VwGH vom 07.04.2011, 2008/22/0308
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 22-24/4/9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 315.866/5-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Kosovo, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, dass der Beschwerdeführer seit etwa Anfang 2005 der Lebenspartner eines österreichischen Staatsbürgers sei und dieser ihm tatsächlich Unterhalt leiste. Er habe ihn in Österreich während seines Studiums kennen gelernt und hier eine Lebensgemeinschaft begründet. Unter Herkunftsstaat (im Sinne des § 47 Abs. 3 NAG) werde jener Staat verstanden, aus dem der Zuzug nach Österreich erfolge. Dieser müsse nicht jener Staat sein, dessen Staatsangehörigkeit jemand besitze. Deshalb sei bei Gründung einer Lebensgemeinschaft in Österreich § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG nicht anwendbar, und der Beschwerdeführer benötige daher einen "eigenen Aufenthaltstitel".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 47 Abs. 3 NAG (in der Stammfassung) lautet:
"(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;
2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird; oder
3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,
a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben;
b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und Unterhalt bezogen haben oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.
Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben."
Unbestritten ist, dass die Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit dem Zusammenführenden erst in Österreich begründet worden ist. Es kann aber entgegen dem Beschwerdevorbringen keinem Zweifel unterliegen, dass "Herkunftsstaat" im Sinne des § 47 NAG nur ein anderer Staat als Österreich sein kann, selbst wenn die Lebenspartnerschaft bzw. - allgemein gesprochen - die Angehörigeneigenschaft in Österreich begründet worden ist und sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung (rechtmäßig) im Inland aufhält (vgl. etwa - zu § 47 Abs. 3 Z 3 NAG im Fall einer Adoption - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0646). Dagegen hegt der Verwaltungsgerichtshof auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten unionsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Richtlinie 2004/38/EG treffen im Beschwerdefall schon deswegen nicht zu, weil sein Lebenspartner unbestritten nicht von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und die genannte Richtlinie daher gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 nicht anwendbar ist. Auch ein unmittelbar aus dem Primärrecht ableitbares Recht ist im Beschwerdefall - in dem eine Lebensgemeinschaft und nicht etwa eine eingetragene Partnerschaft vorliegt - nicht ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer in der Regelung des § 47 NAG eine unzulässige Inländerdiskriminierung gegenüber EWR-Bürgern und Österreichern, die einen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht haben, sieht, ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 18.968, hinzuweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof in der aufenthaltsrechtlichen Ungleichbehandlung von drittstaatszugehörigen Familienangehörigen von Österreichern abhängig von der Verwirklichung eines Freizügigkeitssachverhaltes keine Unsachlichkeit erblickt hat.
Auch aus Art. 8 EMRK lässt sich kein Recht des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zwecks Aufrechterhaltung seiner gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft in Österreich ableiten. Aus den von ihm in diesem Zusammenhang genannten Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in den Fällen Abdulaziz u. a. gegen Vereinigtes Königreich (Urteil vom , Nr. 9214/80 u.a.), Gül gegen Schweiz (Urteil vom , Nr. 23218/94), Ahmut gegen Niederlande (Urteil vom , Nr. 21702/92) und Sen gegen Niederlande (Urteil vom , Nr. 31465/96) ist für ihn nichts zu gewinnen, weil spezifische Umstände, die jenen vergleichbar wären, auf Grund deren der EGMR (in dreien der genannten Fälle) eine Verletzung des Art. 8 EMRK festgestellt hat, im Beschwerdefall nicht ersichtlich sind.
Soweit der Beschwerdeführer eine indirekte Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung behauptet, ist einzuräumen, dass er nach österreichischem Recht nicht die Möglichkeit hat, seinen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner zu heiraten (die Möglichkeit des Abschlusses einer eingetragenen Partnerschaft mit der Konsequenz der aufenthaltsrechtlichen Gleichstellung mit Ehepartnern besteht seit Inkrafttreten des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes - EPG, BGBl. I Nr. 135/2009). Diese Ungleichbehandlung liegt aber nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. etwa - auch zu den aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen - das Erkenntnis vom , VfSlg. 17.337; auch der EGMR hat es im Übrigen im Fall Schalk und Kopf gegen Österreich (Urteil vom , Nr. 30141/04) einerseits als zulässig angesehen, dass die Ehe verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten wird, und andererseits ausgesprochen, es könne dem österreichischen Gesetzgeber nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass das EPG nicht schon früher eingeführt worden sei).
Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-84366