VwGH vom 15.06.2010, 2008/22/0279
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 316.799/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom wurde ein am gestellter Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit einem von der Österreichischen Botschaft Belgrad ausgestellten Reisevisum, gültig vom bis , nach Österreich eingereist sei; ein weiteres Visum sei ihm von der ungarischen Botschaft in Belgrad "vom bis erteilt" worden.
Am , somit nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Visums, habe der Beschwerdeführer in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Er sei seit bei seiner Ehefrau in Wien 15 aufrecht gemeldet und wohne dort. Der Beschwerdeführer gehe einer Erwerbstätigkeit nach.
Den gegenständlichen Antrag vom , mit dem der Beschwerdeführer die Familienzusammenführung mit seiner österreichischen Ehefrau anstrebe, habe er durch seinen Rechtsvertreter gestellt. Der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten und bestätige auch in seiner Berufung seinen derzeitigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer habe sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten und habe noch nie über einen "Sichtvermerk", eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung für die Republik Österreich verfügt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 82 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 2 NAG -
im Wesentlichen aus, dass der gegenständliche Antrag ein Erstantrag sei, der gemäß § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen sei. Ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, "auch im Hinblick auf Art. 8 MRK", sei entbehrlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerde bestreitet nicht, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag - ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel für Österreich verfügt hat - um einen Erstantrag handelt.
In ihrer Sachverhaltsdarstellung führt die Beschwerde allerdings aus, die belangte Behörde lasse offen, aus welchen Beweismitteln sie den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich erschließe; die Antragstellung durch einen Parteienvertreter sei kein hinreichender Beweis für einen tatsächlichen Inlandsaufenthalt des Antragstellers selbst.
Damit lässt der Beschwerdeführer jedoch zum einen außer Acht, dass sich die belangte Behörde - unter Einbeziehung der zum Beschwerdeführer verzeichneten Meldedaten - auf die Angaben zu seinem "derzeitigen Wohnsitz" im Antrag stützen konnte. Zum anderen hat der Beschwerdeführer noch in seiner Berufung gegen den Erstbescheid als seine Wohnanschrift eine Adresse in Wien 15 angegeben, sich auf den gemeinsamen Haushalt und die Familiengemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin berufen und vorgebracht, er habe "diese dem Wesen der Ehe entsprechende umfassende Lebensgemeinschaft nicht unterbrochen, um sich auf ungewisse Zeit ins Ausland zu begeben und dort auf ein Ergebnis der Antragstellung zu warten". Sogar in der Beschwerde wird betont, der Beschwerdeführer lebe mit seiner Ehefrau in einer ortsüblichen Unterkunft im gemeinsamen Haushalt.
Die Annahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag entgegen § 21 Abs. 1 NAG im Inland gestellt und die Entscheidung darüber nicht im Ausland abgewartet hat, begegnet sohin keinen Bedenken des Gerichtshofs. Damit aber hat der Beschwerdeführer dem Grundsatz der Auslandsantragstellung nicht entsprochen, zumal auch keiner der Ausnahmetatbestände des § 21 Abs. 2 NAG in der Stammfassung erfüllt ist.
Das Recht, den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels im Inland stellen und die Entscheidung darüber hier abwarten zu dürfen, kommt daher fallbezogen nur gemäß § 74 NAG in der Stammfassung in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG in der Stammfassung vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0429, mwN).
Soweit die Beschwerde zu solchen humanitären Gründen ausführt, die belangte Behörde wäre verhalten gewesen, die Frage des "drohenden Existenzverlustes und der davon isoliert bestehenden Rückkehrproblematik" des Beschwerdeführers "in ihre Überlegungen bei der Entscheidungsfindung einzubeziehen", ist sie darauf hinzuweisen, dass im Verwaltungsverfahren ein Vorbringen zu einem drohenden Existenzverlust des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr in seine Heimat nicht erstattet wurde und sich diese - im Übrigen in der Beschwerde gar nicht konkretisierten - Behauptungen daher als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen (§ 41 Abs. 1 VwGG) erweisen.
Auch der in der Beschwerde enthaltene, aber nicht näher ausgeführte Hinweis auf die "bereits weitreichende Integration" des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, humanitäre Gründe in dem beschriebenen Sinn darzutun: Der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren stellt keinen ausreichenden derartigen Grund dar, zumal er sich jedenfalls seit dem Ablauf der Gültigkeit des ihm zuletzt erteilten Visums mit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und sein Aufenthaltsstatus im Inland jedenfalls ab diesem Zeitpunkt als unsicher anzusehen war. Somit kommt auch der mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe im vorliegenden Fall mit Blick auf die kurze Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers kein ausschlaggebendes Gewicht zu (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0035, mwN).
Das weitere Beschwerdevorbringen, dem Beschwerdeführer sei das Recht vorenthalten worden, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und hiezu Stellung zu nehmen, ist bereits deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht darlegt und konkretisiert, was der Beschwerdeführer bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels vorgebracht hätte und zu welchen für ihn günstigen Feststellungen die belangte Behörde in der Folge hätte gelangen müssen.
Die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall § 21 Abs. 1 NAG der Bewilligung des Antrags entgegensteht, ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
NAAAE-84249