VwGH vom 30.04.2013, 2011/05/0128
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Ing. RS in Wien, vertreten durch Dr. Madeleine Zingher, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-29/11, betreffend Beseitigungsauftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte mit Bescheid vom gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (BO) dem Beschwerdeführer als Eigentümer der Baulichkeit den Auftrag, binnen einer Frist von zwei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides den ohne Baubewilligung hinter der Baulinie auf der Liegenschaft P. Straße 16 situierten Container im Ausmaß von ca. 6,1 m x 2,5 m mit einer Höhe von 2,6 m entfernen zu lassen.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die exakte Größe des Containers sei nicht festgestellt worden, welche jedoch von ausschlaggebender Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 62a Abs. 1 Z 5 BO sei. Sofern die Baubehörde zu dem Ergebnis gelange, der aufgestellte Container sei bewilligungspflichtig, werde die Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des zwischen dem Beschwerdeführer und dem Eigentümer der Liegenschaft vor dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, als Schlichtungsstelle wegen der Ersetzung der Zustimmung des Liegenschaftseigentümers zum Einreichplan für die Erlangung einer Baubewilligung gemäß § 9 Mietrechtsgesetz (MRG) iVm § 37 MRG geführten Verfahrens beantragt, um dann eine Baubewilligung erwirken zu können. Die Baubehörde erster Instanz habe mit Schreiben vom mitgeteilt, dass bei Vorliegen ordnungsgemäßer Einreichunterlagen sowie eines anstandslosen Verhandlungsergebnisses einer Ausnahmebewilligung gemäß § 71 BO auf jederzeitigen Widerruf näher getreten werde.
Mit Schreiben vom teilte die Magistratsabteilung 37 der belangten Behörde mit, dass die exakte Größe des aufgestellten Containers ermittelt worden sei. Die Zirka-Angabe beschreibe lediglich die Messungsgenauigkeit im Zentimeterbereich.
Dazu wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom Parteiengehör gewährt. Der Beschwerdeführer nahm nicht Stellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der gegenständliche Container überschreite - vom Beschwerdeführer nunmehr unbestritten - mit seiner Grundfläche von 15,25 m2 und mit seiner Höhe von 2,6 m die in § 62a Abs. 1 Z 5 BO angeführten Grenzmaße, sodass er auf Grund seiner Größe kein bewilligungsfreies Bauwerk nach dieser Norm darstelle. Ein Container sei ein raumbildendes Bauwerk, sodass er ein Gebäude iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO sei. Nach § 60 Abs. 2 BO sei es für die Beurteilung als Bauwerk ohne Belang, auf welche Dauer es errichtet werde und ob es im Grunde verankert oder mit dem Grund nur durch sein Gewicht verbunden sei. Eine Baubewilligung sei jedoch unbestritten nicht erteilt worden, sodass ein vorschriftswidriges Bauwerk bestehe und die Behörde einen Bauauftrag zu erlassen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, es wäre die Bestimmung des § 62 Abs. 1 Z 4 BO anzuwenden gewesen. Ein Bauwerk sei eine ortsfeste Konstruktion mit ruhendem Kontakt zum Untergrund. Dies könne nur auf die Gebäude auf der Liegenschaft zutreffen. Demgegenüber sei der gegenständliche Container im Innenhof der Liegenschaft auf einem gepflasterten Boden und ohne jeden Kontakt zu den auf der Liegenschaft vorhandenen Bauwerken aufgestellt worden. Dieser flache, lediglich gepflasterte Boden stelle schon begrifflich kein Bauwerk dar. Die Aufstellung eines Containers auf diesem gepflasterten Boden, welcher keine Verbindung zu den Bauwerken dieser Liegenschaft aufweise, sei schon aus diesem Grund nicht geeignet, eine äußere Veränderung der gemieteten Werkstätte zu bewirken. Auch befinde sich der aufgestellte Container im Innenhof der Liegenschaft hinter einer Plakatwand und sei daher von außen für Dritte nicht wahrnehmbar. Die Behörde habe auf Grund der Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen über den bestimmungsgemäßen Zweck des Bauwerkes iSd § 71 BO getroffen, insbesondere nicht darüber, ob dieses dauernd bestehen bleiben solle, wovon auf Grund der Verwendung als Müllcontainer nicht auszugehen sei. Vielmehr sei der Bestand zeitlich mit dem Bestehen des Geschäftsbetriebes des Beschwerdeführers begrenzt. Auf Grund der konkreten Umstände, wie insbesondere des langen Bestandes des Containers, der Anhängigkeit von Verfahren bei den ordentlichen Gerichten betreffend die Zustimmung der Eigentümer und der unmittelbar bevorstehenden Klärung der Rechtslage, sei es sachlich gerechtfertigt, auf die in § 63 Abs. 1 lit. c BO geforderte Zustimmung der Eigentümer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das anhängige Verfahren betreffend die Zustimmung des Eigentümers zu verzichten bzw. eine Vorgangsweise gemäß § 71 BO zu wählen. Weiters habe es die belangte Behörde unterlassen, den unvertretenen Beschwerdeführer im Rahmen der ihr nach § 13a AVG zukommenden Manuduktionspflicht über eine Antragstellung gemäß §§ 62, 62a sowie 71 BO zu belehren. Durch eine derartige Aufklärung wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, den angefochtenen Bescheid zu vermeiden.
