VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0303
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der J, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 316.076/2- III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) einen am gestellten Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.
Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin mit dem Antrag die Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Sohn anstrebe. Dieser beziehe nach einer von der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigung ein Einkommen von der T.V.GmbH "in der Höhe von mtl. netto EUR 1.311,23 (inkl. Urlaubsgeld, Überstunden und Zulagen)". Der Sohn der Beschwerdeführerin sei für ein minderjähriges Kind unterhaltspflichtig. Im Zuge des Verfahrens sei ein Sparbuch des Sohnes mit einem Guthaben von EUR 7.003,67 "angeführt" worden.
Durch den Aufenthalt ihres Sohnes und dessen Familie im Bundesgebiet bestünden familiäre Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe von § 82 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Z. 4, Abs. 3 und Abs. 5 NAG - im Wesentlichen aus, dass gemäß § 11 Abs. 5 NAG iVm § 293 ASVG für die Beschwerdeführerin und deren Sohn jeweils ein Betrag von EUR 726,-- und für das minderjährige Kind des Sohnes EUR 76,09 zur Verfügung stehen müssten.
Die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel würden allerdings durch Kreditbelastungen, Mietbelastungen und Pfändungen geschmälert, weshalb diese Ausgaben den erforderlichen Unterhaltsmitteln hinzugerechnet werden müssten. Das angeführte Sparbuch des Sohnes der Beschwerdeführerin könne nicht herangezogen werden, weil es sich dabei weder um feste noch um regelmäßige Einkünfte handle.
Insgesamt müssten im konkreten Fall mindestens EUR 1.528,09 an monatlichen Unterhaltsmitteln zur Verfügung stehen "(ohne Mietenberechnung)", was bei einem monatlichen Gesamtnettoeinkommen von EUR 1.311,23 nicht der Fall sei.
Gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 bis 6 NAG erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Im Zuge der damit erforderlichen Interessenabwägung habe die belangte Behörde festgestellt, dass "den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden" habe müssen, weil die Beschwerdeführerin keinen Nachweis über die Sicherung ihres Lebensunterhaltes erbracht habe.
Der Antrag sei somit mangels Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG abzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die belangte Behörde, die die Abweisung des Antrags allein auf das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG gestützt hat, geht zunächst zutreffend davon aus, dass für die Beschwerdeführerin und ihren Sohn als ihren Angehörigen Unterhaltsmittel in Höhe des doppelten Ausgleichszulagenrichtsatzes zur Verfügung stehen müssen (2 x EUR 726,--), wobei für das minderjährige Kind des Sohnes noch EUR 76,09 hinzuzurechnen sind (§ 293 Abs. 1 ASVG in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. II Nr. 532/2006; vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0632). So errechnen sich EUR 1.528,09.
Allerdings kommt - entgegen der wiedergegebenen Ansicht der belangten Behörde - der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel in Hinblick auf § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG (in der maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 157/2005) nach der hg. Rechtsprechung auch durch Spareinlagen in Betracht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0179, mwN), und es besteht - für die hier maßgebliche Rechtslage des § 11 Abs. 5 NAG - keine Grundlage dafür, das zu berücksichtigende Einkommen des Unterhaltspflichtigen durch Wohnkosten zu schmälern (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0711).
Schließlich teilt der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass im Rahmen der (nach § 11 Abs. 3 NAG in der hier maßgeblichen Stammfassung) vorzunehmenden Interessenabwägung den öffentlichen gegenüber den privaten Interessen in Hinblick auf vermeintlich nicht ausreichende Unterhaltsmittel "absolute Priorität" einzuräumen sei (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
NAAAE-84343