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VwGH vom 19.09.2012, 2008/22/0322

VwGH vom 19.09.2012, 2008/22/0322

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des O, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 148.947/2-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am bei der Österreichischen Botschaft in Ankara eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Angehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der österreichische Vater des Beschwerdeführers (als der Zusammenführende im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG) eine mit datierte, für fünf Jahre abgegebene Haftungserklärung vorgelegt und sich dadurch verpflichtet habe, für den Unterhalt, die Unterkunft und die Krankenversicherung des Beschwerdeführers sowie sonstige Kosten, die einer Gebietskörperschaft durch dessen Aufenthalt im Bundesgebiet entstehen könnten, aufzukommen.

Der Vater des Beschwerdeführers beziehe einen monatlichen Pensionsvorschuss in der Höhe von EUR 690,90 und sei für seine Ehefrau unterhaltspflichtig. Der Beschwerdeführer habe Auszüge aus einem Wertpapierdepot seines Vaters vorgelegt. Der Beleg vom über den Kauf von Wertpapieren im Wert von EUR 40.000,-

sei nicht aktuell und könne daher den Besitz dieser Wertpapiere nicht nachweisen. Darüber hinaus sei ein Verkauf von Wertpapieren im Wert von EUR 4.000,- am dokumentiert.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das dem Vater des Beschwerdeführers zur Verfügung stehende Einkommen reiche nicht aus, um den gemäß § 293 ASVG für Ehepaare erforderlichen Richtsatz von EUR 1.091,14 abzudecken. Zusätzlich müsse für den Beschwerdeführer ein monatlicher Betrag von EUR 726,- zur Verfügung stehen. Bei Wertpapieren könne darüber hinaus nicht von festen und regelmäßigen Einkünften gesprochen werden, weil diese von einem Kurs abhängig seien, deren Wert durchaus fallen und die somit nicht zur Berechnung des Unterhaltes herangezogen werden könnten.

Der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung eine regelmäßige Unterhaltsleistung seines Vaters im Heimatland nicht nachzuweisen vermocht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene und nach Aufforderung ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach deren antragsgemäßer Abtretung zur Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der zunächst bei ihm eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom , B 2077/07-3, abgelehnt hat, sowie nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006 zur Anwendung.

Die Beschwerde macht unter anderem geltend, auch Guthaben von Wertpapierdepots seien bei der Berechnung des verfügbaren Unterhaltes zu berücksichtigen, weil sie - wie Einlagen auf Sparguthaben - sofort verfügbar seien und ein festes und regelmäßiges Einkommen darstellten. Werde der nachgewiesene Betrag von EUR 36.000,- auf ein Jahr aufgeteilt, überschreite er jedenfalls den von der belangten Behörde als notwendig angenommenen Unterhaltsbetrag. Der Vater des Beschwerdeführers habe an Eides statt erklärt, ihm auch in der Türkei Unterhalt geleistet zu haben.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Zur Prüfung des nach § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG zu fordernden Unterhaltes stellte die belangte Behörde einem zutreffend an den Richtsätzen des § 293 ASVG orientierten monatlichen Bedarf von EUR 1.091,14 für ein Ehepaar und EUR 726,-

für den Beschwerdeführer (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0637) ein verfügbares Einkommen des Zusammenführenden von EUR 690,90 monatlich gegenüber. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Unterhalt grundsätzlich auch durch Sparguthaben gedeckt werden darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0260 mwN). Gleiches muss für jederzeit verfügbare Guthaben aus Wertpapierdepots gelten, welche den in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaktes 2005 (952 BlgNR 22. GP 136 f) genannten Erträgen aus Vermögen, Spareinlagen und Unternehmensbeteiligungen vergleichbar sind. Der Befürchtung der belangten Behörde, der Wert des Depots könnte infolge Kursverfalls sinken, fehlen Feststellungen zur Art und zum Kursverlauf der veranlagten Wertpapiere, um deren Volatilität beurteilen zu können.

Soweit die belangte Behörde Zweifel am Besitz der Wertpapiere durch den Vater des Beschwerdeführers mit der mangelnden Aktualität des Beleges vom begründet, ist eine solche Beweiswürdigung nicht schlüssig, weil es sich dabei - entgegen der Darstellung im angefochtenen Bescheid - nicht um einen Auszug aus einem Wertpapierdepot handelt, sondern diese Urkunde eine Dokumentation einer damals getroffenen Ankaufsvereinbarung darstellt. Der ebenfalls vorgelegten Verkaufsbestätigung über Kassenobligationen im Umfang von EUR 4.000,- per lässt sich zwar kein Depotstand entnehmen, doch ergibt die Saldierung der in beiden Urkunden genannten Beträge den in der Beschwerde behaupteten Wert von EUR 36.000,-. Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Transaktionsbelege wurden im angefochtenen Bescheid nicht dargestellt. Die im Verwaltungsakt befindliche Finanzübersicht (Blatt 15), welche einen Wert von "Anleihen/Pfandbriefe" und ein Kontoguthaben wiedergibt, ließ die belangte Behörde hingegen unberücksichtigt.

Ebenso wenig nimmt der angefochtene Bescheid zur Frage des Nachweises, ob der Vater des Beschwerdeführers bereits im Heimatland Unterhalt leistete, auf den Inhalt der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterhaltserklärung seines Vaters vom Bedacht, in der dies ausdrücklich bestätigt wird.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen vorrangig wahrzunehmender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am