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VwGH vom 20.09.2006, 2006/14/0028

VwGH vom 20.09.2006, 2006/14/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der H GmbH in A, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zlen. RV/155-06/2002 und RV/156-06/2002, betreffend Haftung für Lohnsteuer für die Zeiträume 1994 bis 1996 sowie 1997 bis 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Lohnsteuerhaftung betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Unternehmen zur Abfallsammlung und Abfallentsorgung. Im Gefolge von Lohnsteuerprüfungen für die Zeiträume Jänner 1994 bis Dezember 1996 und Jänner 1997 bis Dezember 2000 kam es mit Haftungsbescheiden vom zu Nachforderungen an Lohnsteuer, weil nach Ansicht des Finanzamtes von der Beschwerdeführerin an bei ihr beschäftigte Kraftfahrer bezahlte Schmutzzulagen nicht gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 steuerfrei seien.

In den Berufungen wurde vorgebracht, die Kraftfahrer hätten Mülltransporte bzw. Entsorgungen jeder Art durchzuführen (eine genaue zeitliche Beschreibung der Abläufe sei den beiliegenden Aufstellungen zu entnehmen). Für die Fahrtätigkeit werde weniger Zeit aufgewendet als für die Ent- und Beladung sowie für die Reinigung der Fahrzeuge. Die gesamte Tätigkeit erfolge unter der Einwirkung der Verschmutzung, wobei bereits am Beginn des Tages die erste verschmutzende Tätigkeit durchzuführen sei. Die Richtigkeit des Nachweises der genauen Abläufe werde mit der Unterschrift des Fahrers bestätigt. Der Ablauf wiederhole sich jeden Tag. Seitens der Lohnsteuerprüfung sei der konkrete Sachverhalt nicht gewürdigt worden. Die Tätigkeit habe sich nicht geändert und "hat in der selben Art stattgefunden wie lt. Nachweise 2000 und 2001".

Einem - den Berufungen angeschlossenen - Schreiben der Beschwerdeführerin vom betreffend die Beschreibung der Tätigkeit auf dem Gebiet der Abfall- und Altstoffsammlung ist u. a. zu entnehmen, dass die Sammelfahrzeuge im Schnitt 100 bis 120 km pro Tag zurücklegten. Schon daraus sei ersichtlich, dass die Fahrzeuge zum überwiegenden Teil mit Ladearbeiten beschäftigt seien. Während mit einem LKW normalerweise eineinhalb bis zwei Stunden gefahren würden, betrage die Ladezeit pro Tag bei einem durchschnittlichen zehn Stunden-Tag mindestens acht Stunden. Bei diesen Ladetätigkeiten müssten auch die Kraftfahrer "im höchsten Maße" Hilfsarbeitertätigkeiten - sprich Beladetätigkeiten - leisten. Es sei aus wirtschaftlichen Gründen unumgänglich, dass der Kraftfahrer bei jeder Beladestelle - und das könnten bei den verschiedenen Abfallfraktionen bis zu 500 Stellen pro Tag sein - aussteigen und beim Beladen mithelfen müsse. Anhand der - für die verschiedenen Sammeltätigkeiten anhand von Beispielen jeweils aufgezeigten - Tagesabläufe könne nachgewiesen werden, dass der Fahrer "übermäßig viele Hilfsarbeitertätigkeiten durchführen muss".

In einem Vorhalt vom nahm die belangte Behörde Bezug auf den Schriftsatz vom und führte dazu (unter Bezugnahme auf die dem Schriftsatz angeschlossenen Aufstellungen über die verschiedenen Sammeltätigkeiten) Folgendes aus:

"Die von Ihnen vorgelegte Aufstellung über die Sperrmüllsammlung in der Gemeinde A. am , wurden vom Fahrer und Beifahrer unterschrieben. Die von Ihnen belegte Planenfahrzeugabholungen fand am statt und ist von der Lohnsteuerprüfung nicht umfasst. Die Containerfahrzeugabholungen am umfasst nur einen Bediensteten, nämlich den Fahrer T.C., der eigenhändig diese Aufstellung unterschrieben hat. Dasselbe trifft auf die Aufstellung vom , unterschrieben vom Fahrer J.G. Auch alle übrigen mit Schreiben vom vorgelegten Aufstellungen betreffen nicht mehr die geprüften Jahre. Das bedeutet, dass lediglich für das Jahr 2000 auf den Fahrer C.J. ein Teil der festgesetzten Lohnsteuer im Ausmaß von S 19.157,-- im Berufungsverfahren nicht festgesetzt wird. Für alle oben genannten Personen wurde keine Lohnsteuer vom Finanzamt festgesetzt, sodass diesbezüglich das Berufungsbegehren ins Leere geht. Um einen geeigneten Vorschlag für das Ausmaß der Festsetzung an Lohnsteuer wird binnen einer Frist von vier Wochen ab Erhalt ersucht. Bei Nichtnachkommen werden im Schätzungswege (§ 184 BAO) 10 % der festgesetzten Lohnsteuer wegfallen."

