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VwGH vom 29.03.2006, 2006/14/0097

VwGH vom 29.03.2006, 2006/14/0097

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des HI in W, vertreten durch Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Wilhelmstraße 54, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, Außenstelle Wien, vom , Zl. FSRV/0041-W/04, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG ein, weil der Verdacht bestehe, dass er als Geschäftsführer und somit abgabenrechtlich Verantwortlicher der H. Bau GmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Umsatzsteuervorauszahlungen für den Zeitraum Februar bis April 2002 in Höhe von 24.016 EUR bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen habe. Der Verdacht bestehe auf Grund der Feststellungen einer am abgeschlossenen Umsatzsteuersonderprüfung. Demnach habe der Beschwerdeführer mittels Abgabe unrichtiger Voranmeldungen Umsatzsteuerverkürzungen bewirkt. Er habe Rechnungen von nicht existierenden Firmen (R. Bau- und Handels GmbH sowie J. Bau GmbH) in die Buchhaltung aufgenommen und dadurch unrechtmäßig Vorsteuern geltend gemacht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Administrativbeschwerde, in der er vorbrachte, dass der ihm angelastete Sachverhalt nicht erschöpfend ermittelt worden sei. Die bloße Tatsache, dass die beauftragten Subunternehmer öffentlich kaum in Erscheinung getreten seien und möglicherweise gesetzwidrige Geschäfte geführt hätten, rechtfertige noch nicht die Annahme, dass der Beschwerdeführer davon Kenntnis gehabt habe oder nur Scheinfakturen vorlägen. Schließlich seien die Subunternehmer "formal existent" gewesen und der Auftraggeber habe keine Pflicht nachzuforschen, auf welche Art der Auftragnehmer seine Arbeiten durchführe. Nur offenkundige Scheinhandlungen des Beschwerdeführers könnten die Einleitung eines Strafverfahrens rechtfertigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Administrativbeschwerde keine Folge. In der Niederschrift über die abgabenbehördliche Prüfung sei - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - unter dem Titel "Vorsteuern aus Fremdleistungen" ausgeführt worden:

Die H. Bau GmbH betreibe in Wien 3., K. Gasse, ein Bauunternehmen. Die meisten Arbeiten (hauptsächlich Trockenbauarbeiten) seien für die T. Bau GmbH und die L. GmbH ausgeführt worden. Die Arbeiten seien im geringen Ausmaß selbst, meistens jedoch von Fremdfirmen durchgeführt worden. Hinsichtlich der als Fremdfirma aufscheinenden R. Bau- und Handels GmbH habe allerdings eine Besichtigung an der im Firmenbuch eingetragenen Firmenanschrift keinen Hinweis auf eine Geschäftstätigkeit ergeben (kein Namensschild, kein Firmenschild). Die Wohnadresse des Alleingesellschafter-Geschäftsführers scheine auch als Firmenanschrift einer weiteren Fremdfirma, nämlich der J. Bau GmbH auf. Im Zuge der Umsatzsteuersonderprüfung sei ein Werkvertrag (ohne Datumsangabe und ohne firmenmäßigen Zeichnung durch den Geschäftsführer der R. Bau- und Handels GmbH) vorgelegt worden. Für Pauschalleistungen seien 170 S und für Regiestunden 270 S vereinbart worden. Bei dieser Vereinbarung könne eine ordnungsgemäße Abfuhr von Lohnabgaben und Umsatzsteuern nicht eingeplant gewesen sein, zumal lt. Meldung bei der Gebietskrankenkasse Bruttostundenlöhne von 130 bis 150 S gezahlt würden. Auffällig sei weiters, dass die genannte Firma zwar derzeit rd. 130 Arbeiter beschäftige, im Leistungszeitraum Februar bis März 2002 allerdings ab Mitte März nur zwei Arbeiter gemeldet gewesen seien. Da das Unternehmen steuerlich nicht erfasst gewesen sei, seien bisher auch keine Lohnabgaben oder Umsatzsteuervoranmeldungen gemeldet bzw. entrichtet worden. Zur J. Bau GmbH (Leistungszeitraum März bis April 2002) sei erhoben worden, dass bei der im Firmenbuch eingetragenen Firmenanschrift lediglich ein Firmenschild angebracht sei, ansonsten aber kein Hinweis auf eine Geschäftstätigkeit zu erkennen sei. Der Geschäftsführer dieser Firma sei der Hausverwaltung auch völlig unbekannt. Die Bezahlung der Fremdfirmen sei ausschließlich über Barzahlungen aus der Kassa erfolgt, wobei auch keine Nachweise (wie Kontrollaufzeichnungen, Anwesenheitslisten) vorgelegt worden seien, welche eine Leistungserbringung der angeführten Fremdfirmen an die H. Bau GmbH belegt hätten. Der Prüfer habe zwar eine Leistungserbringung nicht bestritten, allerdings nicht geglaubt, dass die - in den betreffenden Eingangsrechnungen verrechneten Leistungen - durch die angeführten Fremdfirmen erbracht worden seien. Vielmehr sei nach Ansicht des Prüfers die Leistungserbringung "in wirtschaftlicher Betrachtungsweise durch das geprüfte Unternehmen" erfolgt. Die systematische Vorgangsweise mit den ständig wechselnden Fremdfirmen habe nur der Hinterziehung von Lohnabgaben, Gebietskrankenkassenbeiträgen sowie der Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen gedient. Wie sich aus dem gesamten Verfahren ergeben habe, habe an keiner der angegebenen Anschriften der Fremdfirmen ein Hinweis auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit festgestellt werden können. Da außer den Eingangsrechnungen keinerlei Unterlagen hätten vorgelegt werden können, die einen tatsächlichen Leistungsaustausch zwischen der H. Bau GmbH und den Fremdfirmen dokumentierten (Kostenvoranschläge, Auftragsbestätigungen, Stundenlisten), habe davon ausgegangen werden müssen, dass ein Leistungsaustausch nicht stattgefunden habe.