Im Beschwerdefall ist die Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung LGBl. Nr. 46/2010 anzuwenden. Die hier maßgebenden Bestimmungen lauten auszugsweise:
"Ansuchen um Baubewilligung
§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:
a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Bauwerke die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. Ein einzelnes Gebäude ist ein raumbildendes Bauwerk, das in seiner Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet und nicht durch Grenzen eines Bauplatzes oder Bauloses oder durch Eigentumsgrenzen geteilt ist, ausgenommen die zulässige Bebauung von Teilen des öffentlichen Gutes. Der Bezeichnung als ein einzelnes Gebäude steht nicht entgegen, dass in ihm Brandmauern enthalten sind oder es auf Grundflächen von verschiedener Widmung, verschiedener Bauklasse oder verschiedener Bauweise errichtet ist. Ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein. ...
…
Bauanzeige
§ 62. (1) Eine Bauanzeige genügt für
…
4. alle sonstigen Bauführungen, die keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes bewirken, nicht die Umwidmung von Wohnungen betreffen und keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslösen.
...
Bewilligung für Bauten vorübergehenden Bestandes
§ 71. Bauwerke, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen das Bauwerk den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, kann die Behörde auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Für sie gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes insofern nicht, als nach Lage des Falles im Bescheid auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichtet worden ist. Der Bewilligung dürfen durch dieses Gesetz gegebene subjektiv-öffentliche Rechte nicht entgegenstehen und es darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen nicht vermindert werden, es sei denn, dass der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat oder keine Parteistellung (§ 134 Abs. 3) erlangt hat."
Gemäß § 87 Abs. 1 BO sind Bauwerke Anlagen, die mit dem Boden in Verbindung stehen und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.
Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.
Gemäß § 13a AVG hat die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.
Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können nach § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden. Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0162, mwH).
Die belangte Behörde hat zutreffend festgestellt, dass durch die Aufstellung des gegenständlichen Containers ein Bauwerk, und zwar ein Gebäude iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO errichtet wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0262), ist er doch zweifelsfrei eine raumbildende bauliche Anlage im Sinne der genannten Gesetzesstelle. Auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände - Aufstellen auf einem gepflasterten Boden, für Dritte nicht wahrnehmbar - kommt es nicht an, sodass unabhängig von diesen die Frage der Bewilligungspflicht für den Container zu bejahen ist. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, das Aufstellen des Containers sei lediglich bauanzeigepflichtig nach § 62 Abs. 1 Z 4 BO, ist auszuführen, dass § 62 BO nur Änderungen an bereits bestehenden Bauwerken erfasst, nicht jedoch einen Neubau als eigenständiges Bauwerk. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht, dass er eine Bauanzeige erstattet habe.
Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -
Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0111).
Die Einbringung eines Antrages des Beschwerdeführers bei der Schlichtungsstelle, die erforderliche Zustimmung des Grundeigentümers für die Erlangung einer Baubewilligung zu ersetzen, stellt keine ausreichende sachliche Rechtfertigung für ein Unterbleiben des gegenständlichen Bauauftrages dar, zumal selbst die - im Belieben des Beschwerdeführers, auch in zeitlicher Hinsicht, stehende und damit keinen hinreichend sachlich objektivierbaren Umstand darstellende - Einbringung eines Baubewilligungsantrages selbst keine sachliche Rechtfertigung bildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0269).
Die Frage der Bewilligungsfähigkeit der vorgenommenen Abweichungen von der Baubewilligung ist im Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist demnach auch keine für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO zu lösende Vorfrage. Selbst ein allfälliges, noch nicht erledigtes Baubewilligungsgesuch hindert die Erlassung eines solchen Auftrages nicht, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung und nach der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung nicht (mehr) vollstreckt werden (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom , mwN)
Der Beschwerdeführer hat unbestritten kein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung auf Widerruf gemäß § 71 BO gestellt, sodass es sich, abgesehen von den vorstehenden Ausführungen, auch schon deshalb erübrigt, auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG umfasst Rechtshandlungen außerhalb des vor der Behörde geführten Verfahrens von vornherein nicht (vgl. die bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S 362, unter E. 5 zitierte hg. Judikatur). Da die Bewilligungsfähigkeit im Bauauftragsverfahren nicht zu prüfen und daher auch nicht Gegenstand des Verfahrens ist, waren in dieser Hinsicht auch keine Feststellungen zu treffen und hat die belangte Behörde, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, auch nicht ihre Manuduktionspflicht verletzt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am