In der Vorhaltsbeantwortung vom teilte die Beschwerdeführerin mit, dass es sich bei den im Schriftsatz vom beschriebenen Tätigkeiten auf Grund der (beiliegenden) Verträge mit dem Gemeindeverband für Umweltschutz in der Region A. um sich ständig wiederholende Arbeitsabläufe handle. So besitze beispielsweise der Vertrag für die Altglassammlung mit dem Gemeindeverband seit dem Gültigkeit. Das bedeute, dass auch sämtliche Arbeitsabläufe, die von den Kraftfahrern mit Datum 2001 unterschrieben worden seien, auch früher ebenso abgewickelt worden seien. Dies werde auch seitens des Gemeindeverbandes für Umweltschutz in der Region A., welcher der Auftraggeber der Beschwerdeführerin sei, bestätigt (Bestätigung liegt bei). Auch die Fahrer, die noch im Betrieb beschäftigt seien, könnten mit ihrer Unterschrift (vgl. beiliegendes Unterschriftenblatt) bestätigen, dass die beschriebenen Arbeitsabläufe in eben dieser Art und Weise durchgeführt worden seien. Wie aus den Verträgen ersichtlich sei, seien sämtliche Tätigkeiten zumindest seit 1996 regelmäßig für den Gemeindeverband durchgeführt worden. Auch betreffend "Planenzug- und Containerfahrzeugabholungen" sei die Beschwerdeführerin seit 1993 mit der Sammlung von verschiedensten "Abfallfraktionen" betraut. Hier seien durch das Fahrpersonal die Arbeitsabläufe ebenfalls seit Beginn dieses Geschäftszweiges so zu erledigen, wie diese beispielsweise für und beschrieben worden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung im Streitpunkt der Lohnsteuernachforderung aus dem Titel des § 68 Abs. 1 EStG 1988 keine Folge. Voraussetzung für die Gewährung der Begünstigung für Schmutz- und Erschwerniszulagen sei u. a., dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichte, die überwiegend unter Umständen erfolgten, die in erheblichem Maße eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung zwangsläufig bewirkten oder im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellten. Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung eines Sachverhaltes, der unter die Befreiungsbestimmung des § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu subsumieren sei, könne nicht nur durch nachprüfbare Grundaufzeichnungen, sondern auch in anderer Weise erbracht werden. In "Entsprechung dieser Rechtsauffassung" seien der belangten Behörde die beschriebenen Arbeitsabläufe samt den Verträgen über die Altglassammlungen bzw. die Papier-, Restmüll- und Alttextilienentsorgung sowie die Bestätigung des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und ein Unterschriftenblatt vorgelegt worden. Die "Abgabenbehörde" habe im Vorhalt vom bereits auf den Umstand hingewiesen, dass die vorgelegte Aufstellung über die Sperrmüllsammlung in der Gemeinde A. am vom Fahrer und Beifahrer unterschrieben worden sei. Die anderen Aufstellungen hätten nicht die Streitjahre betroffen und die "Containerabholungen am umfasst nur einen Bediensteten, nämlich den Fahrer T.C., der eigenhändig diese Aufstellung unterschrieben hat". Aus den Unterlagen der Lohnsteuerprüfung gehe im Übrigen hervor, dass lediglich die an "Kraftfahrern ausbezahlte steuerfreie Schmutzzulage nachversteuert wurde". Im Vorhalt vom sei in Bezug auf die vorgelegten Unterlagen für das Jahr 2000 darauf hingewiesen worden, dass lediglich auf den Fahrer C.J. eine festgesetzte Lohnsteuer im Ausmaß von 19.157 S entfallen sei. Der steuerliche Vertreter sei darauf in der Vorhaltsbeantwortung nicht eingegangen.

