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VwGH vom 26.06.2012, 2008/22/0319

VwGH vom 26.06.2012, 2008/22/0319

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des IJ in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 317.329/2-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehefrau gemäß § 21 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Z. 1 und § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführer am mit einem vom 6. Mai bis gültigen Visum C in Österreich eingereist und seit ohne Unterbrechung mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet sei. Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am den gegenständlichen Antrag gestellt. Den Ausgang des Verfahrens habe der Beschwerdeführer entgegen der seit gültigen Bestimmung des § 21 Abs. 1 NAG im Inland abgewartet.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums sei unrechtmäßig und könne auch durch die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht saniert werden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers betreibe die Scheidung der zerrütteten Ehe, welche der Beschwerdeführer nur dem äußeren Schein nach bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aufrecht zu erhalten trachte. Die in diesem Zusammenhang relevierte Verschuldensfrage hinsichtlich der Zerrüttung sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Die vom Beschwerdeführer seit ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit sei spätestens seit unerlaubt, weil der Beschwerdeführer weder über eine dafür erforderliche arbeitsmarktrechtliche Bewilligung noch über einen entsprechenden Aufenthaltstitel verfüge. Sein Aufenthalt gefährde deshalb schon bisher die öffentliche Ordnung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Z. 1 NAG.

Besonders berücksichtigungswürdige humanitäre Gründe für eine Inlandsantragstellung habe der Beschwerdeführer im Verfahren bisher nicht releviert und könnten auch seitens der belangten Behörde nicht erkannt werden.

Für die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen nicht.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den gegenständlichen, noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG gestellten Antrag zutreffend gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes (BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006) beurteilte.

Dazu macht der Beschwerdeführer geltend, auch wenn gemäß § 81 Abs. 1 NAG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen seien, sollte damit eine rückwirkende Gesetzesanwendung nicht in dem Sinn erfolgen, dass das Verfahren von Anbeginn neu "gewertet und geordnet werden müsste", weil der Beschwerdeführer aus der alten Gesetzeslage wohlerworbene Rechte ableite und ihm diese nicht entzogen werden könnten. Hätten die Behörden ohne unnötigen Aufschub entschieden, wäre jener Rechtszustand hergestellt, welcher nunmehr angestrebt werde. Vor Erlassung des NAG sei der Beschwerdeführer gemäß § 49 FrG als Angehöriger einer Österreicherin niederlassungsberechtigt und zur Inlandsantragstellung befugt gewesen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass § 21 Abs. 1 NAG auch die Verpflichtung enthält, die Entscheidung über einen Erstantrag im Ausland abzuwarten. Dieser ab bestehenden Verpflichtung kam der Beschwerdeführer unbestritten nicht nach. Der Umstand, dass die erstinstanzliche Behörde erst nach Inkrafttreten des NAG über den Antrag entschied, macht den vorliegenden Bescheid nicht rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0419, mwN).

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte der Beschwerdeführer die Entscheidung über den gegenständlichen Erstantrag im Ausland abwarten müssen.

Das Recht, den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher fallbezogen nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom , mwN).

Dazu macht der Beschwerdeführer geltend, seit 2005 familiär und wirtschaftlich in Österreich integriert zu sein, worüber die belangte Behörde die erforderlichen Erhebungen unterlassen habe. Der von ihr angenommene Zerrüttungstatbestand gehe insofern ins Leere, als das dafür allein zuständige Gericht diesen nicht im Sinne der Auflösung der Ehe gewürdigt habe, weil es die Scheidungsklage der Ehefrau des Beschwerdeführers abgewiesen habe.

Dem steht entgegen, dass die belangte Behörde nicht über den formalen Fortbestand der Ehe zu befinden hatte, sondern ihrer Beurteilung zugrunde legte, dass tatsächlich kein gemeinsames Familienleben mehr im Sinne des Art. 8 EMRK geführt werde. Der zu dieser Frage erhobenen Mängelrüge fehlt es an der Relevanz, weil nicht dargestellt wird, welche konkreten Erhebungen die belangte Behörde zu welchen Feststellungen geführt hätten, welche die Annahme besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Gründe gerechtfertigt hätten. Die belangte Behörde war daher auch nicht gehalten, die in der Beschwerde behaupteten "massiven Inlandsinteressen" des Beschwerdeführers und "(derzeitigen) familiären Bindungen im Inland" anzunehmen und in die Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers einfließen zu lassen.

Unter Bedachtnahme auf den rund dreieinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, welcher mit Ausnahme der ersten drei Monate unrechtmäßig war, auf die am geschlossene Ehe mit einer Österreicherin, welcher seit spätestens kein gemeinsames Familienleben mehr im Sinne des Art. 8 EMRK zugrunde liegt, und auf die seit ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers, welche spätestens seit ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung und ohne entsprechenden Aufenthaltstitel erfolgte und somit unrechtmäßig war, kann ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund gemäß § 72 NAG nicht erkannt werden.

Somit ging die belangte Behörde zutreffend davon aus, dass einer Bewilligung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags § 21 Abs. 1 NAG entgegensteht. Zu Recht schloss die belangte Behörde auch aus dem zuletzt dargestellten Vorgehen des Beschwerdeführers betreffend den unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich und die unerlaubte unselbständige Erwerbstätigkeit auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Bereich des Fremdenwesens (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0135 und 0136, mwN).

Unsubstantiiert blieb die Beschwerdebehauptung, im Lauf des Verfahrens dargetan zu haben, dass "ihm die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit seiner Ehegattin zukommt", werden doch damit keine konkreten im Bereich des Beschwerdeführers oder seiner Ehefrau gelegenen Tatsachen oder Umstände behauptet.

Da der Beschwerdeführer mit seiner österreichischen Ehefrau kein gemeinsames Familienleben mehr führt, kann auch mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom , C-256/11, Rs Dereci ua., nicht davon ausgegangen werden, dass ihr im Fall der Verweigerung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer der tatsächliche Genuss des Kernbestands ihrer Rechte aus dem Unionsbürgerstatus verwehrt würde (vgl. das zur Ausweisung ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0750, mwN).

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am