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VwGH vom 06.08.2009, 2008/22/0391

VwGH vom 06.08.2009, 2008/22/0391

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. Corvin Hummer und Mag. Claudia Lantos, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Maysedergasse 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 144.422/2-III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) einen Antrag der Beschwerdeführerin, einer armenischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Privatquotenpflichtig, § 18 Abs. 4 FrG" gemäß §§ 11 Abs. 2 Z. 4, 11 Abs. 5 und 42 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, ab.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin durch die Vorlage eines "vorläufigen" Kontoauszuges eines österreichischen Kreditinstitutes in der Höhe von EUR 25.101,88 keine festen und regelmäßigen monatlichen Einkünfte in der Höhe des Zweifachen der Richtsätze des § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) nachgewiesen habe, da dieses Guthaben jederzeit behoben werden könne und die Summe die Finanzierung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin nur für einen begrenzten Zeitraum ermögliche. "Nur auf Grund der Tatsache, dass eine Verpflichtungserklärung" der Schwester der Beschwerdeführerin vorliege, die Beschwerdeführerin jedoch über sonst keinerlei feste und regelmäßige Einkünfte verfüge, stehe für die belangte Behörde angesichts dieses Umstandes fest, dass keine ausreichenden eigenen Mittel zu ihrem Unterhalt für eine dauernde Zuwanderung in das Bundesgebiet vorlägen.

Die Schwester der Beschwerdeführerin, eine österreichische Staatsbürgerin, habe sich zur Unterhaltsleistung verpflichtet, könne aber keine Zusammenführende im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG sein, da aus der Aktenlage nicht ersichtlich sei, dass die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG gegeben seien.

Die Bereitschaft, weitere Beträge auf das österreichische Konto zu überweisen, ändere am vorliegenden Sachverhalts nichts, da die im Gesetz verlangten Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Entscheidungszeitpunkt erfüllt sein müssten. Da nicht davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführerin eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften möglich sei, dürfe ihr gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden.

Weiters sei lediglich eine "Reise-Kranken-Versicherung für Ausländer, die sich vorübergehend in Österreich aufhalten", für die Dauer von sechs Monaten abgeschlossen worden. Damit werde dem gesetzlichen Erfordernis, dass der Fremde über eine alle Risken abdeckende Krankenversicherung verfüge, nicht Genüge getan, sodass auch ein Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 Z. 3 NAG vorliege.

Im Zuge der Interessenabwägung habe die belangte Behörde festgestellt, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden müsse, da die Beschwerdeführerin der Behörde keinen Nachweis über die Sicherung ihres Lebensunterhaltes "nach Aufbrauch ihres Sparguthabens" erbracht habe. Vorhandene Unterhaltsmittel - so die belangte Behörde - seien "nur ausreichend, wenn der Behörde kein konkreter Umstand erkennbar ist, aus dem sich in absehbarer Zukunft, über die Gültigkeitsdauer der Erstniederlassungsbewilligung hinaus, die Notwendigkeit einer Aufenthaltsbeendigung mangels ausreichender eigener Unterhaltsmittel ergeben könnte".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 11 Abs. 2 NAG darf einem Fremden ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn er über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist (Z. 3), und der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (Z. 4).

Gemäß Abs. 5 leg. cit. führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung nicht zu berücksichtigen.

Eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" berechtigt gemäß § 8 Abs. 2 Z 2 NAG zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Befristete Aufenthaltstitel sind, sofern nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. für die Dauer von 12 Monaten, beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder die Gültigkeitsdauer des Reisedokuments weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

Eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" kann gemäß § 42 Abs. 1 NAG Drittstaatsangehörigen erteilt werden, wenn (Z. 1) sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen; (Z. 2) ein Quotenplatz vorhanden ist und (3.) deren feste und regelmäßige Einkünfte der Höhe nach dem Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG entsprechen.

Nach der hg. Judikatur hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass ein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint, wobei insoweit die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/18/0032). Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaktes 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP 120) ist zu entnehmen, dass der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel u.a. auch durch Spareinlagen in Betracht kommt.