Wie bereits die Abgabenbehörde zweiter Instanz in einer Berufungsentscheidung vom , RV/189-15/17/99, betreffend den Prüfungszeitraum bis zum gleich gelagerten Sachverhalt ausgeführt habe, bestehe die Haupttätigkeit eines Kraftfahrers im Lenken eines Fahrzeuges. Durch die Mithilfe der Fahrer beim Be- und Entladen des Fahrzeuges sei es sicher nicht auszuschließen, dass es zu einer Verschmutzung der Kleidung kommen könne. Für die Erlangung der Begünstigung nach § 68 EStG 1988 müssten die Arbeitnehmer aber während der Arbeitszeit überwiegend mit den zulagenbegründenden Arbeiten betraut sein. Die vorliegenden Verträge und Bestätigungen reichten für eine Glaubhaftmachung der Tätigkeiten der Fahrer nicht aus, um die ausbezahlten Beträge unter die Befreiungsbestimmung des § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu subsumieren. Keine der vorgelegten Bestätigungen oder Verträge über die diversen Sammelaktionen gingen vom Vorliegen "derartiger Umstände - wie sie vom Gesetzgeber verlangt werden - aus".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Von zentraler Bedeutung für die Tragfähigkeit der Begründung eines Bescheides im Sinne ihrer Eignung, dem Verwaltungsgerichtshof die ihm aufgetragene Gesetzmäßigkeitskontrolle zu ermöglichen, ist die zusammenhängende Darstellung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes, also die Anführung jenes Sachverhaltes, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt. Das der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung methodisch folgende Begründungselement eines Bescheides hat in der Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung zu bestehen. In den zu diesem Punkt der Bescheidbegründung zu treffenden Ausführungen sind, auf das Vorbringen eines Abgabepflichtigen in den Verwaltungsverfahren beider Instanzen sachverhaltsbezogen im Einzelnen eingehend, jene Erwägungen der Behörde darzustellen, welche sie bewogen, einen anderen als den vom Abgabepflichtigen behaupteten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen, und aus welchen Gründen sich die Behörde im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung dazu veranlasst sah, im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse gerade den von ihr angenommenen und nicht einen durch Beweisergebnisse auch als denkmöglich erscheinenden anderen Sachverhalt als erwiesen anzunehmen. Das dritte tragende Element der Bescheidbegründung schließlich hat in der Darstellung der rechtlichen Beurteilung der Behörde zu bestehen, nach welcher sie die Verwirklichung welcher abgabenrechtlicher Tatbestände durch den im ersten tragenden Begründungselement angeführten festgestellten Sachverhalt als gegeben erachtet (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , 2002/14/0116, und vom , 94/13/0200).

Diesen Anforderungen an eine Bescheidbegründung wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

Zu Recht weist die belangte Behörde darauf hin, dass die Begünstigung für Schmutzzulagen nach § 68 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988 u.a. voraussetzt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , 90/13/0102, und vom , 99/14/0342). Zutreffend geht die belangte Behörde weiter davon aus, dass der Nachweis oder die Glaubhaftmachung eines Sachverhaltes, der unter die Befreiungsbestimmung des § 68 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988 fällt, nicht nur durch nachprüfbare Grundaufzeichnungen, sondern auch in anderer Weise erbracht werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 94/13/0008, und vom , 2000/15/0052).

Die Beschwerde rügt aber zu Recht, dass sich die belangte Behörde mit dem Tatsachenvorbringen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren nicht auseinander gesetzt habe und auf die von der Beschwerdeführerin beigebrachten zahlreichen Unterlagen nicht eingegangen sei ("Durch das Vorliegen der Unterschriften der Fahrer, der Beschreibung ihrer Tätigkeiten, den Tachoscheiben mit lediglich ca. 100 km Fahrtstrecke, den Ausführungen des Geschäftsführers und den Ausführungen der Gemeinden, sei die Glaubhaftmachung, dass die Tätigkeiten der Kraftfahrer in den letzten Jahren immer gleich geblieben seien, eine überwiegende grobe Verschmutzung im Sinn des § 68 EStG 1988 vorliege und die Tätigkeit des Fahrens untergeordnet bzw. die Haupttätigkeit der Fahrer ident mit denen der Beifahrer sei, gelungen"). Warum die "vorliegenden Verträge und Bestätigungen" für eine Glaubhaftmachung der Tätigkeiten der Fahrer (auch) im Streitzeitraum nicht ausreichten, um die ausbezahlten Beträge unter die Befreiungsbestimmung des § 68 Abs. 1 EStG zu subsumieren, wird im angefochtenen Bescheid in keiner Weise nachvollziehbar, unter Darlegung der entsprechenden Überlegungen und der Beweiswürdigung zu den angesprochenen Unterlagen im Einzelnen, dargestellt. Auch mit der einer Berufungsentscheidung für einen vorangegangenen Prüfungszeitraum entnommenen Aussage, dass die Haupttätigkeit eines Kraftfahrers im Lenken eines Fahrzeuges bestehe, kann beispielsweise allein noch nicht die im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom geschilderte Besonderheit ihrer betrieblichen Situation, wonach auch die Kraftfahrer "im höchsten Maße" Ladetätigkeiten auszuüben hätten (wobei die Ladezeit pro Tag bei einer Fahrzeit von eineinhalb bis zwei Stunden mindestens acht Stunden betragen habe), widerlegt werden. Dass es durch die Mithilfe der Fahrer beim Be- und Entladen des Fahrzeuges "sicher nicht auszuschließen" sei, dass es zu einer Verschmutzung der Kleidung kommen könne, räumt auch der angefochtene Bescheid ein. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, dass im Vorhalt der belangten Behörde vom u.a. davon die Rede ist, dass "bei Nichtnachkommen" im Schätzungswege 10 % der festgesetzten Lohnsteuer wegfallen würden und für das Jahr 2000 der auf den Fahrer C.J. festgesetzte Teil der Lohnsteuer im Ausmaß von 19.157 S "im Berufungsverfahren nicht festgesetzt wird", ohne dass dazu allerdings im angefochtenen Bescheid entsprechende Änderungen des erstinstanzlichen Bescheides erfolgt sind.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am