VwGH vom 21.06.2011, 2008/22/0357
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2008/22/0358
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Jürgen Stephan Mertens, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lange Gasse 48/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 148.718/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines äthiopischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 und § 29 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG sowie § 6 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 Z 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV ab. Mit Bescheid vom gleichen Tag wies sie auch einen entsprechenden Antrag des Bruders des Beschwerdeführers mit im Wesentlichen gleicher Begründung ab. Die dagegen erhobene, zur hg. Zahl 2008/22/0358 protokollierte Beschwerde wurde zurückgezogen, woraufhin das Verfahren mit Beschluss vom eingestellt wurde.
Begründend führte die belangte Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass das Einkommen des Vaters in der Höhe von durchschnittlich EUR 3.463,66 netto im Monat nicht ausreiche, um den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers in der Höhe des maßgeblichen Richtsatzes gemäß § 293 ASVG (EUR 726,--) sicherzustellen. Das pfändungsfreie Existenzminimum seines Vaters betrage gemäß § 291a der Exekutionsordnung mit Unterhaltsverpflichtungen (seine Ehefrau sei nicht erwerbstätig, für vier Kinder bestünden Unterhaltsverpflichtungen) EUR 2.610,20. Da er sich nur für Beträge, die über dem eigenen Existenzminimum lägen, für einen Dritten verpflichten könne, verbleibe ein Betrag in der Höhe von EUR 853,46. Dieser Betrag werde durch die Mietbelastung in der Höhe von EUR 389,85 (Mietkosten in Höhe von EUR 625,-- abzüglich des Wertes der freien Station in Höhe von EUR 235,15) auf einen Betrag von EUR 463,61 geschmälert. Mit diesem verbleibenden Betrag sei es nicht möglich, den Unterhalt des Beschwerdeführers und seines Bruders, für den der Vater ebenfalls eine Haftungserklärung abgegeben habe, zu finanzieren.
Im Hinblick auf § 11 Abs. 3 NAG führte die belangte Behörde aus, dass "außer Ihrem Vater, Ihrer Stiefmutter und Ihren Geschwistern keine weiteren familiären Bindungen in Österreich angegeben wurden" und die deutliche Unterschreitung der in § 293 ASVG vorgesehenen Richtsätze zu einer finanziellen Belastung der Gebietskörperschaft führe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 1866/07-8, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene und auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat dieser nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Ein Rechtsirrtum der belangten Behörde liegt zunächst darin, dass sie bei der Beurteilung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung des Zusammenführenden nicht auf die in § 293 Abs. 1 ASVG enthaltenen Richtsätze abgestellt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0637, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Des Weiteren hat sich der Verwaltungsgerichtshof zur hier maßgeblichen Rechtslage im Erkenntnis vom , 2008/22/0711, auf dessen Pkt. 5.4. der Entscheidungsgründe ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausführlich zur Frage, ob Mietbelastungen gesondert zu berücksichtigen seien, geäußert.
Bei Anwendung der demnach maßgeblichen Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergeben sich aufzubringende Mittel in der Höhe von EUR 2.045,27 (EUR 1.091,14 Ausgleichszulagenrichtsatz für die im gemeinsamen Haushalt lebenden Eltern zuzüglich EUR 228,27 für die (laut Verwaltungsakten und erstinstanzlichem Bescheid: drei) minderjährigen Kinder und EUR 726,-- für den Beschwerdeführer). Dieser Betrag wäre bereits durch das von der belangen Behörde festgestellte Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers erreicht worden. Darüber hinaus wäre aber auch das im Verwaltungsverfahren bekannt gegebene Einkommen der Ehefrau des Zusammenführenden - der Stiefmutter des Beschwerdeführers - zu berücksichtigen gewesen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0637). Das gilt auch, soweit es sich dabei um den Bezug von Kinderbetreuungsgeld gehandelt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0026).
Im Übrigen hätten selbst dann, wenn die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel insgesamt nicht ausgereicht hätten, den Bedarf des Beschwerdeführers und seines Bruders gemeinsam zu decken, nicht ohne Weiteres beide Anträge abgewiesen werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0329, mwN).
Aus diesen Gründen entspricht der angefochtene Bescheid nicht der Rechtslage, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit schon deswegen aufzuheben war, ohne dass es auf die dem hg. Beschluss vom , Zlen. EU 2011/0004 bis 0008-1, zugrundeliegenden unionsrechtlichen Fragen angekommen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am