Den nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge hat die Beschwerdeführerin einen Kontoauszug eines österreichischen Kreditinstitutes mit einem Kontostand von über EUR 25.000,-- zum Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel vorgelegt. Die belangte Behörde hat dennoch die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG als nicht gegeben angesehen, weil dieses Guthaben zur Finanzierung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin nur für einen begrenzten Zeitraum ausreichend sei. Dabei lässt sie jedoch unberücksichtigt, dass eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 8 Abs. 2 Z. 2 iVm § 20 Abs. 1 NAG befristet für die Dauer von 12 Monaten auszustellen ist. Das von der Beschwerdeführerin nachgewiesene Guthaben übersteigt daher bei weitem das für eine Niederlassungsbewilligung in der Dauer von zwölf Monaten erforderliche Ausmaß gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 NAG und somit auch jenes gemäß § 11 Abs. 5 NAG, sodass die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin sei eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Gebietskörperschaften nicht möglich und die Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG liege nicht vor, nicht nachvollziehbar ist.

Da der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 1 NAG für die Dauer von 12 Monaten auszustellen wäre (ein Fall des § 20 Abs. 1 NAG, wonach ein Aufenthaltstitel mit einer kürzeren Dauer erteilt werden kann, liegt hier nicht vor), ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass eine "Reise-Kranken-Versicherung für Ausländer, die sich vorübergehend in Österreich aufhalten", für die Dauer von sechs Monaten schon allein wegen ihrer Gültigkeitsdauer keine ausreichende Krankenversicherung iSd § 11 Abs. 2 Z. 3 NAG darstellt. Damit ist die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung zum initiativen Nachweis eines alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes nicht nachgekommen. Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführerin sei von der erstinstanzlichen Behörde mitgeteilt worden, sie könne den Nachweis einer Krankenversicherung nachbringen, mangels einer gesetzlich angeordneten bindenden Wirkung von behördlichen Auskünften nichts zu ändern. Die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 11 Abs. 2 Z. 3 NAG sei nicht erfüllt, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z. 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist. Damit ist klargestellt, dass das Nicht-Vorliegen der im § 11 Abs. 2 FPG genannten Umstände nicht zwingend zu einer Antragsabweisung führen muss. Die Behörde hat bei Fehlen einer der dort angeführten Voraussetzungen zu prüfen, ob ein durch diese Anwendung allenfalls erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt ist. Hiezu ist eine Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Aufenthalt im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen vorzunehmen.

Die Beschwerdeführerin bringt zu ihren persönlichen Interessen vor, sie habe ihrem Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Privatquotenpflichtig, § 18 Abs. 4 FrG" eine Verpflichtungserklärung ihrer in Österreich lebenden Zwillingsschwester beigelegt, deren Einkünfte dargelegt und den Nachweis einer ortsüblichen Unterkunft durch Vorlage eines Untermietvertrages (bei ihrer Zwillingsschwester) vorgelegt. Aus der Aktenlage ergibt sich auch, dass die Beschwerdeführerin Universitätsdozentin am staatlichen Musikkonservatorium in Y und eine international bekannte Konzertpianistin ist. Als solche könnte sie weltweit (zumindest außerhalb Österreichs) Konzerte geben und dadurch ein zusätzliches Einkommen für ihren Unterhalt erzielen. Sie verfügt über ausgezeichnete Deutschkenntnisse. Ihre Zwillingsschwester ist österreichische Staatsbürgerin und lebt seit etwa 15 Jahren in Wien.

Die belangte Behörde hat ausgeführt, dass im Rahmen der Interessenabwägung auf Grund des mangelnden Nachweises über die Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin "nach Aufbrauch ihres Sparguthabens" den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" eingeräumt werden müsse. Damit hat sie im Ergebnis die Ansicht vertreten, dass bei Vorliegen des Versagungsgrundes der mangelnden Unterhaltsmittel gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG den öffentlichen Interessen jedenfalls ein so großes Gewicht zukomme, dass die Abwägung unabhängig vom Gewicht der persönlichen Interessen des Fremden immer zu dessen Lasten ausgehen müsse.

Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, würde doch im Fall des Fehlens einer Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 NAG die vom Gesetzgeber gemäß § 11 Abs. 3 leg. cit. für alle Fälle des Abs. 2 - somit auch bei Fehlen des Nachweises einer ausreichenden Krankenversicherung - getroffene Anordnung einer Abwägung ins Leere gehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/18/0032).

Auf Grund dieser Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde in keiner Weise mit den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Aufenthalt im Bundesgebiet auseinandergesetzt und den angefochtenen Bescheid insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Auf dem Boden des Gesagten ist es entbehrlich, auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen, wonach die belangte Behörde ihren Antrag auch als solchen auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gewertet und ihr dazu nicht Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben habe.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am