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VwGH vom 17.12.2009, 2008/22/0290

VwGH vom 17.12.2009, 2008/22/0290

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der H, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 148.485/2- III/4/06, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin, einer indischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 19 Abs. 1 und § 21 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am mit einem Visum C, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft Neu Delhi mit Gültigkeit vom bis , in das Bundesgebiet eingereist sei. Seit sei sie durchgehend an einer Anschrift in Wien gemeldet.

Am habe die Beschwerdeführerin erstmals per Post durch ihren Rechtsvertreter einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland eingebracht, der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der Erstbehörde) vom abgewiesen worden sei.

Mit Wirksamkeit vom sei durch das Bezirksgericht Leopoldstadt die Annahme der Beschwerdeführerin an Kindesstatt durch eine österreichische Staatsbürgerin als Wahlmutter bewilligt worden. In der Folge habe die Beschwerdeführerin am den gegenständlichen Antrag per Post wiederum durch ihren Rechtsvertreter - und nicht persönlich - bei der Behörde gestellt. Zum Zeitpunkt dieser Antragstellung habe sich die Beschwerdeführerin im Inland aufgehalten, ebenso vor- und nachher.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 81 Abs. 1, 82 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 2, 19 Abs. 1, 72 Abs. 1 und 74 NAG - im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag entgegen § 19 Abs. 1 NAG nicht persönlich bei der Behörde, sondern durch ihren Rechtsvertreter gestellt habe. In Hinblick auf diese "offenkundige Tatsache" sei eine "neuerliche Befassung im Rahmen des Parteiengehörs entbehrlich".

Darüber hinaus sei der Antrag gemäß § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen, weil er im Inland gestellt worden sei und sich die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt und nachher in Österreich aufgehalten habe. Eine Prüfung in Hinblick auf die §§ 74 und 72 NAG habe ergeben, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei, weshalb eine Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG nicht von Amts wegen zugelassen werde.

Schließlich erfülle die Beschwerdeführerin nicht die in der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), festgelegten Voraussetzungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes (somit gemäß § 82 Abs. 1 NAG am ) anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Der gegenständliche, am gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung war daher zu dem hier entscheidungswesentlichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach dem NAG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) zu beurteilen.

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz NAG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels persönlich bei der Behörde zu stellen.

Da dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden (und am außer Kraft getretenen) Fremdengesetz 1997 - FrG das Erfordernis der persönlichen Antragstellung fremd war und nach der hg. Rechtsprechung die Nichterfüllung zusätzlicher, durch das NAG eingeführter Formalvoraussetzungen nicht zu Ungunsten des Antragstellers zur Zurückweisung seines Antrages aus diesen formalen Gründen führen darf (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2008/22/0790, mwN), wandte die belangte Behörde im vorliegenden Fall § 19 Abs. 1 NAG zu Unrecht an.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die behördliche Beurteilung des gegenständlichen Antrages als Erstantrag. Mit Blick darauf, dass die Beschwerdeführerin noch nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat, bestehen dagegen auch keine Bedenken des Gerichtshofs (vgl. § 2 Abs. 1 Z. 11 bis 13 NAG).

Nach dem Grundsatz der Auslandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte die Beschwerdeführerin daher den gegenständlichen Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen.

Auch die Beschwerde behauptet nicht, dass einer der Fälle des § 21 Abs. 2 NAG vorliege, in denen es zulässig ist, einen Erstantrag im Inland zu stellen; insbesondere konnte sich die Beschwerdeführerin schon deshalb nicht auf § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG berufen, weil sie - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr minderjährig - nicht Familienangehörige ihrer österreichischen Wahlmutter im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0062, mwN).

Das Recht, den Antrag auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung im Inland stellen und die Entscheidung darüber hier abwarten zu dürfen, kommt daher fallbezogen nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0125, mwN).

In dieser Hinsicht beruft sich die Beschwerde auf eine "nachhaltige gesellschaftliche und arbeitsrechtliche Integration" der Beschwerdeführerin "durch ihren langjährigen Aufenthalt sowie die durchgehende Beschäftigung" und - auch dies ohne nähere Konkretisierung - auf die "Frage des drohenden Existenzverlustes" im Fall der Rückkehr der Beschwerdeführerin.

Damit aber wird schon mit Blick auf den - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - bloß dreijährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall in dem beschriebenen Sinn nicht dargetan (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0192, mwN), sodass auch dem in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmangel durch Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör (§ 45 Abs. 3 AVG) mangels Relevanzdarstellung keine Bedeutung zukommt.

Da die Beschwerdeführerin gar nicht behauptet hat, dass ihr ihre österreichische Adoptivmutter Unterhalt gewähre (vgl. Art. 2 Z. 2 lit. c der Richtlinie 2004/38/EG), ist der vorliegende Fall von den dem hg. Beschluss vom , A 2009/0032 (2009/22/0043), zugrunde liegenden gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht umfasst.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-84307