VwGH vom 17.12.2019, Ra 2019/18/0344
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W159 2217940-1/16E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Y A), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Anfechtungsumfang (Spruchpunkte A.II. und A.III.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abwies, dem Mitbeteiligten den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte und ihm unter einem eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilte.
2 Infolge Straffälligkeit des Mitbeteiligten leitete das BFA im Laufe des Jahres 2019 amtswegig ein Aberkennungsverfahren ein. 3 Mit Bescheid des BFA vom wurde dem Mitbeteiligten der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten nach Somalia gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 für unzulässig. Zudem legte es eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot. 4 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), die mit dem gegenständlichen Erkenntnis in Bezug auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen als unbegründet abgewiesen wurde (Spruchpunkt A.I.). Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides wurde hingegen mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei (Spruchpunkt A.II.). Unter einem behob das BVwG die übrigen Spruchpunkte des Bescheides (Spruchpunkt A.III.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B.).
5 In seiner Begründung legte das BVwG - unter näheren Ausführungen - dar, dass dem Mitbeteiligten aufgrund dessen mehrfacher Straffälligkeit gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen und ihm die Aufenthaltsberechtigung zu entziehen gewesen sei. Auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen lägen nicht vor.
6 Die Lage im Herkunftsland des Mitbeteiligten sei jedoch noch immer volatil, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz weiterhin vorlägen. In diesen Fällen sei die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (lediglich) mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei. Werde eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos, so erfasse dies auch die damit in Zusammenhang stehenden Aussprüche. Aus diesem Grund seien die Rückkehrentscheidung und die damit verbundenen Spruchpunkte des Bescheides zu beheben gewesen.
7 Gegen die Spruchpunkte A.II. und A.III. dieses Erkenntnisses wendet sich die vorliegende Amtsrevision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung vorbringt, die Rückkehrentscheidung und die darauf aufbauenden Spruchpunkte seien zu Unrecht behoben worden. Die aktuelle Rechtslage, die sich grundlegend von jener vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 unterscheide, sehe bei der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nunmehr auch im Falle bestehender Schutzbedürftigkeit trotz fehlender Schutzwürdigkeit vor, dass stets unter einem eine Rückkehrentscheidung erlassen werde und diese mit der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung zu verbinden sei. Diese gesetzliche Vorgehensweise entspreche auch den unionsrechtlichen Vorgaben der RückführungsRL 2008/115/EG (Art. 6 Abs. 1 und 6 iVm Art. 9 Abs. 1 lit. a). Aus der Wiedergabe des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF FrÄG 2005 ergebe sich, dass das BVwG offensichtlich fälschlich die Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2017 angewandt habe. Die Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Rückkehrentscheidung schlage auch auf die untrennbar damit verbundenen Aufhebungen des BVwG der Spruchpunkte betreffend Erklärung der Unzulässigkeit der Abschiebung, Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise und Erlass eines Einreiseverbotes durch.
8 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
11 Die im Revisionsfall anzuwendende Bestimmung des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 in der geltenden und im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung, BGBl. I Nr. 145/2017, lautet auszugsweise:
"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 9 (2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht
schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."
12 Die Erläuterungen des Initiativantrags zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017, 2285/A, BlgNR 25. GP 80, führen zu dieser Bestimmung - soweit entscheidungsrelevant - aus:
"Die vorgeschlagenen Änderungen erfolgen vor dem Hintergrund der Neufassung des § 52 Abs. 9 FPG, die in Übereinstimmung mit unionsrechtlichen Vorgaben vorsieht, dass über die Rückkehrentscheidung und das allfällige Vorliegen von Abschiebungsverboten in einem Bescheid abzusprechen ist. Die Unzulässigkeit der Abschiebung soll der Erlassung einer Rückkehrentscheidung demnach nicht (mehr) entgegenstehen. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sollte dies auch in jenen Fällen gelten, in denen einem Fremden wegen Vorliegens eines Ausschlussgrundes (§ 9 Abs. 2 AsylG 2005) der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen oder von vornherein nicht zuzuerkennen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig ist."
13 Aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 9 Abs. 2 UAbs. 2 AsylG 2005 ("In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, ...") ergibt sich, dass in Fällen der bescheidmäßigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unter einem über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung abzusprechen ist. Die Unzulässigkeit der Abschiebung steht dabei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung - wie auch die Erläuterungen des Initiativantrags zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 nochmals ausdrücklich ausführen - nicht entgegen.
14 Warum das BVwG demgegenüber fallgegenständlich eine Rückkehrentscheidung für unzulässig erachtet hat, lässt sich der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht entnehmen. Die ersatzlose Behebung der Rückkehrentscheidung durch das BVwG erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
15 Da die Rückkehrentscheidung und die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 eine untrennbare Einheit darstellen, muss auch die vom BVwG unter Spruchpunkt A.II. getroffene Feststellung behoben werden, obwohl sich die Amtsrevision inhaltlich nicht dagegen wendet. 16 Auch die weiteren vom BVwG ersatzlos behobenen Spruchpunkte des verwaltungsbehördlichen Bescheides (Frist zur freiwilligen Ausreise und Einreiseverbot) bauen auf der Rückkehrentscheidung auf und können ohne diese keinen Bestand haben.
17 Das angefochtene Erkenntnis war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat im Anfechtungsumfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180344.L00 |
Schlagworte: | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
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