Die Erhebungen der Betriebsprüfung legten den begründeten Verdacht nahe, dass Vorsteuerbeträge zu Unrecht geltend gemacht worden seien. Der Beschwerdeführer habe an Hand der Rahmenbedingungen bei der Geschäftsabwicklung wissen müssen, dass er es nicht mit ordnungsgemäßen Unternehmen zu tun habe. Seit nunmehr "fast einem Jahrzehnt sind die Praktiken in der Baubranche, dass laufend Baufirmen gegründet werden, die keinen tatsächlichen Firmensitz haben, deren Geschäftsführer weder gemeldet noch auffindbar sind und die kein Personal angemeldet haben, Umsätze getätigt haben sollen und lediglich nicht nachvollziehbare Bargeldflüsse, bei besonders günstigen Konditionen im Vergleich zu offiziellen Stundensätzen der Branche, bestehen, durch immer wiederkehrende Medienberichte bekannt". Vor einer Einlassung mit derartigen Anbietern sei u.a. auch immer wieder von den zuständigen Interessensvertretungen gewarnt worden. Nach der im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung durch die belangte Behörde bestehenden Sach- und Rechtslage sei zusätzlich zur Begründung im Einleitungsbescheid anzuführen, dass die "Sondergruppe Kiab" am den Ausländer M. unangemeldet auf einer Baustelle in Wien angetroffen und am (also nur drei Monate später) einen weiteren nicht angemeldeten ausländischen Bauarbeiter E. auf einer Baustelle der "Firma" des Beschwerdeführers in Oberösterreich ausfindig gemacht habe. Dies diene als weiteres Indiz dafür, dass es der Beschwerdeführer mit der Einhaltung steuerrechtlicher Vorgaben weiterhin nicht genau nehme. Der Tatverdacht der Abgabenhinterziehung, wonach der Beschwerdeführer wissentlich Vorsteuern aus Rechnungen, denen keine ordnungsgemäße Leistung eines Unternehmers zu Grunde gelegen sei, geltend gemacht habe, sei damit gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Der Verdacht muss sich hiebei sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken. Ein Verdacht kann aber immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom vermuteten eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Es ist die Kenntnis von Tatsachen erforderlich, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Ein hinreichender Verdacht ist bereits dann anzunehmen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Straftat unter bestimmten Umständen rechtfertigen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0010, und vom , 2002/15/0036).

Wenn in der Beschwerde betont wird, dass die "vorsteuerbetroffenen" Arbeiten tatsächlich geleistet worden seien, vermag der Beschwerdeführer den Verdacht der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen schon deshalb nicht zu zerstreuen, weil auch nach den Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt hat, die tatsächliche Erbringung der Leistungen nicht in Abrede gestellt wurde. Nur die behauptete Leistungserbringung durch die R. Bau- und Handels GmbH sowie die J. Bau GmbH entsprechend den zum Vorsteuerabzug verwendeten Rechnungen wurde aus den oben im Einzelnen näher dargelegten Gründen verneint. Dass der Beschwerdeführer nicht über "die behördlichen Machtinstrumente" verfüge, um "die Erkenntnis über die angebliche Scheintätigkeit" der Fremdfirmen zu gewinnen, ändert nichts am objektiven Tatbild einer nicht erfolgten (in den Rechnungen ausgewiesenen) Leistungserbringung. Von der subjektiven Tatseite her konnte die belangte Behörde auf Grund der Rahmenbedingungen (z.B. ausschließlich Barzahlungen, keine Nachweise über die Leistungserbringung durch Kontrollaufzeichnungen, Anwesenheitslisten udgl. sowie die notorischen "Praktiken in der Baubranche") auch hinreichend auf einen Tatverdacht des Beschwerdeführers schließen. Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang als weiteres Indiz für eine mangelhafte Verbundenheit des Beschwerdeführers mit den rechtlichen Werten ins Treffen geführte unerlaubte Beschäftigung ausländischer Bauarbeiter im Jahr 2003 bleibt in der Beschwerde im Übrigen unwidersprochen. Ob der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 ff FinStrG vorbehalten.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am