoweit Parteirechte beanspruchen. Ein über die erlangte Parteistellung hinausgehendes Berufungsvorbringen ist daher unzulässig. Eine solche unzulässige Berufung hat zur Folge, dass der Berufungsbehörde eine meritorische Entscheidung über die Berufung versagt ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0059, mwN).
In § 134a BO sind die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte taxativ aufgezählt. Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Erforderlich ist, dass wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet, also welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0272).
Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass sich dem vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringen keine Verletzung eines bestimmten Rechtes entnehmen lässt. Dieses Vorbringen lässt nicht erkennen, welche aus § 134a BO ableitbare Rechtsverletzung konkret geltend gemacht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0059, mwN) und ist somit keine rechtswirksame Einwendung iSd § 134 Abs. 3 BO.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe bereits mit Schreiben vom und vom seine Einwände gegen das Bauvorhaben kundgetan, ist entgegenzuhalten, dass das dem angefochtenen Bescheid vorangegangene Bauverfahren erst mit Einbringung des Bauansuchens vom durch die mitbeteiligte Partei eingeleitet worden war. Allenfalls vor diesem Zeitpunkt erhobene Einwendungen können sich somit nicht auf das gegenständliche Bauvorhaben beziehen und gelten demnach auch nicht im gegenständlichen Verfahren als erhoben. Vielmehr bedarf es neuerlicher Einwendungen oder zumindest eines ausreichend klaren Vorbringens, dass jene Einwendungen aufrechterhalten werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/06/0089 und vom , Zl. 2008/06/0102). Ein solches Vorbringen des Beschwerdeführers lässt sich dem Akteninhalt jedoch nicht entnehmen. Die belangte Behörde hat insofern auch nicht die ihr nach § 13a AVG obliegende Pflicht zur Anleitung verletzt. Die Manuduktionspflicht der Behörde geht nämlich nicht so weit, dass eine Partei zur inhaltlichen Ausgestaltung von Einwendungen oder zur Erhebung weiterer Einwendungen angeleitet werden müsste (vgl. dazu das oben zitierte Erkenntnis vom ).
Die belangte Behörde ist daher zutreffend von der Präklusion des Beschwerdeführers ausgegangen, weil dieser keine Einwendungen im Rechtssinne in Bezug auf die ihm durch § 134a BO gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Rechte erhoben hat. Im Hinblick auf die eingetretene Präklusion war auf das Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist.
Wien, am